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2007

Viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion beim Lesen. Diese Serie wird in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen und vermutlich ihresgleichen suchen!

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt bei German Road Races Klassiker der Laufliteratur vor – eine Ergänzung zu den schon unter „Szene“ rezensierten Büchern – lesen Sie sich lauffit und wissend! – Folge 8

By GRR 0

Die in dieser Serie vorgestellten Bücher haben mindestens zweierlei gemeinsam: Sie handeln alle vom Laufen, und sie stammen alle aus dem letzten Jahrhundert. Einzig deswegen sind sie hier als „Klassiker“ tituliert worden.
Ob dieses Prädikat wirklich gerechtfertigt ist, sollten Sie, verehrte Leserinnen und Leser, dieser Rubik auf der Internetseite von GRR selbst entscheiden, und zwar entweder gleich nach der Lektüre der Rezension unseres „Vorlesers“ Detlef Kuhlmann oder spätestens nach eingehender Lektüre des gesamten Buches – viel Freude beim „Schmökern“ wünscht Ihnen allen Ihre GRR-Internetredaktion, die in den nächsten Wochen in insgesamt acht Folgen erscheinen wird und die vermutlich ihresgleichen sucht!

Günter Stubenrauch:
Sportlich laufen – gesund leben. Ein Laufbuch für Einstieger und "alte Hasen".
Berlin 1998: Frieling. 114 S.

Was ist nicht schon alles über das Laufen geschrieben worden? Gerade von der Sorte Ratgeber dürfte – so könnte man vermuten – der Markt mittlerweile gesättigt, mindestens nicht mehr allzu expansionsfähig sein – denkste!
Der Berliner Hobby-Läufer und -Autor Günter Stubenrauch (Jahrgang 1928) hat vor wenigen Wochen ein Buch vorgelegt speziell für diejenigen, die "schon älter sind" (Vorwort). Er möchte alle potentiellen Einsteiger "mit der ungewöhnlichen Welt des Laufens" vertraut machen und den "alten Hasen" (gemeint sind fortgeschrittene Läuferinnen und Läufer) eine Art Vergleichsfolie anbieten, auf der sie prüfen und bewerten können, "warum andere manches anders machen" bzw. die Erfahrungen sich doch irgendwo gleichen oder ganz ähnlich sind…

So kann man das Buch von Günter Stubenrauch nicht nur als gut gemeinten Ratgeber, sondern eben auch als ehrlich-ehrenwerten Erfahrungsbericht einordnen: Der Autor ist nicht nur in der Lage, seines eigenes Lauf-Ich anregend-ausdauernd zu beobachten, sondern das wesentliche davon textlich so zu gestalten, dass es für anderen – eben auch und gerade für alle (älteren!) Noch-Nicht-Laufenden – informativ und zugleich Mut machend wirkt – jedenfalls sei mir als "junger" Rezensent und Läufer in AK 40 dieses Urteil gerade noch gestattet!
Mehr noch: Es gibt eigentlich nichts, worüber Stubenrauch nicht schreibt, und es gibt andererseits auch nichts, was nicht irgendwo anders schon mal so oder so ähnlich nachzulesen wäre – halt: Einen Abschnitt über "Der Lauf mit Brille" (Kap. 4.5.6.4) habe ich tatsächlich noch in keinem anderen Lauf-Buch gefunden.
Dort empfiehlt er u. a., solange wie möglich ohne Sehhilfe zu laufen.

Das Buch selbst ist in sechs Kapitel übersichtlich gegliedert: Nach dem Vorwort des Autors erinnert er an "Meine Jogger-Periode" (Kap. 2), äußert sich über den leistungsorientierten Läufer (Kap. 3) und seine Lebensgestaltung (Kap. 4) und gibt schließlich Einblick in "Mein individuelles Trainingspro-gramm (Kap. 5); kurze Bemerkungen zu Verletzungen (Kap. 6), ein detailliertes Schlagwortverzeichnis und sparsame Literaturangaben runden das Werk ab. Alles sind jedoch mehr oder weniger Variationen des Immergleichen, allerdings gebündelt aus der Sicht eines älteren Langläufers und eben adressiert an seine Altersgruppe. Dadurch gewinnt das Buch sein besonderes Profil, und darin liegt das besondere Verdienst von Günter Stubenrauch.

Um den Autor mit seiner eigenen Laufkarriere angemessen einzustufen, sei erwähnt, dass er selbst nach eigenen Aussagen erst mit über 40 Jahren eingestiegen ist und sich "als Kind und junger Mann gern vor jedwedem Sport gedrückt hat" (aus dem Klappentext). Seine Laufheimat liegt im Berliner Stadtteil Köpenick, wo er regelmäßig zusammen mit seiner Frau und einer zwölf bis 18-köpfigen Laufgemeinschaft (die "Köpenicker Rennsteigtiger") unterwegs ist. Seine jährlichen Wettkampfhöhepunkte sind der Berlin-Marathon im September und der Rennsteiglauf im Mai – das Buch liest sich teilweise sogar als eine liebevolle Laudatio dieses traditionsreichen Landschaftslaufes in Thüringen…

Hans-Jürgen Usko (Hrsg.):
Marathon.
Berlin: Quadriga Verlag 1985; 170 S.

Ich zögere immer noch: Wie soll ich dieses seltene Buch am besten ankündigen? Zuerst etwas über die tollen Fotos schreiben? Oder auf die lesenswer-ten Textbeiträge eingehen? Eins steht auf jeden Fall fest: Dieses Buch lässt sich am ehesten als ein "Marathon-Bilder-Lesebuch" anpreisen.
Vermutlich ist es bis jetzt sogar das einzige auf dem Markt in genau dieser Art. Apropos Markt: Ich habe vor längerer Zeit das Buch irgendwo als verbilligtes Exemplar für "nur" DM 7,95 erworben – ob das daran lag, dass es "mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse der Stadt Berlin West – Girozentrale in Berlin" entstanden ist.
Apropos Berlin: Das Lokal-Colorit kommt nicht erst bei den Fotos selbst zum Ausdruck, obwohl hier auch Laufszenen aus New York und anderswo zu sehen sind. Der Herausgeber und Nicht-Marathonläufer Hans-Jürgen Usko ("man nennt mich Immobilist"), ein Berliner Journalist, wohnt selbst an der Strecke der "Marathon-Hauptstadt", und zwar dort, wo angeblich die Sau raus gelassen wird…
Usko hat für diesen Band eine ganze Reihe – insgesamt elf an der Zahl – prominenter Autoren aus der Sportmedizin, der Sportsoziologie, der Sportgeschichte und anderswoher (natürlich auch aus Berlin!) versammelt, darunter: Burkhard Swara, Mücke Buchwald, Willi Heepe, Volker Rittner, Karl Lennartz und Heinz Uth.
Wer sie noch nicht kennt, sollte am besten gleich ihre Artikel nachlesen. Aber auch für alle anderen lohnen sich Passagen wie diese über den sog. "Kämpfer" unter den Läufern. Lassen wir ihn durch Willi Heepe selbst kennzeichnen: "In der Herausforderung des Kampfes trägt er Siege davon, die ihm im sonstigen Leben nicht gegönnt sind. Im Ziel hat er gegen ein kleines Stück seines Lebensschicksals gewonnen – und ein paar Stunden Glück wiegen auf, was sonst nicht aufwiegbar ist. Es sei ihm vergönnt:
Würde er aussteigen und verlieren, so wären seine Niederlage und sein Leid unendlich" (67).

Maria und Friedrich Thiemer:
Langlauf ist unser Leben … zweimal die Erde umrundet.
Aachen: Meyer & Meyer Verlag 1985. 88 S.

Zugegeben – ich tue mich schwer, dieses Buch aus der Edition "Laufen und Leben" des im Laufsport stark expandierenden Meyer & Meyer Verlages hier zu präsentieren. Kann man ein Buch empfehlen, auf dem einem etwa alle drei Seiten die Autoren auf Fotos entgegenkommen, mal beim Lauftraining, mal beim Wettkampf, aber auch zuhause beim Spaghetti-Essen oder beim heißen Fußbad?
Die – Gott sei Dank – kurzen Texte sind aufgeteilt in 21 Kapitel von "So fing es an" über "Unser Lauf in den Tropen" bis "Unsere Gesundheit"; für sie steht der Titel des Werkes (s. o.): alles mitten aus dem Läuferleben eines Ehepaares (inzwischen beide Mitte 50) aus Mönchengladbach, ihrer Heimatstadt, die sie 1984 mit der Ehrennadel ausgezeichnet hat, weil sie den Interessen der Stadt durch ihre sportlichen Leistungen im Ultralangstreckenlauf besonders gedient haben.
Die Urkunden sind selbstverständlich im Buch abgedruckt (vergleiche Seite 60 und 61). Ach so, herzlichen Glückwunsch nachträglich! Was haben die Texte selbst zu bieten?
Na ja, da kann ja besser jeder selbst nachlesen und sich womöglich hier ("Der erste Marathon") und da ("Die Hunde – unsere 'schärfsten' Gegner") wieder finden.
Ich will jedenfalls niemandem die Lektüre grundsätzlich verbieten…

I. Walter:
Kleine Bettlektüre für alle, die beim Laufen den Ausgleich zum Alltag finden.
Ausgewählt von Ilse Walter.
Bern/München/Wien: Scherz Verlag ohne Jahr (1993?). 124 S.

Na bitte: Jetzt haben wir JoggerInnen endlich auch unsere "richtige" Bettlektüre. Der Scherz Verlag hat in seiner gleichnamigen Reihe, in der u. a. auch Bierkenner, Opernfreunde, Hobbyköche, Tierfreunde etc. ihre entsprechende Bettlektüre finden, nun ein kleines Bändchen im handlichen Brieftaschenformat herausgebracht, in dem insgesamt 19 Texte von Joachim Ringelnatz über Theodor Storm bis zu Mark Twain enthalten sind.
Es handelt sich dabei – so der Klappentext – um "bekannte Schriftsteller und Dichter, allesamt gut zu Fuß", die "ein Loblied auf die körperlich und geistig gesündeste Art, im Leben vom Fleck zu kommen" singen. Mindestens von Günter Herburger (hier vertreten mit "Zwischenläufe") wissen wir, dass er auch im Marathonlauf zuhause ist, bei Hans A. Bloss ("Bewegung tut Not") hat das ebenfalls allen Anschein, zumal er Fragen beantwortet, wo man am besten laufen sollte und was das Besondere am Laufen ist. Ungewiss bleibt allerdings, ob auch alle anderen Autoren laufen oder in ihrem Leben je gelaufen sind – etwa die Brüder Grimm, die mit ihrem listig-lustigen Märchen vom Hasen und Igel vertreten sind:
Wer erinnert sich noch, wer da mit wem um die Wette läuft? Und die Moral von der Geschichte ist, "dass sich keiner, und wenn er sich auch noch so vornehm dünkt, soll beikommen lassen, sich über einen geringen Mann lustig zu machen, und wäre er auch nur ein Swinegel".
Die Sammlung enthält aber auch einige völlig lauffreie Texte. Joseph von Ei-chendorff beispielsweise berichtet aus dem Leben eines Taugenichts, der sich unter einen Apfelbaum ins Gras legt … und an die schöne, gnädige Frau denkt, bis er endlich mit heftigem Herzklopfen aufwacht! Angesichts des Titels "Kleine Bettlektüre" könnte man meinen, die Beiträge sollten uns mehr oder weniger in den Schlaf wiegen ("Lektüre vor der Ruhe") – zumindest bei einem (Alfred Komarek: "Jogging") bin ich mir da nicht so sicher – lassen wir ihn selbst vorlesen:
"Ich bin fast zehn Minuten hinter den beiden hergelaufen. Erst gab mir lodernde Wut die Kraft dazu, doch dann schlich sich wie durch ein Wunder spitzbübisches Behagen in mein Gemüt: Ich hatte nämlich alle Zeit der Welt, den Anblick von Marias rhythmisch bewegtem Hinteteil zu genießen…"

Patricia Nell Warren:
Der Langstreckenläufer.
Roman. Deutsche Erstausgabe. München 1987. 414 S.

Um es gleich vorwegzunehmen: Der Laufstreckenläufer Billy Sive, die Hauptfigur in diesem Roman der Amerikanerin Patrica Nell Warren (Jahrgang 1936), ist schwul – genauso wie der wesentlich ältere Ich-Erzähler, sein Trainer, Freund und spätere Ehepartner Harlan Brown. Die Story spielt in den USA, hauptsächlich am Prescott-College in New York in den Jahren zwischen 1974 und 1976.
Natürlich geht es in diesem blendend erzählten Roman um Sport, genauer um die steile Laufkarriere von Billy, der zu einer dreiköpfigen schwulen Laufgruppe gehört, die wegen ihrer sexuellen Neigungen zuvor aus dem Oregon-Team ausgeschlossen worden ist.
Zum anderen gibt uns die Autorin jedoch einen profilierten Einblick in die Situation von Homosexuellen im Amerika dieser Zeit. Beide Perspektiven werden geradezu spannend entwickelt, so dass man sich schnell auf die gut 400 Seiten einlässt, um möglichst schnell zu erleben, wie es denn endlich ausgeht: Die drei Läufer bereiten sich auf die Olympischen Spiele in Montreal 1976 vor, wo Billy schließlich die Goldmedaille über 10.000 Meter gewinnt und ein Woche später zum zweiten Gold über 5.000 Meter auf der Laufbahn unterwegs ist, dabei zwar die Zielgerade, nicht aber das Ziel selbst erreicht: Tod durch Kopfschuss!

Aber Billy hatte einmal gesagt, er würde wieder auf die Welt kommen. Und genauso kommt es! Wie? Das kann jeder/jede ab Seite 387 nachlesen. Bis dahin unterhält Patrica Nell Warren uns so kenntnisreich und einfühlsam, dass man den Eindruck nicht loswird, als laufe sie selbst ihren Figuren nebenher.

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 1
Teil 1

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 2
Teil 2

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 3
Teil 3

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 4
Teil 4

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 5
Teil 5

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 6
Teil 6

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann stellt vor – Teil 7
Teil 7

author: GRR

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