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19
08
2009

Keineswegs unterschätzt werden darf in diesem Zusammenhang die leidige Doping-Diskussion, die nicht nur die aktuelle Berichterstattung über stattgefundene Ereignisse oft in den Hintergrund drängt, sondern auch bei so manch einem Gutwilligen den Spaß an der Leichtathletik verdirbt,

Quo vadis, Leichtathletik?

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Alles dreht sich in diesen Tagen um die Protagonisten des Laufens, Springens und Werfens. Nicht nur im Stadion, sondern auch außerhalb.

So gesehen hatte die vom Verband Deutscher Sportjournalisten (VDS) angeregte Podiumsdiskussion mit dem Thema „Randsportart oder olympische Königsdisziplin? Die Leichtathletik auf dem Weg von Berlin nach London 2012“ durchaus eine Berechtigung und sorgte, wie konnte es auch anders sein, für unterschiedliche Betrachtungsweisen. Immerhin stand der Vorwurf im Raum, dass in den Medien im Vorhinein viel zu wenig über diese Weltmeisterschaft berichtet wurde, ganz im Gegensatz zur Fußball-WM vor drei Jahren, als ein wahres Gewitter von Informationen auf die Öffentlichkeit hernieder prasselte. Und zwar wochenlang.

Der Zehnkampf-Olympiasieger von 1988, Christian Schenk, gebürtiger Rostocker, der jetzt in Berlin lebt und sich mit seiner Agentur dem Sportmarketing verschrieben hat, bemängelte vor allem, dass es im Vorfeld dieses Topereignisses, auch von Verbandsseite, versäumt worden sei, die im Frühjahr und vor allem nach der Hallen-EM in Turin vorhandene Freude weiter zu entfachen, die Athleten in den Werbungsmechanismus entsprechend einzubinden und sie bei großen Fernsehsendungen wie „Wetten dass“ ins Rampenlicht zu bringen, um so den Aufmerksamkeits-grad zu erhöhen. Und dann fragte der zweifache Vater provokativ in die Runde: „Wer auf der Straße kennt denn schon eine Ariane Friedrich oder einen Sebastian Bayer?“ Seine Antwort: Kaum jemand. Vielleicht fünf Prozent.

„Ja wir tun uns unheimlich schwer gegen Sportarten, die an jedem Wochenende präsent sind“, gab unumwunden der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) Dr. Clemens Prokop, zu. „Uns fehlt nicht nur der Wiederholungseffekt, sondern wir haben leider auch zu wenige Local Heros, so dass sich Zeitungen bei ihrer Vorberichterstattung mehr auf internationale Größen wie Usain Bolt oder Tyson Gay kaprizierten. Ich kann nur hoffen und wünschen, dass sich das Bild am Ende der WM in Berlin anders und zwar zu unseren Gunsten darstellt, denn wir brauchen im Hinblick auf die Olympischen Spiele in London dringend einen Schub nach vorn, eine Polarisierung auf unsere Sportart, zumal wir über eine stattliche Anzahl hoffnungsvoller Nachwuchsathleten verfügen, die gefördert werden müssten.“

Prokop erwiderte den Kritikern, dass man sich aus Kostengründen darauf verständigt hatte, die Werbung gezielt auf die letzten vier bis sechs Wochen zu beschränken, weil das vorgesehene finanzielle Budget von zwei Millionen Euro nicht mehr hergab. „Dennoch war es um ein Siebenfaches höher als bei der WM 1993 in Stuttgart, allerdings auch um ein Wesentliches geringer als das der Fußballer. Dennoch ändert das nichts an unserer Erwartungshaltung, Deutschland so positiv darzustellen, dass es als perfekter Großveranstalter auch für die Zukunft da steht.“

Prof. Dr. Joachim Mester, Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik an der Sporthochschule in Köln, befürchtet nicht, dass die Leichtathletik zu einer Randsportart abdriftet. Wesentlich bedenklicher äußerte sich in dieser Beziehung Christian Klaue vom Berliner Büro des Sportinformationsdienstes (sid), der anmerkte: „Wir haben in letzter Zeit viel an interessanten Stoffen für die WM produziert und angeboten, doch selten wurde von den Zeitungen etwas genommen.“ Kein Wunder, denn da rückte zum einen die Nachricht von Schumachers Comeback-Absichten in den Vordergrund, und zum anderen konzentrierte sich viel auf den Bundesligastart.

Der Fußball sei so dominant, dass für andere Sportarten kaum noch Platz übrig bliebe, lautete die allgemeine Einschätzung. Da klagte beispielsweise ein Kollege aus Potsdam: „Was will man gegenüber seinem Chefredakteur auch für Argumente vorbringen, wenn selbst eine U-21-Europameisterschaft live im ZDF übertragen wird. Und damit einen gewissen Trend vorgibt, dem man sich nicht entziehen kann.“

TV-Mann Ralf Scholt, Sportchef des Hessischen Rundfunks, nannte die Einschaltquote, die für jeden Sender eine elementare Bedeutung hat. „Der Konsument entscheidet letztendlich, was wir bringen sollen, also auch darüber, ob die Leichtathletik eine Königsdisziplin bleibt oder nicht“, lautete seine Einschätzung: „Berichten werden wir immer, bleibt nur zu klären, in welchem Umfang das geschieht.“ Viel hängt, so Scholt, auch von den Erfolgen ab. Der deutsche Sportfan möchte schließlich Titel. Deshalb sind beispielsweise die Schwimmerin Britta Steffen oder auch der Gewichtheber Matthias Steiner bekannter als beispielsweise eine Christina Obergföll.

Modernste HDTV-Technik, die diesmal als Neuerung angewendet wird und beeindruckende Bilder liefert, dazu neun Tage lang ausführliche Live-Übertragungen der beiden Öffentlichen Rundfunkanstalten und des Spartensenders Eurosport zu den allerbesten abendlichen Sendezeiten beweisen, dass die Leichtathletik derzeit auf einen nicht unbedeutenden Stellenwert verweisen kann. Allerdings wie lange noch? Denn an einer Randsportart besteht wenig Interesse, stellte auch der Moderator der Veranstaltung, der VDS-Vizepräsident Christoph Fischer, fest.

Keineswegs unterschätzt werden darf in diesem Zusammenhang die leidige Doping-Diskussion, die nicht nur die aktuelle Berichterstattung über stattgefundene Ereignisse oft in den Hintergrund drängt, sondern auch bei so manch einem Gutwilligen den Spaß an der Leichtathletik verdirbt, ähnlich wie beim Radsport, wo das Interesse in jüngster Zeit schlagartig nachgelassen hat. Prokop sieht natürlich diese Gefahr und meinte: „Das ist eine echte Herausforderung, der wir uns stellen müssen.“

Er schlug vor, dass der „Staat stärker an die Front muss“, um bei dieser Problematik wirkungsvoll zu helfen.

Quelle: DOSB

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