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10
02
2009

Die in Berlin im September 2008 bei perfekten äußeren Bedingungen erzielte Verbesserung des eigenen Weltrekords wäre bei Regengüssen wie in Dubai wohl kaum gelungen

Quo vadis, Dubai? Anmerkungen zum Standard Chartered Dubai Marathon vom 16. Januar 2009 – Teil 2 – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Das Ziel den Weltrekord nach Dubai zu holen, wurde bisher noch nicht erreicht. Während Haile bei den Läufen davor in Berlin jeweils den Weltrekord steigern konnte, scheiterte dies Unterfangen dann gut drei Monate später in Dubai. Bei der Auflage im letzten Jahr wegen eines möglicherweise etwas zu hohen Anfangstempos, Gegenwind und aufkommende Wärme in der Schlussphase; in diesem Jahr machte vor allem starker Regen am Anfang und Ende des Laufs alle Aussichten auf eine Verbesserung der Rekordmarke zunichte.

Fast alles hatten die Veranstalter möglich gemacht, gegen die Launen des Wetters, die gegen alle Vorhersagen den Küstenbereich des Emirats heimsuchten, war man jedoch machtlos. Dabei sah es kurz nach dem Beginn noch sehr hoffnungsvoll aus, der Regen hörte auf und nach 10 km befand man sich wie geplant im Regime des Berliner Weltrekords und wurde zunehmend schneller. Zur weiteren Analyse sind in der Grafik die relativen Zeitdifferenzen der letzten vier Marathonläufe von Haile aufgetragen, wobei sich die Daten auf Hailes Weltrekord von 2:04:26 beziehen, den er 2007 in Berlin aufstellte.

Nahezu perfekt die Strategie, die zur Verbesserung diese Marke auf 2:03:59 an gleicher Stelle ein Jahr später führte. Die beiden Läufe des Äthiopiers in Dubai sind im Ablauf und dann auch im Endresultat verblüffend
ähnlich. In beiden Fällen gelang es Haile bis etwa 30km einen erheblichen Vorsprung gegenüber den jeweiligen Bestmarken herauszulaufen, danach setzte (allerdings immer noch auf sehr hohem Niveau) jedoch ein ausgeprägter Leistungseinbruch ein, der dann am Ende den Weltrekord kostete.

Dabei sei aber angemerkt, dass Haile (und auch schon Paul Tergat 2003) bei den Weltrekorden den Schlussteil enorm schnell zurücklegten, so dass der „Einbruch“ nach 30 km in Dubai durch die gewählte Auftragung stark überzeichnet erscheint.

Umso bemerkenswerter deshalb der Weltrekord von 2008, bei dem er im letzten Viertel nicht den Ansatz einer Schwäche zeigte. Auf welchem extremen Leistungsniveau aber auch die Läufe in Dubai anzusiedeln sind, zeigt die Tabelle der schnellsten jemals erzielten Zeiten: die vier in der Grafik analysierten Läufe Hailes liegen in einer ewigen Bestenliste innerhalb der ersten acht Plätze. Eine in der Tat einmalige Bilanz.
 
Welchen Einfluss der Regen am Ende auf Hailes Zeit hatte, und ob es bei besserem Wetter zum Rekord gereicht hätte, darüber kann man nur spekulieren. Aber die Art, wie Haile bei den widrigen Bedingungen die erste Hälfte zurücklegte, deutet an, dass er auch im fortgeschrittenen Alter von fast 36 Jahren immer noch in hervorragender Verfassung ist.

Die in Berlin im September 2008 bei perfekten äußeren Bedingungen erzielte Verbesserung des eigenen Weltrekords wäre bei Regengüssen wie in Dubai wohl kaum gelungen. Haile nahm das Scheitern seines Rekordversuchs aber recht gelassen und freute sich mit Recht über die in Anbetracht des Wetters erzielte sehr gute Zeit. Und bei aller Enttäuschung angesichts der hohen Erwartungen im Vorfeld muss man sich darauf besinnen, auf welchem Niveau der Marathonlauf in der internationalen Spitze mittlerweile agiert. Und da waren auch die 2:05:29 vom 16. September in Dubai von absoluter Weltklasse, erst recht bei diesen widrigen
Bedingungen!

Sonstiges

Obwohl sich der Lauf fast ausschließlich auf Haile konzentrierte, gab es auf den nächsten Positionen durchaus beachtliche Leistungen. Seine Landsleute Deressa Chimsa und Eshetu Wendimu belegten in 2:07:54 und 2:08:41 die Plätze zwei und drei, dotiert mit 100.000 $ und 50.000 $. Insgesamt wurden 1 Millionen $ als Preisgeld bei Männer und Frauen ausgeschüttet.

Damit liegt man weltweit auch ohne den Rekordbonus von gleicher Höhe ganz vorne. Von Platz vier bis zehn gibt es immer noch Summen von 25.000 $ bis hinunter zu 10.000 $. Mit diesem Summen sollte es in der Tat möglich sein, die Leistungsbreite zu steigern und vor allem das Elitefeld weiter zu öffnen (s.o.). Man ist durchaus gewillt, in den kommenden Jahren den finanziellen Einsatz weiter zu steigern, es bleibt zu hoffen, dass dies die Leistungsdichte der Topläufer erhöhen hilft. Dann steht der Dubai Marathon in der Tat vor einer glänzenden Zukunft.

Bei den Frauen standen die Ergebnisse gegenüber den herausragenden Leistungen des Vorjahrs etwas zurück. Dies lag zum einen am Wetter, aber auch daran, dass der Topstar Askale Tafa Margasa verletzungsbedingt nicht antreten konnte, die nach den Eindrücken beim Berlin Marathon 2008 eine Aspirantin für eine Zeit unter 2:20 war. Vorjahressiegerin Birhane Adere konnte diesen Ausfall nicht kompensieren, nach ihrem relativ schwachen Auftritt bereits im Oktober in Chicago scheint bei ihr der Leistungszenit langsam überschritten. Sie
wurde in 2:27:47 nur siebte.

Die Gunst der Stunde nutzte Bezunesh Bekele in 2:24:02, wofür sie wie Haile mit einem Scheck von 250.000 $ bedacht wurde. Dazu eine nette Form des Understatements am Rande: der Betrag wurde auf dem Scheck mit „Two hundred fifty thousand only“ tituliert. Auf den weiteren Positionen ihre Landsfrau Atsede Habtamu in 2:25:17 und Helena Kirop (Kenia) in 2:25:35, für die sich gleichfalls die Reise nach Dubai gelohnt haben dürfte.

Bei den Frauen hatte man auf eine Rekordjagd auf dem Niveau der Männer verzichtet, ein solches Ansinnen wäre aber auch in Anbetracht des Fabelweltrekords von Paula Ratcliffe über die Marathondistanz aktuell ein kaum zu realisierendes Unterfangen.

Kommen wir noch einmal kurz auf Haile zurück. Der will sich mitnichten nach seinem Auftritt in Dubai in den Ruhestand verabschieden. Ganz im Gegenteil! Auf den beiden Pressekonferenzen zeigte der äthiopische Superstar Entertainerqualitäten und glänzte mit einer außergewöhnlichen Schlagfertigkeit. „Schon zu dem Zeitpunkt, zu dem man einen Rücktritt ankündigt“, so Haile, „hat man sich mental bereits von den Dingen verabschiedet.“

Deshalb macht er auch keine Angaben, wie lange dieser Ausnahmeathlet (und wunderbare Mensch!) der Szene noch erhalten bleibt. Zunächst geht es aber mit Volldampf weiter. Im März will er sich beim City-Pier-City in Den Haag den auf gleicher Strecke von Sammy Wanjiru aufgestellten Halbmarathon-Weltrekord von 58:33 zurückholen, eine ähnlich schwere Aufgabe wie die Mission in Dubai. Dann geht er nochmals auf die Bahn, um in Hengelo seine Rekorde über 20 km und eine Stunde zu verbessern. Weiter plant er dann – allerdings zur Enttäuschung der Organisatoren der WM in Berlin – , wieder nach Berlin zu kommen, aber um beim Berlin Marathon nochmals ein Rekordrennen aufs Pflaster zu legen.

Da übrigens auch Sammy Wanjiru bereits mehrmals seine Liebe zum Berlin Marathon öffentlich verkündet hat, darf man gespannt sein, wer dort am 20. September 2009 wirklich an der Startlinie steht. Und danach hat Haile seinen vielen Freunden in Dubai versprochen, es im Januar 2010 noch einmal mit dem Weltrekord vor Ort zu versuchen. Ob der dann noch auf 2:03:59 steht und ob aller guten Dinge auch in Dubai drei (Versuche) sind, das wird erst die Zukunft zeigen. Die Marathonszene bleibt in Bewegung und für den Straßenlauf können diese Entwicklungen nur gut sein.

Bleibt noch anzumerken, dass von einem fehlenden Zuschauerinteresse in Dubai im Start- und Zielbereich allerdings nicht die Rede sein kann. Insbesondere eine große äthiopische Kolonie macht dort während und am Ende des Rennens eine Stimmung, die mehr an den Karneval in Rio erinnert als an eine Laufveranstaltung. Diesbezüglich hat Dubai die Großen der Szene bereits deutlich hinter sich gelassen.

Erwähnenswert ist abschließend die ins Auge gefasste Absage der Veranstaltung wegen der Entwicklungen in Gaza und der damit erhöhten Gefahr von terroristischen Übergriffen. Die Veranstalter hatten sich aber gegen eine Absage einer Veranstaltung ausgesprochen, bei der mit großem finanziellen Einsatz im arabisch orientalischen Umfeld mit Unterstützung von Experten aus Europa und den USA Athleten aus vorwiegend ostafrikanischen Ländern Spitzenleistungen vollbringen. Und alle zusammen feiern ein großes Fest auf den Straßen des Emirats!

Vielleicht ist dieser Völker verbindende Aspekt des Laufsports der eigentliche Höhepunkt des Dubai Marathons.

Helmut Winter

author: GRR

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