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07
10
2007

Viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion beim Lesen. Diese Serie wird in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen und vermutlich ihresgleichen suchen!

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt bei German Road Races Klassiker der Laufliteratur vor – eine Ergänzung zu den schon unter „Szene“ rezensierten Büchern – lesen Sie sich lauffit und wissend! – Folge 5

By GRR 0

Die in dieser Serie vorgestellten Bücher haben mindestens zweierlei gemeinsam: Sie handeln alle vom Laufen, und sie stammen alle aus dem letzten Jahrhundert. Einzig deswegen sind sie hier als „Klassiker“ tituliert worden.
Ob dieses Prädikat wirklich gerechtfertigt ist, sollten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, dieser Rubik auf der Internetseite von GRR selbst entscheiden, und zwar entweder gleich nach der Lektüre der Rezension unseres „Vorlesers“ Detlef Kuhlmann oder spätestens nach eingehender Lektüre des gesamten Buches – viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion, die in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen wird und die vermutlich ihresgleichen sucht!

Heinz Maegerlein: Auf die Plätze – fertig – los.
Deutsche Leichtathleten erzählen.
Frankfurt: Limpert 1959. 160 S.

Heinz Maegerlein zählte in der Jugendzeit des (west-) deutschen Fernsehens zu den bekanntesten Sportreportern; sein Markenzeichen war darüber hinaus des Samstagnachmittags im "Ersten" (ARD) die Quiz-Sendung "Hätten Sie's gewußt?", mit der er im Studio und am Bildschirm zum Nachdenken einlud.
Hätten Sie's gewusst, dass dieser Heinz Maegerlein bereits Ende der 50er Jahre ein kleines Bändchen im Oktav-Heftformat mit Erzählungen über die in dieser Zeit gerade aktiven Top-Leichtathleten und Leichtathletinnen verfasst hat?

Insgesamt 17 (west-) deutsche "Kader"-Leute, darunter auch sechs Frauen kommen mit Episoden und Anekdoten zu Wort. Maegerlein schlüpft dabei immer in die Rolle des "Ich"-Erzählers, und zwar in dieser Reihenfolge in die Laufschuhe von: Martin Lauer, Manfred Germar, Heinz Fütterer, Carl Kaufmann, Paul Schmidt, Friedel Stracke, Karl Friedrich Haas, Olaf Lawrenz, Helmut Janz, Theo Püll, Peter Adam, Zenta Kopp, Inge Kilian, Erika Fisch, Annie Biehl, Anneliese Keilitz-Seonbuchner und Marianne Werner.

Im Grunde geht es in den Texten immer einmal um einen "Sieg der bestimmend wird, einmal ein Versagen, das zu einer entscheidenden Wende führt" (Klappentext). Maegerlein ist immer ganz nah dran am Geschehen und an den Menschen, als könne er in sie hineinsehen. Bei Olaf Lawrenz, dem einstigen Berliner 800m und 1000m-Staffel-Läufer, der dem Sport auch im Beruf treu geblieben ist und in den 70er und 80er Jahren Präsident des Deutschen Sportlehrerverbandes war, liest sich das dann beispielsweise so:
"Heute, nach Jahren, weiß ich, dass dies vielleicht im Sport das schönste ist, dass man das Glück, das er uns im Sieg schenkt, nicht allein nach der äußeren Bedeutung ablesen darf, sondern dass manches mitschwingt, was man nur im Herzen fühlt…".
Übrigens: Das Bändchen fand ich – wie könnte es mal wohl anders sein – irgendwann Anfang der 1990er Jahre unverhofft in einem Berliner Buch-Antiquariat. Ich hatte es vorher weder gesehen noch seinen Titel gekannt. Das gibt Gelegenheit zu fragen:
Wer kennt weitere "Schätzchen" dieser Art?

Walter Mallmann:
Olympischer Marathon.
Mainz 1993. 238 S.

Über die olympischen Marathonläufe ist schon viel geschrieben worden. In (fast) jedem Olympia-Band nimmt diese Laufdisziplin eine zentrale Stellung ein – ihr ist dieses Kompendium gewidmet, das im Sport und Medien Verlag Rheinland-Pfalz erschienen ist (seinerzeit zum Preis von DM 39,80). Der Autor Walter Mallmann (Jahrgang 1940) ist selbst über 40-mal Marathon gelaufen und hat in einer "Marathon"-Arbeit Informationen, Episoden und anderes Wissenswertes über die olympischen Marathonläufe von 1896 in Athen bis 1992 in Barcelona zusammengetragen.
So ist auch das Buch nach den jeweiligen Spielen gegliedert und lässt sich so gut in Etappen lesen, obwohl die Texte selbst jeweils nur etwa fünf Seiten umfassen und mit eindrucksvollem Fotomaterial ausgestattet sind. Alle Läufe hier einzeln vorzustellen, würde den Rahmen dieser kleinen Präsentation sprengen – aber wir sollten wenigstens mit den Namen der Sieger (und ab 1984 in Los Angeles auch der Siegerinnen) schnell einmal auf Tour gehen:
Wer weiß sie noch (nicht)? Spiridon Louis (Athen 1896), Michel Theato (Paris 1900), Thomas Hicks (St. Louis 1904) – bis dahin gewannen übrigens immer Läufer aus dem Gastgeberland – William Sherring (Kanada, Athen 1906), John Hayes (USA, London 1908), Kenneth McArthur (Südafrika, Stockholm 1912), Hannes Kolehmainen (Finnland, Antwerpen 1920), Albin Stenroos (Finnland, Paris 1924), Mohamed El Quafi (Frankreich, Amsterdam 1928), Juan Carlos Zabala (Argentinien, Los Angeles 1932), Kitei Son (Japan, Berlin 1936), Delfo Cabrera (Argentinien, London 1948), Emil Zatopek (CSR, Helsinki 1952), Alain Mimoun (Frankreich, Melbourne 1956), Abebe Bikila (Äthiopien, Rom 1960 und Tokio 1964), Mamo Wolde (Äthiopien, Mexiko 1968), Frank Shorter (USA, München 1972), Waldemar Cierpinski (Deutschland, Montreal 1976 und Moskau 1980), Los Angeles 1984: Joan Benoit (USA) und Carlos Lopes (Portugal), Seoul 1988: Rosa Mota (Portugal) und Gelindo Bordin (Italien), Barcelona 1992: Valentina Jegorova (GUS) und Young-Cho Hwang (Korea).
Über sie alle – und noch andere mehr – hat Mallmann etwas zu sagen…

Winni Mühlbauer:
Ui! So einfach ist Laufen. Locker und leicht laufen lernen.
Ein Buch, das Sie bewegen wird.
München: Mühlbauer Verlag 1993. 263 S.

Gewiss: Der Titel inspiriert – laufen leicht gemacht! Wer wollte da nicht gleich loslaufen… und los lesen. Und genau hier liegt die Tücke des Objektes, nein: des Buches. Wer die Einfachheit des Laufens kennen lernen möchte, muss erst – so könnte man ketzerisch formulieren – die Schwierigkeiten des Lesens überwinden:
263 Seiten in 16 Kapiteln, dazu reicht kaum die Weltrekordzeit des Marathons aus, um eine solche Lesestrecke am Stück zu bewältigen.
Aber: Soll er das überhaupt? Der Leser wird sich nämlich schnell in einem Konflikt wieder finden: Soll er jetzt erst laufen ("1. Tag: 10 Minuten, ganz langsam") und dann weiter lesen – oder? Ganz grundsätzlich gefragt: Worum geht es Autor Winni Mühlbauer (Jahrgang 1954) aus München mit dieser Lauf-Gebrauchsanweisung?

Er wendet sich bewusst und zielstrebig an den Noch-Nicht-Läufer. Ihn will er buchstäblich an das Laufen heranführen ("…ich will keinen Deutschen Meister aus Ihnen machen, sondern einen Jogger, der locker und leicht laufen kann"). Er nimmt ihn ans Händchen, tritt ein in einen fortwährenden Dialog und belehrt ihn ganz im Stil eines Lauf-Missionars. Mühlbauer übersetzt Fremdwissen, das er sich selbst im Verlauf seiner Laufzeit aus anderen Büchern angeeignet hat. Insofern enthält sein Buch nichts, was man nicht auch woanders schon nachlesen könnte; sein Literaturverzeichnis am Ende des Buches gibt einen einschlägigen Überblick.
Und trotzdem ist Mühlbauers Buch anders und mehr. Es ist nämlich die ganz persönliche Laufstory des W.M., der uns teilhaben lässt an seinem eigenen Lauf-Leben und nicht nur an diesem.
Auch seinen Werdegang als Lauf-Literat schildert er uns mit wichtigen Passagen – also doch ein Stück Laufliteratur!

Peter Nadas: Der Lebensläufer.
Ein Jahrbuch.
Reinbek 1998: Rowohlt. 397 S.

Zugegeben – Bücher mit diesem oder ganz ähnlichen Titeln gibt es mannigfach, ohne dass man gleich darauf schließen könnte, es handele sich um Lauf-Literatur. Ich selbst hätte vermutlich auch dieses Bändchen gleich wieder aus der Hand gelegt, wäre ich nicht im Anmoderationstext ("Zu diesem Buch") auf die Passage gestoßen, dass es hier u. a. auch um "die ausgedehnten Waldläufe" des Ich-Erzählers ginge.
Das Buch ist ein Jahrbuch, demzufolge monatsweise gegliedert, manchmal sind sogar zwei Monate zusammengefasst.
Es beginnt im Februar und endet auch im Februar. Wer etwas über die Laufgewohnheiten des Erzählers – ich setze ihn mit dem Autor Peter Nadas (geboren 1941 in Budapest) gleich – erfahren will, der muss sich bis zum Herbst-Kapitel ("Oktober. November") auf Seite 241 vorwagen und wird dann nicht enttäuscht, mit welcher Beobachtungsschärfe es Nadas gelingt, die uns geläufigen Bewegungen des Laufens mit Stimmungen, Erinnerungen und Gefühlen des Körpers zu einem Lebenslauf zu vermischen und immer wieder – quasi Schritt für Schritt – neu zu komponieren.
Übrigens: Alles beginnt mit dem Laufentzug wegen des geschwollenen Zehs, der jedoch schon nach zwei Wochen wieder geheilt ist: "Nach den ersten Schritten spüre ich noch nicht, wie der Lauf werden wird" (247). Aber jeder Lauf ist geprägt von dem Streben nach Gleichmut, einem von allen äußeren Einflüssen unberührten ruhigen Gemütszustand, den die Griechen als "Ataraxia" bezeichnet haben – ein Genuss, eins zu sein, mit sich und mit der Strecke, die man läuft … "die perfekte und stetige Übereinstimmung zwischen und sich und seinem Weg" (259), dies ist das Ziel des Lebensläufers schlechthin.
Auf diesem Weg liegen die Bilder des Selbst: "Mein Weg bekam jetzt noch eine zusätzliche Bedeutung, denn er machte mich mit meinem Lebensweg identisch. Der Weg rückt den Wandel in die Dimension der Dauer und fügt die zusammengehörigen Teile zu einem erkennbaren Ganzen" (264).
Erinnerungen und Visionen werden zu permanenten Begleitern einer gleichförmigen und ausdauernden Bewegung.

Ulrich Prahmann: Laufen.
Kleine Philosophie der Passionen.
München 1998:
Deutscher Taschenbuch Verlag. 136 S.

Der Deutsche Taschenbuch Verlag ("dtv") hat vor kurzem eine neue Reihe mit dem Titel "Kleine Philosophie der Passionen" begründet. Darin erschienen sind bisher Bücher über Hunde, Katzen und andere Tiere, aber auch über diverse sportive Bewegungsformen wie Segeln, Bergsteigen und natürlich: das Laufen. Der Autor ist manchem vielleicht bekannt aus Herausgeber der Zeitschrift "Fit for Fun". Ulrich Prahmann ist selbst – wie könnte es anders sein – passionierter Läufer und ebenso passionierter "Schreiberling". Und genau diese Kombination macht das kleine Büchlein so lesens- und ge-adezu liebenswert.

Alle Texte sind so geschrieben, dass man als Laufbewegter selbst die Leiden und Freuden mitfühlt, als würde man Prahmann auf der Strecke begleiten, gleichsam neben ihm hin- und herlaufen. Prahmann erzählt uns, wie er selbst einst zum Laufen gefunden hat, was es ihm heute als Ausgleich im stressreichen Alltag bedeutet, er berichtet aber auch von seinen zahlreichen Begegnungen mit prominenten (Mit-) Läuferinnen und Mitläufern, als da wären: Emil Zatopek, Uta Pippig, Günter Herburger, Alexander Weber, Margarethe Schreinemakers; anschließend schildert er einige Marathonläufe, die er im Laufe der Jahre selbst bestritten hat.:
Der eine "spielt" in New York, bei dem anderen handelt es sich um den "International Athens Peace Marathon", um beim dritten wird kein Ort genannt – egal, hier geht es, wie der Titel schon andeutet, einzig um "Die Mauer" und die Angst davor, wenn der Mann mit dem Hammer kommt irgendwann nach Kilometer 30 und man am liebsten nur noch leise "schlapp-schlapp-schlapp" vor sich hin lallen möchte.

Alle Texte sind appetitlich (soll heißen: leserfreundlich) auf nicht mehr als zehn Seiten aufbereitet, so dass man im Grunde überall im Buch mit der Lektüre einsteigen kann.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 1
Teil 1

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 2
Teil 2

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 3
Teil 3

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 4
Teil 4
https://www.germanroadraces.de/24-0-2942-prof-dr-detlef-kuhlmann-stellt-bei-german.html

author: GRR

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