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03
08
2015

Leipzig-Marathon - vorbei am Leipziger Rathaus ©Klaus Weidt

Reitertrupp als Regelwächter – Vor den Toren Leipzigs fand 1897 eins der ersten Marathonrennen der Welt statt und damit die Marathonpremiere in Deutschland – Klaus Weidt in LAUFZEIT & CONDITION

By GRR 0

Dass 1896 in Athen der erste olympische Marathon erfunden wurde, wird zu Recht immer wieder gebührend gefeiert. Der griechische Sieger Spiridon Louis ging in die Sportannalen ein.

Die Resonanz dieses Langstreckenereignisses blieb damals nicht natürlich aus. Noch im selben Jahr, nicht mal ein Vierteljahr später, versuchte man einen Marathon in Paris. Boston folgte erst ein Jahr später. Und Deutschland?

Die Leipziger können sich brüsten, Vorreiter der langen Läufe gewesen zu sein. Aber – es oblag den Fußballern und Turnern, die ersten leichtathletischen Veranstaltungen dieser Art zu organisieren. Und da Staffelläufe besonders beliebt waren, rannten 50 Männer am 13. Juni 1897 25 Kilometer von Leipzig nach Wurzen.

Hier ist wohl die Idee entstanden, auch einen Marathon nach olympischem Vorbild auszuschreiben. Der Leipziger Fußballclub "VfB Sportbrüder" tat das dann am 5. September 1887 und benannte das Rennen "Distanzlaufen über 40 km".

Exakt diese Streckenlänge wurde zuerst international als Marathon festgelegt.  

Anstoß durch einen Fußballclub
Die Fußballer setzten sich an jedem Septembermorgen über viele Bedenken und bürokratischen Hindernisse hinweg und schickten 18 Wagemutige vor die Tore ihrer Stadt. Im damaligen Vorort Paunsdorf starteten diese früh um sechs nach Bennewitz und zurück.

„Das stattgefundene 40-km-Distanzrennen“, so die Leipziger Neuesten Nachrichten „nahm, trotz des heftigen Windes, einen äußerst günstigen Verlauf. Von den 26 eingelaufenen Nennungen, darunter die des bekannten Dauerläufers Grundtke, der leider in Folge eines ihm auf dem Rückweg zugestoßenen Unfalls nicht in die Entscheidung eingreifen konnte, stellten sich dem Starter:

18 Mann, wovon 1 Läufer auf den Hin- und 4 Läufer auf dem Rückwege das Laufen aufgaben, so dass mithin 13 die Strecke zurückgelegt haben. Alle 13 kamen ohne Unfall und in äußerst guter Form am Ziel an, wo selbst sie von dem zahlreich anwesenden Publicum, welches das in Leipzig noch nie da gewesene Schauspiel hinausgelockt hatte, lebhaft begrüßt wurden.

Die Zeiten sind trotz des ungünstigen Wetters als sehr gute zu bezeichnen und es darf der Club sehr zufrieden sein. Abends vereinigten sich dann die Theilnehmer sodann zur Preisvertheilung und zu dem daran sich anschließenden Commers im Clublocal.“

Der Name des Siegers: Theodor Schöffler.

Er gewann die 40 Kilometer in 3:35:31 h (hin 1:33:00, zurück 2:02:31), acht Minuten vor einem anderen Leipziger namens Bernhardt. Das war’s dann auch schon. Schöffler widmete sich wieder seiner vorrangigen Aufgabe, dem Fußball. Er gehörte zu den Mitbegründern des Deutschen Fußballbundes.

Der Mann, dem der Ruhm gilt, als erster Deutscher die damalige Marathondistanz siegreich zurückgelegt zu haben, wurde schnell vergessen.

In Berlin sah man die "Ordnung gefährdet"

Dieses bahnbrechende Ereignis geriet jedoch für lange Zeit in Vergessenheit. "Wohl auch deswegen", so der Leipziger Prof. Frank Gottert, der sich mit Recherchen zur Marathongeschichte seiner Heimatstadt verdient gemacht hat, "weil die 'deutsche Sportbehörde für Athletik' unter deren Dach dann solche Veranstaltungen durchgeführt wurden, erst 1898 gegründet wurde."

Erst 100 Jahre später wurde die Zeitungsmeldung von 1897 entdeckt.

Und so galt lange Zeit als erster „offizieller“ Marathonlauf in Deutschland jener vom 3. Juli 1898. Eigentlich sollte der in Berlin stattfinden, doch erhielt ein Antrag von der Polizei kein grünes Licht, da diese die „Ordnung gefährdet“ sah.

So schrieben die schon erfahrenen Leipziger „Sportbrüder“ abermals die Strecke Paunsdorf-Bennewitz aus. Als „Rennen für Amateure“ für ein damals nicht gerade billiges Startgeld von 1,50 Reichsmark bei einem Zeitlimit von 6 Stunden.

13 rannten in drei Gruppen in Abstand von je 5 Minuten. Obwohl auf der Fernverkehrstraße in Richtung Meißen kaum ein paar Pferdekutschen rumpelten, erwartete man ein Verkehrschaos und beorderte einen Trupp Reiter dorthin, der zugleich über die Einhaltung der neuen Marathonregeln zu wachen hatte.

„Besonders hervorzuheben,“ meldeten damals die Leipziger Neuesten Nachrichten“, ist das gleichmäßige Laufen des Herrn Küster, welcher trotz eines Aufenthaltes von 5 Minuten am Wendepunkt und trotz heftigen Wadenkrampfes hinter Borsdorf immer noch als Vierter ankam.“

Der Berliner Polsterer Arthur Techtow vom BSV Arminia-Urania, eigentlich ein Geher, der u.a. schon am damaligen „Wettmarsch“ Berlin-Potsdam teilnahm, ließ trotz mäßigen 3:19:50 h keinem Mitbewerber eine Chance. Der Preis, der ihm verliehen wurde, konnte sich sehen lassen: ein Rubin verzierter goldener Siegelring. Die Urkunde bekam er allerdings erst zwei Monate später zugeschickt.

Wie akribisch damals dieser Marathonlauf vorbereitet wurde, zeigt ein Schreiben des Veranstalters mit Zusendung der Startnummer 9 an ihn und der Mitteilung, dass er für die Fahrt zum Start am „Neuen Gasthaus Paunitz“ einen Kremser für 50 Pfennig nutzen könne.

Marathon-Ruhe in Leipzig

Danach herrschte erst einmal Marathon-Ruhe in Leipzig. 27 Jahre lang! Die ersten deutschen Titelkämpfe auf dieser Strecke wurden in der Sport- und Messestadt 1925 ausgetragen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kreideten die Organisatoren Parkrunden im Leipziger Scheibenholz ab, auf denen viele DDR-Meister gekürt wurden.  Prof. Frank Gottert, betont eine Besonderheit: „In einem leistungssportlich geprägten Umfeld war der Leipzig-Marathon eine Ausnahme. Wie international üblich, durfte hier jeder teilnehmen.“

Mit dem Marathon der KMU (Karl-Marx-Universität) unter der Regie von Heinrich Hagenloch wurde eine Veranstaltung ins Leben gerufen, die auch weniger ambitionierten Läufern die Gelegenheit bot, den „Mythos“ der langen Strecke zu erleben. Bei seiner ersten Auflage im Juni 1977 wurde das Zeitlimit auf fünf Stunden heraufgesetzt. 95 Männer und 3 Frauen erreichten im Clara-Zetkin-Park das Ziel. Auf sage und schreibe acht Runden, von denen auch in den nächsten Jahren noch viele bewältigt werden mussten, da erst 1983 der Weg in die City führte.

Hohe Teilnehmerzahlen auf der langen Strecke blieben leider bisher aus. Leipzig, die Wiege des deutschen Marathons, hätte es wirklich verdient, ein „Klassiker“ dieser 42,195 km zu werden. Doch dafür wird sich die sächsische Großstadt wohl noch einiges einfallen lassen müssen.

Spätestens im nächsten Jahr zum "40." Einen sportbegeisterten OB und viele Marathonexperten hat ja Leipzig.

Und wer folgte den Sachsen?

Wie schon erwähnt: Am 30. August 1925 wurde die "1. Deutsche Meisterschaft der Turner im Marathonlauf" über 41,480 km begründet (29 Starter – 17 Finisher), die der Berliner Johannes Theuerkauf in 2:37:38 gewann. 

Die ersten Deutschen Meisterschaften der Leichtathleten im Marathon folgten eine Woche später von Halle nach Leipzig. Unter den 60 Startern erwies sich wieder ein Berliner, der Charlottenburger Paul Hempel, in 2:48:26 als Schnellster.

Welche Marathonveranstaltungen aber fanden als Erste außerhalb von Leipzig statt?

Diese Geschichte ist wohl noch nicht zu Ende geschrieben. Es brauchte lange Zeit, ehe sich der Marathon in Deutschland von den Leistungsträgern löste und die historisch geprägte Distanz für jedermann und gar für jedefrau öffnete. "Rund um den Baldeneysee" (ab 1963) gilt in dieser Hinsicht als der älteste kontinuierlich durchgeführte Marathonlauf.

Der Schwarzwald-Marathon und der Göltzschtal-Marathon (beide ab 1968) dürften ebenfalls zu den Pionieren zählen

Gern aber fragen wir an dieser Stelle unsere Leser: Wer kann hier noch mehr Marathonstatistik zusteuern?

Die ersten Marathonläufe der Welt

1896:
22. März 1896: 1. Qualifikationsrennen der Griechen für die 1. Olympischen Spiele. Sieger: Charialos Vassilakos in 3:18
5. April 1896: 2. Qualifikationsrennen der Griechen für die 1. Olympischen Spiele.
10. April 1896: Marathonlauf der 1. Olympischen Spiele von Marathon nach Athen. Sieger: Spyros (auch Spiridon) Louis in 2:58:50
1.Juli 1896: Erster Marathon außerhalb Griechenlands in Paris. Sieger: Hurst (GBR) 2:31:29,8
20. September 1896: Marathon von Stanford nach New York. Sieger: John J. McDermott (USA)
4. Oktober 1896: Zwei weitere Marathonläufe in Budapest und Oslo am selben Tag.
1897
19. April 1897: Erster Boston-Marathon (ca. 37 km). Sieger: John J. McDermott (USA) 2:55:10
5. September 1887: Erster Marathon in Deutschland bei Leipzig: Paunsdorf-Bennewitz-Paunsdorf (40 km). Sieger: Theodor Schöffler (Leipzig) 3:35:31

Leipzigs Marathon-Stationen

1897: 5.9.: Erster Marathonlauf in Deutschland Paunsdorf-Bennewitz-Paunsdorf
1898: 3.7.: Erster „offizieller“ Marathon nach dem Regelwerk der Deutschen Sportbehörde für Athletik“ auf gleicher Strecke
1925: 30.8.: Erste Deutsche Marathon-Meisterschaften der Turner,  6.9.: Erste Deutsche Marathon-Meisterschaften der Leichtathleten
1938: 16.10.: Marathonlauf anlässlich „125 Jahre Völkerschlacht“
1951: 15.9.:  Erstmals in Leipzig DDR-Marathon-Meisterschaften
1958: Marathon erstmals international (SKDA-Meisterschaften)
1977: 18.6.: Erster Universitäts-Marathon und Beginn der Leipziger Marathon-Serie mit der Bezeichnung „KMU“ (Karl-Marx-Universität), offen für Volksläufer
1983: 18.6.: Erster Leipzig-Marathon mit Start und Ziel in der Innenstadt
1990: 15.1.: Gründung des Leipzig Marathon e.V. und am 16.6. mit den letzten und 40. DDR-Meisterschaften eine Neuorientierung.
1993: Zum ersten Mal Halbmarathon im Programm.
2012: 21.4.: 37. Leipzig Marathon mit: Halbmarathon, 4 km Lauf/Walking, 10 km, Inline-Skating (DM), Rollstuhl-Halbmarathon, Kinderläufe.
2015:  39. Leipzig-Marathon: Sieger: Tebelu Abebe (Äthiopien) 2:21:53, Juliane Meyer (DHfK Leipzig) 2:57:35. 618 Finisher

Gesamtanzahl der in Leipzig gelaufenen Marathons: 71!

Klaus Weidt in LAUFZEIT & CONDITION – 7 + 8/2015

Hier die Online-Petition zum Unterstützen gegen die DLV-LAUFMAUT: 

Online-Petition "Stoppt die DLV-Laufmaut"

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author: GRR

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