Am 6. Mai 2017 war es endlich soweit. Nachdem im Vorfeld mächtig die PR-Trommel geschlagen wurde, ging „Breaking2“ im Autodrome von Monza unter (weitgehendem) Ausschluss der breiteren Öffentlichkeit über die Bühne.
Einladungen zu dem groß inszenierten Event erfolgten selektiv im Sinne des Veranstalters, wobei fast jede Größe des Sports aus dem Umfeld des NIKE-Imperiums vor Ort zu sein schien. Die Außenwelt ließ man durch einen aufwendig inszenierten Livestream teilhaben, der leider viel zu selten Informationen über den Stand der Dinge – sprich Zwischenstände und Splits – gab.
Dabei wurden doch alle 200 m Zwischenzeiten erfasst, die u.a. dem Finetuning des Tesla-Elektromobils als „mechanischen Tempomacher“ dienten. Dass es dabei Probleme mit den Uhren, vor allem der Zeitanzeigen gab, sei nur am Rande bemerkt.
Um 2:45 war der Hauptakteur Eliud Kipchoge (KEN) bereits aufgestanden, um zusammen mit Zersenay Tadese (ERI), der Inhaber des Weltrekords über die Halbmarathondistanz, sowie Lelisa Desisa (ETH) um 5:45 Uhr auf die Tempojagd unter die 2 Stunden-Barriere zu gehen. Wie aberwitzig das Unternehmen erscheinen musste, zeigen die erforderlichen Kilometer-Abschnitte von 2:50,6 Minuten, die ein Elektromobil konstant vorgab.
Das Vorhaben „scheiterte“ am Ende, wobei Kipchoge mit 2:00:25 am 63. Jahrestag der ersten Meile unter 4 Minuten durch Sir Roger Bannister – auch dies einer von vielen Einfällen der PR-Abteilung des NIKE-Konzerns – eine Ausnahmeleistung bot. Bis jenseits der 30 km konnte er das 2 Stunden-Tempo halten, dann erlahmten auch die Kräfte des kenianischen Ausnahmeläufers. Wie hoch seine Leistung unbesehen von permanent aktiven 6 Tempomachern, häufiger Versorgung und speziellen Schuhen einzuschätzen ist, zeigt schon ein Blick auf die km-Splits, von denen Kipchoge keinen Kilometer langsamer als 2:56 (39 km) zurücklegte. Eine solche Leistung konnte im Vorfeld nicht zwingend erwartet werden, vor allem unter der Prämisse, dass bereits die erste Hälfte in der Weltklassezeit von einer Stunde zu absolvieren war (Eliud schaffte diese nach 59:56):
Wie immer man den ganzen „Zirkus“ bewerten mag, man muss nüchtern feststellen, dass die großartige Leistung von Eliud letztlich den Erfolg und das Ansehen des Projekts gerettet hat.
Wie wenig die „wissenschaftliche“ und ohne finanzielle Grenzen bei allen Ressourcen agierende Begleitung der Topathleten im Vorfeld einbrachte, demonstrierte das Abschneiden von Tadese und Desisa. Dabei waren die Leistungen von Desisa schon im Vorfeld indiskutabel. Und dass Tadese einen Marathon nun unter 2:10 Stunden lief, hätte man sicher billiger haben können.
Kipchoge bestand in den Monaten vor dem Event strikt darauf, sich nicht in SEINE Vorbereitungen einzumischen.
Es war somit primär die Leistung des aktuell besten Marathonläufers – vielleicht aller Zeiten – , die die grandiose Zeit in Monza möglich machte. Was er unter „Regel konformen Bedingungen“ leisten kann, wird sich nach Lage der Dinge im Herbst zeigen, genauer: am 24. September 2017 beim Berlin-Marathon. Dabei ist zu hoffen, dass er den enormen Raubbau an körperlichen Reserven bis dahin gut überstanden hat.
Was die ganze Aktion am Ende gebracht hat, dürfte recht diverse Einschätzungen finden. Ein interessantes „Experiment“ war die Aktion allemal, das auch in der breiten Öffentlichkeit eine erhebliche Aufmerksamkeit für den Laufsport hervorrief. Dabei steht allerdings zu befürchten, dass die außergewöhnliche, jedoch nicht Regel konforme Leistung ähnlich schnell in Vergessenheit gerät wie seinerzeit die Fabelzeit von 2:03:02 durch Geoffrey Mutai beim Boston Marathon. Geoffrey hat sich danach eigentlich nie mehr vollständig von seiner Belastung am absoluten Limit erholt. Als Aspirant auf einen Weltrekord wird er schon lange nicht mehr gehandelt.
Die Splits von Eliud Kipchoge beim „Breaking2“-Projekt ab 30 km:
30 km | 1:25:20 | 2:53 | 14:17 | 2:00:01 |
31 km | 1:28:11 | 2:51 | 2:00:02 | |
32 km | 1:31:01 | 2:50 | 2:00:01 | |
33 km | 1:33:55 | 2:54 | 2:00:05 | |
34 km | 1:36:46 | 2:51 | 2:00:05 | |
35 km | 1:39:38 | 2:52 | 14:18 | 2:00:07 |
36 km | 1:42:30 | 2:52 | 2:00:08 | |
37 km | 1:45:22 | 2:52 | 2:00:10 | |
38 km | 1:48:14 | 2:52 | 2:00:11 | |
39 km | 1:51:10 | 2:56 | 2:00:16 | |
40 km | 1:54:04 | 2:54 | 14:26 | 2:00:20 |
41 km | 1:56:58 | 2:54 | 2:00:23 | |
42 km | 1:59:53 | 2:55 | 2:00:26 | |
Marathon | 2:00:25 | 6:21 | (1:00:29) |
Valary Aiyabei (KEN) lief beim Prager Marathon Streckenrekord. (c) H. Winter
Am Tag nach Monza ging es am 7. Mai beim 23. Volkswagen Prag Marathon „normal“ und Regel konform weiter. Dort legte die Kenianerin Valary Aiyabei (KEN) einem mutigen Sololauf aufs Pflaster, bei dem sie sich ein wenig von der Tempohatz in Monza anstecken ließ und bis zur Hälfte auf Kurs von 2:16 Stunden in Weltrekordnähe lag. Am Ende konnte sie den Streckenrekord in Prag auf hochklassige 2:21:57 steigern. Bei den Männer gewann in einem äthiopischen Duell Gebretsadik Ahbraha in 2:08:47. Auch (hoch)sommerliches Wetter konnte die äthiopische Läuferin Letebrhan Haylay Gebreslasea nicht daran hindern, beim Yellow River Estuary International Marathon in der chinesischen Metropole Dongying mit 2:25:01 einen Streckenrekord bei den Frauen aufzustellen.
Das 40. Jubiläum des Fifth Third River Bank Run am 13. Mai über 25 km krönte der US-Top-Marathonläufer Dathan Ritzenhein nach langer Verletzungspause mit einem Sieg in beachtlichen 2:14:27, bei den Frauen lag Titelverteidigerin Aliphine Tuliamuk (USA) in gleichfalls guten 1:24:35 vorne. Beide wurden damit US-Meister. Einen Tag später, am 14. Mai 2017, blieb von den BIG25 in Berlin, dem leistungsstärksten 25 km-Lauf der Welt, in diesem Jahr sportlich nicht viel zu vermelden. Ohne die Verpflichtung von Eliteathleten hatte man sich in die Versenkung verabschiedet. Fast ungeplant schaffte aber immerhin die deutsche Läuferin Katharina Heinig mit 1:13:03 als Durchgangszeit beim Halbmarathon den Leistungsnachweis für die WM im August und wird nun dort im deutschen Team dabei sein.
Am gleichen Tag erzielte die Gewinnerin des Lattelecom Riga Marathon Bekelech Daba (ETH) mit 2:31:22 die schnellste Zeit einer Frau auf lettischem Boden und natürlich auch Streckenrekord. Dieser wurde bei den Männern durch Joseph Kyengo Munywoki (ZIM) in 2:12:14 verpasst. Bei der 27. Ausgabe des Sendai International Half Marathon sorgten gute Bedingungen für schnelle Zeiten mit dem Sieg von Charles Ndirangu (KEN) in 1:01:44. Am 20. Mai schaffte Fancy Chemutai (KEN) mit dem neuen Streckenrekord von 1:07:58 das herausragende Ergebnis beim Göteborg Varvet Halbmarathon. Auch der Sieger bei den Männern kam aus Kenia, Geoffrey Yegon gewann in 1:00:19. Bei der 5. Ausgabe des Mattoni Karlovy Vary Half Marathon (Karlsbad, Tschechien) gab es neben spannenden auch schnelle Rennen, in denen sowohl der Sieger Wilfred Kimitei (KEN) in 1:00:54 als auch die Siegerin Yvonne Jelagat (KEN) in 1:08:19 neue Streckenrekorde erzielen konnten.
Die Erstplatzieten beim Halbmarathon in Karlovy Vary. (c) Veranstalter
Recht fragwürdig war die Premiere des Bangkok Midnight Marathon um Mitternacht zum 21. Mai 2017 einzuschätzen, wo Temperaturen um 30°C bei einem Taupunkt um 26°C (!!) den Aktiven so gut wie alles abverlangten. Wie sehr sich selbst die Sieger bei diesem unsinnigen Untefangen gequält haben müssen, verdeutlichen Siegerzeiten von 2:30:23 durch Silas Muturi (KEN) sowie von 2:53:31 durch Esther Macharia (KEN). Bei weit besseren äußeren Bedingungen gewann am 27. Mai die Äthiopierin Netsanet Gudeta zum Auftakt des Ottawa Race Weekends den 10km-Lauf in 31:35, Leul Gebresilase (ETH) siegte in 28:43 bei den Männer. Am Tag darauf beim Scotiabank Ottawa Marathon gewannen Eliud Kiptanui (KEN) in 2:10:14 sowie von Guteni Imana (ETH) in 2:30:18.
Mit Siegen von Tirunesh Dibaba (ETH) in 31:03 sowie von Dathan Ritzenhein (USA) in 28:06 endete am 28. Mai der Simplyhealth Great Manchester Run über 10 km, der wegen eines Terroranschlags in der Woche zuvor vor der Absage stand. Am 3. Juni gewann der Tempomacher Abrha Milaw (ETH) den ASICS Stockholm Marathon in 2:11:36, wobei er das erklärte Ziel der Eliteläufer eines neuen Streckenrekordes um eine gute halbe Minute verfehlte. Auch bei den Frauen gab es durch Konjit Tilahun in 2:35:45 einen äthiopischen Erfolg. Hohe Temperaturen verhinderten hochklassige Zeiten bei der 6. Auflage des Mattoni Budweis Halbmarathon in der südböhmischen Metropole. Justus Kangogo sowie Anges Barsosio (beide KEN) kamen am besten mit den Widrigkeiten des Wetters zurecht und gewann in 1:02:46 sowie 1:09:52.
Justus Kangogo (KEN) gewann den Halbmarathon in Budweis. (c) CTV
Bei 20. Ausgabe des Rock´n´Roll San Diego Marathon waren der US-Eliteläufer Geoffrey Eggleston und seine Landsfrau Bridie McCarey, die sich für Zeiten von 2:21:18 sowie 2:48:48 Siegerschecks von 500 US$ einstecken konnten. Den Niedergang der Veranstaltung dokumentieren auch 3000 Finisher, 1998 waren es bei der Premiere einmal 20.000. Einen deutlichen Sieg der kenianischen Topläuferin Mary Keitany gab es beim New York City Mini 10K am 10. Juni in 31:20 vor 8480 Frauen im Ziel im Central Park. Bei den FBK Games im niederländischen Hengelo fungierten die 10000 m-Laufe als äthiopische Trials für die WM in London im August. Gelete Burka in 30:40,87 sowie Abadi Hadis in 27:08,26 waren die Schnellsten und liefen Weltjahresbestzeiten.
Dom Mibei (#21) gewann den Elitelauf über 10 km in Oelde. (c) Veranstalter
Das 20. Jubiläum des Oelder Sparkassen Citylaufs am Abend des 10. Juni in der westfälischen Provinz verzeichnete knappe Siege über 10 km von Dom Mibei (KEN) in 28:25 und Pauline Esikon (KEN) in 32:40. Der Kenianer Elisha Barno schrieb Geschichte beim Grandmas Marathon in Duluth (USA, MN), als er den Marathon auf dem Punkt-zu-Punkt-Kurs am Ufer des Lake Superior zum dritten Mal in Folge in 2:11:54 gewann. Wie im Vorjahr gab es bei der 8. Ausgabe des Mattoni Olomouc Halbmarathon hochsommerlichen Temperaturen mit denen der Sieger von 2015 Josphat Kiptis (KEN) in 1:01:50 und Worknesh Degefa (ETH) in 1:09:19 am besten zurechtkamen.
Josphat Kiptis (KEN) gewann den Halbmarathon im mährischen Olomouc. (c) H. Winter
Der Japaner Takuya Noguchi (JPN) verhinderte am 2. Juli bei der 39. Auflage des Gold Coast Airport Marathon den dritten Erfolg des Kenianers Kenneth Mungara. Wie im letzten Jahr entschied sich das Rennen erst auf der Zielgeraden, wobei Noguchi in 2:08:59 den Kenianer in 2:09:04 knapp hinter sich lassen konnte. Der Vorjahreszweite Yuki Kawauchi (JPN) fiel diesmal bei 39 km etwas zurück und wurde in 2:09:18 Dritter. Bei den Frauen gewann Abebech Bekele (ETH) mit neuem Streckenrekord von 2:25:34.
ENDE