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2007

Viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion beim Lesen. Diese Serie wird in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen und vermutlich ihresgleichen suchen!

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt bei German Road Races Klassiker der Laufliteratur vor – eine Ergänzung zu den schon unter „Szene“ rezensierten Büchern – lesen Sie sich lauffit und wissend! – Folge 7

By GRR 0

Die in dieser Serie vorgestellten Bücher haben mindestens zweierlei gemeinsam: Sie handeln alle vom Laufen, und sie stammen alle aus dem letzten Jahrhundert. Einzig deswegen sind sie hier als „Klassiker“ tituliert worden.
Ob dieses Prädikat wirklich gerechtfertigt ist, sollten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, dieser Rubik auf der Internetseite von GRR selbst entscheiden, und zwar entweder gleich nach der Lektüre der Rezension unseres „Vorlesers“ Detlef Kuhlmann oder spätestens nach eingehender Lektüre des gesamten Buches – viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion, die in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen wird und die vermutlich ihresgleichen sucht!

Wolfram Schleske:
Meditatives Laufen. Abenteuer der Selbstentdeckung und Welterfahrung.
Stuttgart/Bonn:
Burg Verlag 21990. 373 S.

Die meisten von uns – sofern sie selbst laufen – praktizieren es vermutlich längst und immer wieder, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein – genau das will uns Wolfram Schleske (Jahrgang 1936), Professor für Sportpädagogik in Ludwigsburg, nun bewusst machen. Dazu entfaltet er ein anspruchsvolles Programm: meditatives Laufen.
Worum geht es dabei? Der Begriff Meditation in seiner ursprünglichen Bedeutung meint u. a. über etwas nachdenken, die Dinge in einer ganz bestimmten Sichtweise betrachten, in eine geistige Vertiefung gelangen, sich selbst zuwenden und zur Erkenntnis sei-ner selbst gelangen. Wie soll das alles gehen, wenn wir uns dazu noch laufenderweise anstrengen müssen?
Genau das ist der Clou – die Kunst medita-tiven Laufens, über die Schleske schreibt: Gerade weil es sich beim Laufen um eine an sich ziemlich monotone, sich fortlaufend wiederholende Beanspruchungsform handelt, können wir unsere Aufmerksamkeit zentrieren, in uns selbst hineinhorchen; abschalten, um so allmählich unserer Bewusstseinzustände bewusst(-er) zu werden.
So kann das Laufen einen meditativen Akzent erhalten und dazu beitragen, dass „sich ein Zugang zu positiven Be-wusstseins- und Empfindungszentren innerhalb der Person öffnet und dass solche tragenden Empfindungen wie Ruhe, Gelassenheit, Zuversicht, Hoffnung und Liebe nicht nur geweckt, sondern einer bewussten Lenkung zu-gänglich werden“ (20). Beim Laufen (immer wohl nicht nur dort!) vergessen wir unsere Sorgen und Nöte, wir laufen ihnen zwar nicht gänzlich davon, aber wir stehen ihnen später irgendwie anders gegenüber. Unser Bewusstsein hat sich verändert: Wir sind frischer, Energie geladener als vorher, ruhiger und ausgeglichener im Umgang mit uns selbst und mit anderen.
Das ist etwa der Kern dessen, was uns der Autor über das meditative Laufen mitteilen will. Er beschreibt es im Wesentlichen im ersten Drittel seines Buches, danach spannt er den Bogen weiter, entfernt sich mehr und mehr vom Laufen, aber nicht etwa von der Meditation. Das soll nicht heißen, dass man die letzten knapp 300 Seiten nun nicht mehr lesen und das Buch wieder aus der Hand legen soll… es sei denn, man entschließt sich zum meditativen Laufen!

Reiner Stach (Hrsg.):
Zur Psychologie des Laufens.
Frankfurt: Fischer 1994. 159 S.

Mit Sammelbänden, in denen Texte von mehreren Autoren und Autorinnen veröffentlicht sind, ist das immer so eine Sache: Wo soll man anfangen, wenn man das Buch nicht gleich ganz lesen will? Meistens – so geht es mir jedenfalls zuweilen – beginne ich mit der Lektüre des sog. "Klappentextes" oder des Vorwortes, falls enthalten.
Wer bei diesem Taschenbuch so vorgeht, der erfährt u. a., dass hier von einem weit gefassten Verständnis von (Sozial-) Psychologie ausgegangen wird, um dem Massenphänomen der Laufbewegung beizukommen, dabei auf ganz unterschiedlichen Wegen "nach innen" zu gehen und die Beweggründe von Laufenden aufzuspüren. Dazu werden verschiedene Textformen genutzt: Essay, Erlebnisbericht, Erzählung, Gespräch sind die Wegweiser, die uns zu einer wirklich bewegenden Wanderung "ins Dialogische einerseits, ins Fiktionale andererseits" einladen.
So jedenfalls gliedert der Herausgeber Reiner Stach (Jahrgang 1951, im Hauptberuf Verlagslektor, Übersetzer und Publizist) das Buch in zwei Abteilungen, nämlich in "Die Grammatik des Laufens" und in "Die Farben des Laufens". Insgesamt vertreten sind neun Beiträge von sieben Männern und zwei Frauen zwischen Anfang 30 und Anfang 60 Jahre. Alle sind – wie könnte es anders sein – mit dem Laufen selbst aktiv verbunden. Allen voran wohl Uta Pippig, die in einem Interview zu Wort kommt, das der Herausgeber Stach selbst mit ihr geführt hat:
"Ich mache den Marathon schön für mich und für andere, dazu bin ich da" (Seite 112). Und wer ist sonst noch vertreten? Natürlich der als Schriftsteller bekannte Günter Herburger ("Die große Welle"), die frühere Olympia-Teilnehmerin im 800-Meter-Lauf (München 1972) und heutige Sportdezernentin in Frankfurt/Main, Sylvia Schenk, sowie neben Willi Köhler ("Der aufrechte Läufer") und Johannes Dirschauer ("Der Narr der Moderne") z.B. Roland Lutz (heute: Professor für Sozialpädagogik in Erfurt) und Rainer Schönhammer (heute: Psychologe an der Hochschule für Kunst und Design in Halle/Saale).
Bleibt nur noch eine Frage zu klären – nämlich, welchen Text ich selbst schließlich zuerst gelesen habe. Es war der von Lutger Lütkehaus ("L'idée vient en courant. über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Laufen"), wo er uns ganz im Geiste von Kleist und Nietzsche näher zu bringen versucht, das die Gedanken erst bei freier Bewegung ein Fest feiern: "Der Mensch war das nicht festgestellte Tier, das Denken das menschlichste des Menschen; wie sollte also das nicht festge-stellte Tier denken, ohne sich zu bewegen?" (Seite 132).

Manfred Steffny (Hrsg.):
Lauf-Lyrik. Hilden:
Spiridon Verlags GmbH 1985. 72 S.

Der Spiridon-Verlag von Manfred Steffny (Olympia-Teilnehmer 1968 und 1972 im Marathonlauf, inzwischen mehrfacher Buchautor und Herausgeber der Laufzeitschrift "spiridon" in Düsseldorf) gilt als "Vorläufer" in der lauf-literarischen Szene: Bereits Mitte der 80er Jahre ist dort ein Bändchen mit dem Titel Lauf-Lyrik erschienen, in dem uns insgesamt 40 Lauf-LyrikerInnen (darunter immerhin auch sechs Frauen!) ihre Erlebnisse, Wahrnehmungen, Gefühle (kurz: Reflexionen) vor, während und (besonders) nach dem Laufen in Versform mitteilen.
Wer selbst läuft, mag vieles beim Lesen nachempfinden können. Wer (noch) nicht läuft, findet wenigstens einen lauf-lyrischen Einstieg… Das Buch ist gegliedert in fünf Kapitel: Lauf in Natur und Jahreszeiten – Wettkampf – Laufalltägliches – Satirisches – Im Lauf der Zeit. Leider fehlen biografische Angaben der Autoren, aber Hans-Jürgen ("Sehne") Ortmann ist vielen noch als Spitzenläufer, Ingo Insterburg ("Marathonlied") anderen auch als Liedermacher bekannt, und mindestens von einigen wissen wir, dass sie mittlerweile auch eigene laufliterarische Werke vorgelegt haben u. a.: Günter Herburger, Peter Rausch, Eva-Maria von Schablowsky, Werner Sonntag, Dieter Strecker, Manfred Steffny, Gerhard Uhlenbruck.
Der letztgenannte hat übrigens auch das Vorwort zum Buch geschrieben; es enthält bemerkenswerte Passagen, wie z.B. das Laufen Anlass zum Schreiben werden kann: "Während des Laufens haben wir Muße, nachzudenken" (7) – mehr noch: Schreiben "dient der Verarbeitung und Bewältigung der körperlichen Empfindungen oder der körperlichen Erschöp-ung" (6) – und schließlich: "Gedichte, seit jeher Ausdruck von Liebe, sind hier einmal vorgestellt als der Versuch, der Liebe zum Laufen Form zu verleihen" (6).
Wer möchte da nicht mitlesen, mitlaufen und … mitschreiben!

Manfred Steffny (Hrsg.):
Mein erster Marathon. Drei Dutzend Laufschilderungen.
Erkrath: Edition Spiridon 1993. 176 S.

Wer dieses Buch zur Hand nimmt, darin zu blättern beginnt, um sodann zu lesen anzufangen, steht vor der Qual der Wahl: Insgesamt 36 Marathonschilderungen von 27 Männern und (wie erfreulich!) von 9 Frauen – aber welche Geschichte soll die erste sein? Es gibt gleich mehrere Entscheidungskriterien: Jene, die einen selbst – sofern vorhanden – an den ersten Marathon-Tatort zurückführt (war es Hamburg? Frankfurt, Leipzig?) … oder mit der Schilderung jener Strecke starten, die man vielleicht selbst gern mal laufen möchte (also vermutlich: Berlin, New York, Rotterdam, Wien etc.) oder… oder…
Wer lieber gleich in die von Steffny gewählte Gliederung schaut, lässt sich unter Umständen leiten von Autoren-Namen wie Gunter Gabriel, Arthur Lamprecht, Emil Zatopek oder dem griechischen Botenläufer Thersippos, der seinen legendären Marathon aus dem Jahre 490 vor Christus von Marathon nach Athen "aus dem Olymp von Wolke 42" ganz neu und "zeitgenössisch" erzählt (Titel: "Nein, tot zusammengebrochen bin ich nicht!").
Anders als beim Marathon, wo man möglichst vom Start bis zum Ziel durchhalten sollte, kann man in diesem Buch überall ein- und ggf. auch wieder aussteigen. Ich bezweifle jedoch, dass das jemand macht: Man durch-liest (besser wohl: durchläuft) das Buch gleich ganz, zumal wenn man sich vorher genügend vom Umschlagtext auf der Rückseite hat inspirieren lassen: "Der Marathonlauf hat sie alle in seinen Bann geschlagen: die 17jährige Laufnovizin und den 79jährigen ehemaligen Reichstrainer, die Hausfrau und den Langstrecken-Olympiasieger, die krebskranke Lehrerin und den abenteuerlustigen Schlagersänger. Ihre Eindrücke haben sie zum Teil spontan und nachvollziehbar kurz nach dem Ereignis niedergeschrieben. So ist der Marathonlauf die facettenreichste Menschenansammlung unserer Tage.
Lust oder Qual? Vorhang auf!"

Oliver Stoll/Heiko Ziemainz:
Mentale Trainingsformen im Langstreckenlauf.
Ein Handbuch für Praktiker.
Butzbach-Griedel 1999: Afra Verlag. 104 S.

Die Zielsetzung des Buches steht klipp und klar im hinteren Klappentext geschrieben: "Dieses praxisorientierte Handbuch soll leistungsorientierten Langstreckenläufern und -läuferinnen zeigen, mit welchen psychologischen Trainingsverfahren die persönliche Leistung im Langstreckenlauf optimiert werden kann".
Damit wird keineswegs zuviel versprochen. Man kann die Zielsetzung ruhig wörtlich nehmen: Adressiert ist der Band eher an den ambitionierten Leistungsläufer als an den Schönwetter-Jogger; es geht nicht um eine umfassende Einführung in psychologische Theorien; der ganze Text bleibt durch und durch praxisbehaftet; er bezieht sich ausdrücklich auf das Langlaufen unter Ausklammerung anderer Ausdauer- etc. Sportarten; und schließlich steht die psychische und nicht die physische Dimension des Trainings im Mittelpunkt.
Inwiefern sich jedoch nach der Lektüre bzw. durch eine gewissenhafte Anwendung der vorgestellten psychologischen Trainingsverfahren tatsächlich die eigene Laufleistung spürbar optimieren lässt, das muss wohl jeder/jede selbst später an sich ausprobieren …

Das Lesefazit vorweg: Mich hat das Bändchen sehr angeregt. Ich habe mich oft selbst wiedergefunden in den zahlreichen Beispielen und Situationen. Ich konnte so recht gut nachvollziehen, dass und wie ich mich hin und wieder wohl selbst in der Vergangenheit vor bzw. bei Laufwettkämpfen blockiert habe. Die beiden Autoren nennen das dann ein wenig feiner formuliert "Um-gang mit einströmenden Störquellen" und zeigen auf, wie man ihnen begegnen kann.
Ganz einfach: Wir müssen nur lernen, unsere eigenen psychischen Fertigkeiten einzusetzen und ständig weiterzuentwickeln – ja, dazu müssen wir sie überhaupt erst einmal kennenlernen! Die Stichworte dazu sind uns allen vermutlich längst geläufig: Selbstvertrauen steigern und stabilisieren, negative in positive Energie umwandeln, Motivationsstärke aufbauen, um selbstgestellte Ziele unbeirrt zu verfolgen, und letztlich daraufhin die Einstellung (zum Wettkampf) kontrollieren.

Im Buch finden sich diese und weitere Themen dann kapitelweise wieder: Nach dem Vertrautmachen mit psychischen Entspannungsverfahren (Kap. 2), wozu sowohl naive Techniken (z.B. Entspannung bei Musik oder Tagträume) als auch klinische Verfahren (z.B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation) gehören, geht es dann um Selbstmotivierung und um die Entwicklung von Willenskraft, deren Grundlage darin besteht, sich immer realistische Ziele zu setzen und die Ursachen für Erfolg bzw. Misserfolg angemessen zu analysieren.
Dazu liefern die Autoren wertvolle Tipps … und hin und wieder sogar Tricks, wie man sich für Anstrengungen symbolisch selbst belohnen kann (genaueres wird hier noch nicht verraten, kann auf den Seiten 25 bis 28 schnell nachgelesen werden). Zusammenfassende Ratschläge gibt es wiederholt auch später im Buch – ein paar Kostproben seien erlaubt: "Halten Sie sich viel in der Gegenwart von hoch motivierten Läufern auf! Meiden Sie Sportler, die unmotiviert sind!" oder "Betrachten Sie Ihren Sport als Spaß! Machen Sie nicht den Fehler und werden verbissen!" oder "Zweifeln Sie nicht an einer einmal getroffenen Entscheidung!"
Solche Empfehlungen werden natürlich jeweils erläutert.

Im zweiten Teil des Buches geht es um "Visualisierung und Mentales Trai-ning" (Kap. 5) und den "Umgang mit Angst und Stress" (Kap. 6). Visualisierung meint grob vereinfacht die geistige Rekonstruktion einer Erfahrung bzw. eines Erlebnisses mit dem Ziel, möglichst positive Vorstellungsbilder gedanklich zu programmieren – also eine Art mentale Vorbereitung auf den nächsten Wettkampf. Für Angst und Stress werden je nach Ursache und Situation Bewältigungsstrategien angeboten – etwa sog. Umbewertungstechniken ("Bestzeit ist heute nicht drin, Hauptsache, es steht die 32 vor dem Komma") oder Ablenkungstechniken ("An dem Punkt habe ich nicht mehr an das Rennen, sondern nur noch an den bevorstehenden Urlaub mit meiner Familie gedacht") etc.

Zu den Autoren des Buches noch soviel: Beide sind im Fachgebiet Sportpsychologie tätige und promovierte Sportwissenschaftler: der eine (Stoll) in Leipzig und davor in Gießen; der andere jetzt in Chemnitz und davor in Leipzig und in Gießen. Beide sind – wie könnte es anders sein – selbst langjährige Ausdauersportler mit Schwerpunkt Triathlon (u.a. als Finisher des Ironman-Europe).
Und schließlich dürfte Oliver Stoll gewissenhaften SPIRIDON-Leserinnen und Lesern sogar noch als Verfasser von Beiträgen zu sportpsychologischen Themen aus den Heften 1 und 2 des 1994er Jahrgangs in Erinnerung sein.
Auch das kann als Qualitätssiegel für das jetzt vorliegende Handbuch gelten …

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 1
Teil 1

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 2
Teil 2

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 3
Teil 3

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 4
Teil 4

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 5
Teil 5

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 6
Teil 6

author: GRR

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