Noch besser als für die Sprintherren lief es für die 4x400-Meter-Staffel der Frauen. Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt), Esther Cremer (TV Wattenscheid 01), Janin Lindenberg (SC Magdeburg) und Claudia Hoffmann (SC Potsdam) holten nach einem spannenden Rennen die Silbermedaille hinter Russland.
Reifs Sprung in die Goldgrube – Wolfram Marx berichtet – Fünf Medaillen für die deutschen Leichtathleten in Barcelona
Elf Entscheidungen standen am letzten Wettkampftag der Europameisterschaften auf dem Programm. Mittendrin die deutschen Athleten, die sich insgesamt fünf Medaillen sichern konnten. Für den goldenen Abschluss der deutschen Mannschaft sorgte Weitspringer Christian Reif (ABC Ludwigshafen).
„Der Kopf war heute wichtiger als die Beine. Es war inklusive der Qualifikation ein super Wettkampf“, lautete sein Fazit nach dem Wettkampf. Bis zum dritten Versuch lag er nur auf Platz elf, das Ausscheiden aus dem Wettbewerb drohte. Doch er behielt die Nerven und zeigte einen sensationellen Sprung.
Mit 8,47 Metern, neuer Weltjahresbestleistung und Meisterschaftsrekord, holte er die vierte Goldmedaille für die deutsche Mannschaft in Barcelona. „Der deutsche Rekord ist nur noch sieben Zentimeter weg. Da geht was“, blickte er bereits nach vorne. In der Qualifikation sei er vor dem letzten Sprung nervös gewesen, wenn er auch die Sicherheit für acht Meter hatte.
Beim Finale war er vor dem dritten Sprung nicht nervös: „Ich wusste, ich kann weit springen. Die Qualifikation hat mir Selbstvertrauen gegeben.“ Schon beim Absprung hatte er gemerkt, dass es ein weiter Sprung war, doch über die tatsächliche Weite von 8,47 Metern war er dann doch selbst ein wenig überrascht.
Ohne Medaillenchancen waren die deutschen Marathonläufer angereist und der Marathon der Männer wurde zur Demonstration von Viktor Röthlin. Der Schweizer, der im März 2009 kurz nacheinander zwei Lungenembolien erlitten hatte und lange Zeit keinen großen Wettkampf bestritten hatte, holte sich überlegen und souverän den Titel des Europameisters.
Röthlin konterte jede Attacke im Rennen und kontrollierte die Gegner. Vom Start weg bildete sich eine größere Spitzengruppe mit rund 25 bis 30 Läufern, in deren hinterem Drittel auch Martin Beckmann (LG Leinfelden-Echterdingen) mit von der Partie war. Der zweite deutsche Starter, Tobias Sauter (SG Spergau) hielt sich bereits kurz nach dem Start am Schluss des Feldes auf. Das Tempo war wie erwartet langsam, die ersten fünf Kilometer waren nach 16:35 Minuten absolviert.
Bei Kilometer sechs fiel Beckmann dann aus der Spitzengruppe raus. „Bis Kilometer fünf habe ich mich gut gefühlt. Dann war mir die erste Gruppe etwas zu schnell und ich habe etwas abreißen lassen.“ Bei Halbmarathon war das Rennen für Martin Beckmann allerdings schon vorbei. Er gab den Marathon zwischen Kilometer 18 und 19 auf. „Ich hatte ab Kilometer sechs keinen Schritt mehr und keine Kraft mehr in den Beinen.“ Die Arme und Beine wurden schwer. „Der Ausstieg ist enttäuschend und meine größte Niederlage. Ich bin nur noch vor mich hin gestolpert, es war kein Unterschied mehr zwischen Laufen und Gehen.“ Er wollte dann noch bis Halbmarathon laufen, um zu sehen, ob es sich bessert. „Wenn es bis 18 nicht läuft, dann auch nicht bis Halbmarathon“, analysierte er frustriert im Ziel.
Er hatte bereits in Kienbaum leichte Probleme in den Oberschenkeln gehabt, doch man habe sie im Griff gehabt. Nun will er sich eingehend ärztlich untersuchen lassen. „Die Hitze war zwar extrem, doch es war etwas anderes. Ich hätte es hier abrufen müssen. Auszusteigen ist wirklich die Höchststrafe“, war er selbstkritisch.
Auch der zweite deutsche Starter erreichte das Ziel nicht. Schon beim Halbmarathon machte Sauter keinen frischen Eindruck, kurz nach der 30-Kilometermarke stieg er dann aus. Dabei war Bundestrainer Detlef Uhlemann vor dem Start noch zuversichtlich gewesen: „Die beiden sind fit, es passt alles. Wir haben keine Ausfälle.“
Die Halbmarathonmarke wurde nach 1:07,43 Stunden passiert, kurz danach stieg auch Titelverteidiger Stefano Baldini (Italien) aus. Röthlin setzte dann kurz nach Kilometer 28 seine entscheidende Attacke, der keiner folgen konnte. Er machte jederzeit einen sehr frischen und entschlossenen Eindruck, sah läuferisch sehr gut aus. Röthlin lief von diesem Zeitpunkt einem völlig ungefährdeten Sieg (2:15,31 Stunden) entgegen und baute seinen Vorsprung bis auf 2:19 Minuten aus. Silber gewann der Spanier José Manuel Martinez (2:17,50), Bronze gewann der Russe Dmitriy Safronov (2:18,16).
Doch trotz der zwei Marathonaussteiger erhielten die guten Ergebnisse der deutschen Läufer bei den Europameisterschaften am letzten Tag noch einen entsprechenden Abschluss. Für diesen sorgte Hindernisläufer Steffen Uliczka (SG TSV Kronshagen/Kieler TB). Nach dem Halbfinale hatte er als Ziel für das Finale eine neue Bestzeit und eine Platzierung unter den ersten Acht angegeben. Mission erfüllt, könnte seine Leistung im Endlauf überschrieben werden. Er belegte einen sehr guten siebten Platz und schaffte mit 8:25,39 eine neue persönliche Bestzeit. Der Kieler lief ein taktisch kluges Rennen und „schwamm“ gut im Feld mit. „Vor dem Rennen gab es zwei Möglichkeiten: Entweder es wird ein taktisches Rennen oder es gibt ein hohes Tempo. Es kam zu Variante zwei und das war für mich dann doch zu schnell, also war klar, ich muss mich auf meine eigenen Möglichkeiten konzentrieren.“
Und das tat er fast perfekt, denn er hielt sich in der Verfolgergruppe immer an dritter oder vierter Position und konnte so jederzeit reagieren. Vorne machten die beiden Franzosen Mahiedine Mekhissi-Benabbad und Bouabdellah Tahri kräftig Tempo und so den Titel unter sich aus, den der Olympia-Zweite Mekhissi-Benabbad im Spurt gewinnen konnte. Die Siegerzeit von 8:07,87 war denn auch neuer Meisterschaftsrekord, Tahri wurde mit 8:09,28 Zweiter. Die Bronzemedaille gewann unter dem frenetischen Jubel der rund 38.000 Zuschauer im gut gefüllten Olympiastadion der Spanier José Lius Blanco.
Uliczka musste zwischenzeitlich kämpfen, hatte am vorletzten Wassergraben einen kurzen Fehltritt, doch konnte er den Spanier Eliseo Martin noch überholen und sich den siebten Platz sichern. „Hintenraus ging es etwas schwerer als noch im Halbfinale. In meinen kühnsten Träumen habe ich bei einem entsprechenden Rennverlauf mit Bronze geliebäugelt. Carsten Schlangen hat gezeigt, was möglich ist.“ Nun hofft er auf eine Startmöglichkeit bei einem Diamond League Meeting. „Ich will auf jeden Fall noch mal Hindernis laufen.“
Neben Reifs goldener gab es noch weitere Medaillen für die deutsche Mannschaft am Schlusstag. Den Auftakt machte die deutsche Sprintstaffel der Männer. In der Besetzung Tobias Unger, Marius Broening (beide (LG Stadtwerke München), Alexander Kosenkow (TV Wattenscheid 01) und Martin Keller (LAC Erdgas Chemnitz) gewann sie in 38.44 die Bronzemedaille hinter Frankreich und Italien. Grundlage waren wie so oft, Ausnahme die WM im vergangenen Jahr, die guten Wechsel, aber auch läuferisch zeigten die vier ein gutes Rennen. Der Franzose Christophe Lemaitre wurde so mit drei Goldmedaillen zum überragenden Athleten dieser Meisterschaft und der Erste überhaupt, der über 100, 200 und in der Staffel Gold gewinnen konnte.
Noch besser als für die Sprintherren lief es für die 4×400-Meter-Staffel der Frauen. Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt), Esther Cremer (TV Wattenscheid 01), Janin Lindenberg (SC Magdeburg) und Claudia Hoffmann (SC Potsdam) holten nach einem spannenden Rennen die Silbermedaille hinter Russland. Die vier Viertelmeilerinnen konnten sich dabei erfolgreich der Angriffe der Drittplatzierten Britinnen erwehren. Esther Cremer fand es „gigantisch“. „Es war ein Riesenerlebnis, wenn die Stimmugn auch jnicht so gut war wie bei der Heim-WM in Berlin. Aber die Medaille ist eine Riesenmotivation weiterzumachen. Silber war das Beste, was wir schaffen konnten. Die Russinnen waren einfach zu stark.“
Bronze gewann auch Hochspringerin Ariane Friedrich (LG Eintracht Frankfurt). Mit übersprungenen 2,01 Meter musste sie sich der Schwedin Emma Green (Silber, 2,01 Meter) und der Kroatin Blanka Vlasic (Gold, 2,03 Meter) geschlagen geben. „Ich freue mich über Bronze. Es gab sieben Kandidatinnen für die Medaillen, es ist in Ordnung, dass ich eine habe.“ Nur mit der Höhe war sie nicht zufrieden, denn sie wäre gerne noch 2,03 Meter gesprungen. „Aber angesichts der Tatsache, dass ich Anfang des Jahres nicht wusste, ob ich dieses Jahr überhaupt springen kann, ist es in Ordnung.“
Silber gab es für Diskuswerfer Robert Harting (Berlin). Er zeigte eine gute und stabile Serie mit sechs Würfen über 66 Metern, davon drei über 68. Aber seine 68,47 Meter waren 40 Zentimeter zu wenig im Vergleich zum neuen Europameister Piotr Malachowski, dem damit die Revanche für Berlin gelang, als Harting ihm im letzten Versuch die sicher geglaubte Goldmedaille noch entriss. „Ich habe keinen richtig erwischt. Dann reicht es halt nicht für siebzig Meter“, haderte Robert Harting.
Martin Wierig belegte mit 63,32 Meter einen guten siebten Platz. „Über Platz sieben freue ich mich trotzdem sehr, wenn ich auch gerne noch einen Versuch über 64 Meter gehabt hätte. Es war ein einmaliges Erlebnis für mich hier“, war er mit sich im Reinen.
Ein positives Fazit der Titelkämpfe zog am Ende DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop. Für ihn war Barcelona die logische Fortsetzung der Weltmeisterschaften von Berlin 2009. „Wir haben ein junge Mannschaft, die nun weiter aufgebaut wird und sehr gute Perspektiven für die Olympischen Spiele in London 2012 hat. Ich freue mich, dass viele Athleten in der europäischen und der Weltspitze angekommen sind.“
Die europäische Leichtathletik stelle sich neu auf und erreiche eine neue Wahrnehmung. Dazu gehöre auch, dass es bereits in zwei Jahren in Helsinki wieder Europameisterschaften geben wird. „Wir müssen aber aufpassen, dass es keine B-Meisterschaften werden. Ich stelle mir hier etwas wie die Trials für die Olympischen Spiele vor“, blickt Prokop in die nächste Zukunft für die deutsche Leichtathletik.
Wolfram Marx