Egal ob diese und andere Sportstätten neulich erst gebaut worden sind oder kürzlich nur zu einer Arena deklariert wurden: Ihre neuen kommerziellen Bezeichnungen verraten so oder so, was eine moderne Sport-stätte ausmacht: Es gibt kaum noch eine Arena in der ersten Reihe ohne Terminus technicus oeconomicus!
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann in OLYMPISCHES FEUER: Von roten Aschenkampfbahnen und weißen Multifunktionsarenen – Wenn aus Sportstätten Arenen werden … Zur Kommerzialisierung der Namensgebung Berlin als neue World-Bühne des Sports …
Aus Stadien werden Arenen. Aus Sporthallen auch. Selbst wenn die Spiel-feldmaße auf dem Rasen eines Fußballfeldes in all den Jahren immer noch die gleichen geblieben sind und der Elfmeterpunkt immer noch bei elf Metern liegt … die Architektur unserer Sportstätten drinnen und draußen ist unaufhörlich im Wandel. Dieser Wandel vollzieht sich in kontinuierlicher Konstanz.
Es spricht sogar einiges dafür, dass die Vielfalt der Veränderun-gen in letzter Zeit mächtig an Fahrt zugenommen hat: Selbst das Auswechseln der Bezeichnungen von Sportstätten ist mittlerweile zum festen Bestandteil dieser Entwicklung geworden. Wir können das alles Woche für Wo-che buchstabengetreu nachlesen, wenn uns die sportlichen Darbietungen von den betreffenden Austragungsorten medial ins Haus transportiert werden: Willkommen zum Fußball-Bundesligaspiel aus der Allianz Arena in München oder: Willkommen zum Eishockey Play-off in der TUI-Arena in Hannover etc. etc.
Egal ob diese und andere Sportstätten neulich erst gebaut worden sind oder kürzlich nur zu einer Arena deklariert wurden: Ihre neuen kommerziellen Bezeichnungen verraten so oder so, was eine moderne Sport-stätte ausmacht: Es gibt kaum noch eine Arena in der ersten Reihe ohne Terminus technicus oeconomicus!
Der Kölner Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Dietz Bering, zu dessen hauptsächlichen Arbeitsgebieten die historische Namenforschung gehört, hat in einer bemerkenswerten Studie über die Kommerzialisierung der Namensgebung von (bekannten) Fußballstadien in Deutschland einen klaren Trend festgemacht, der auch zahlenmäßig belegt, dass Firmennamen als offizielle Stadionbezeichnung auf dem Vormarsch sind. Dazu hat er alle bisherigen Stadionnamen von den Vereinen der beiden deutschen Profi-Fußballligen gesichtet und diese zeithistorisch in drei sog. Generationen unterteilt: Der ursprüngliche Name, der dem Stadion galt, als dieses einst eröffnet wurde, sodann sämtliche Bezeichnungen der sog. zweiten Generation, die das Stadion danach einmal hatte.
Und schließlich die junge (dritte) Generation mit dem aktuellen Namen, der offenbar in den meisten Fällen diese kommerzielle Semantik ausweist – ein Beispiel: Die Kampfbahn „Rote Erde“ in Dortmund wurde als solche 1926 eröffnet und für verschiedenste sportliche Darbietungen genutzt. Sie existiert zwar heute noch als geradezu museales, aber dennoch nutzbares Sportbauwerk mit einer 400-m-Rundbahn und einer offenen Tribüne. Viele Ältere fühlen sich bei ihrem Anblick erinnert an die Kinderzeit der Bundesliga in den frühen 1960er Jahren.
Der hundertjährige BVB spielt seit 1974 allerdings auf einem reinen Fußballplatz, und zwar gleich nebenan im Westfalenstadion, das wiederum seit dem Jahr 2005 nach einem in Dortmund und Hamburg ansässigen Finanzdienstleistungsunternehmen benannt wird: Wer das Team von BVB-Trainer Jürgen Klopp sehen will, der verweilt 90 Minuten und mehr gepflegt im Park … nämlich im Signal Iduna Park, mit 80.552 Plätzen zugleich die größte Parkanlage in Deutschland, auf der Fußball gespielt wird.
Auf diese Weise lassen sich in den meisten bundesweit bekannten (Fußball-)Stadien zeithistorisch diese Familiengenerationen an Namen zurückverfolgen – egal ob man dabei an das Waldstadion in Frankfurt denkt, das 1945 kurz von den Amerikanern in „Victory Stadium“ umbenannt wurde und das sich heute zur kommerziellen Commerzbank-Arena gemausert hat, und egal, ob man als Beispiel das Stadion „Am Stadtpark“ in Leverkusen nimmt, das kaum noch jemand unter diesem Namen kennt. Allenfalls ist es manchem noch als Ulrich-Haberland-Stadion geläufig, den meisten aber jedoch als die Bayarena, die gerade durch größere Umbauarbeiten neuen Glanz, aber wohl (noch) keinen weiteren neuen Namen erhalten soll.
Verfolgt man die Spuren der Namensgebung der heute vor allem aus der Fußball-Bundesliga geläufigen Sportplätze, dann war man einst buchstäblich bodenständig und somit „lokal“ verbunden: Es wurden einfach und völ-lig unkompliziert die schon existierenden Ortsbezeichnungen, auf denen die sportlichen Spiele stattfanden, als Namen gewählt: Toponyme nennen das die Linguisten und meinen damit beispielsweise das Stadion an der Grünwalder Straße in München, das an der Castroper Straße in Bochum oder das an der Helmstedter Straße in Braunschweig.
In Mönchengladbach spielte man dagegen immer schon in höheren Regionen – nämlich im Bökelbergstadion … sehr viel höher ging es nur auf der „Alm“ in Bielefeld zu, die eigent-lich gar keine war. Aus der Vereinschronik wird nämlich überliefert, dass Arminia-Klubmitglied Heinrich Pehle wegen der unschönen Unebenheiten des Sportplatzes an der Melanchthonstraße in Bielefeld einst feststellte und lauthals ausrief: „Das sieht hier ja aus wie auf der Alm“. Das war in den 1920er Jahren die Geburtstunde des Stadionsnamens. Wenn heute der DSC Arminia Bielefeld hier spielt, dann öffnen sich für Fans und Spieler die Tore zur SchücoArena.
Neben den Toponymen als Bezeichnungen von Sportstadien gibt es auch sog. makrotoponyme Namen, mit denen sich dann sogar eine ganze Region über eine Sportanlage identifizieren kann, besser gesagt konnte: Das Nieder-sachsenstadion in Hannover und das Neckarstadion in Stuttgart ließen sich zwar genau in diese begriffliche Regionalliga einordnen. Sie gehören aber ebenso längst der Vergangenheit an, denn auch solche Namensverwurzelungen scheinen ebenso mehr und mehr zu schwinden. Eine Ausnahme ist so gesehen nur das jüngste Fußball-Bundesliga-Stadion in Deutschland, das erst neulich zum Rückrundenstart der Saison 2008/2009 eröffnet wurde: die Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim, die neue Heimstätte der TSG 1899 Hoffenheim mit einer Kapazität von genau 30.165 Plätzen.
Gibt es also doch ein Zurück zu den erdverbundenen Wurzeln bei der Namensgebung, gar einen neuen Trend zum „Lokalnamen“? Man könnte dies fast vermuten, sollte aber wissen, dass der Eigentümer der Rhein-Neckar-Arena Dietmar Hopp heißt und ein inzwischen 69-Jähriger viel schaffender Sport-Mäzen ist, der es offensichtlich nicht mehr nötig hat, mit seinem eigenen Namen zu werben, weil er ohnehin mit einem geschätzten Vermögen von über 6 Mrd. Euro zu den reichsten Männern der Welt gehört. Das Dietmar-Hopp-Stadion existiert im Übrigen schon länger woanders … in seiner Heimatstadt Hoffenheim.
Weg von den Sportplätzen hinein in die Sporthallen: Die Geschichte der mo-numentalen Hallengroßbauten, die auch für den Sport hierzulande genutzt wurden, lässt sich bis in die 1920er Jahre zurückverfolgen und ist ursäch-lich eng mit der Verlagerung des Feldhandballspiels in die Halle verbunden, wie der Hamburger Handballhistoriker Erik Eggers in seinen Chroniken viel-fach belegt hat. Das erste Hallen-Handball-Turnier in der heutigen Handball-Hochburg Kiel wird beispielsweise 1934 datiert in der Nord-Ostsee-Halle, eine 170 Meter lange und nur 42 Meter breite Messehalle, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Seit dem Jahr 1951 ist die Ostseehalle – einst aus Gerüsten des Hangars eines Fliegerhorsts von List auf Sylt gebaut – die Spielstätte des THW Kiel. Moment mal: Seit dem 1. Januar 2008 wird genau diese Halle als Sparkassen-Arena bezeichnet – trotz heftiger Gegenstimmen der großen Handball-Fangemeinde im hohen Norden.
Größere Sporthallen in Deutschland hat es damals auch anderswo gegeben: Die Westfalenhalle in Dortmund stand für Sechstagerennen, Boxen und Eis-laufen etc. Das Nonplusultra seiner Zeit war jedoch die Deutschlandhalle in Berlin. Sie wurde einst als modernste Halle in Europa errichtet für verschiedene Wettkämpfe bei den Olympischen Spiele 1936 in Berlin und war seitdem Austragungsstätte vieler großer Veranstaltungen im Sport. Mittlerweile ist sie marode geworden. Der Tag des allerletzten Spiels steht nun unmittelbar bevor … das Spiel mit der Abrissbirne, dessen Ausgang schon feststeht, es sei den, die zahlreichen Proteste führten noch kurzfristig zum Erfolg bzw. zur weiteren Nutzung. Wie dem auch sei: Die Deutschlandhalle war gestern …heute beginnt die Zukunft:
Die überall im Lande sprießenden Multifunktionsarenen bieten Bühnen für innovative Inszenierungen des Sports und anderer Darbietungen. Die derzeit modernste „Vielseitigkeitsbühne“ dieser Art in Europa ist vor kurzem in Ber-lin nur wenige Kilometer entfernt von der Deutschlandhalle im Stadtteil Friedrichshain eröffnet worden: Willkommen in der „02 World“! Die äußere Gestaltung der Halle im schlichten Weiß mag die Multifunktionalität sogar auf den ersten Blick ein wenig marginalisieren. In Wirklichkeit sind die Nutzungsmöglichkeiten so bunt, dass sich Sport- und Show-Events nahezu täglich abwechseln können.
Die 02 World ist eine multiple Welt, ihr Fassungs-vermögen höchst flexibel. Bei Konzerten finden bis zu 17.000 Besucher Platz, bei großflächigen Sportspielen entsprechend weniger. Die Bühne, die Udo Jürgens eben noch beifallumjubelt und im Bademantel schwitzend verlassen hat, gefriert morgen schon zu hoch temperiertem Eis. Der „Wellblechpalast“ war bis dato die Kultspielstätte des Eishockey-Teams der EHC Eisbären, heute brechen sie in „ihrem“ neuen Hightech-Tempel alle Rekorde. Bei der Premiere gab es ein 11:0 gegen die Augsburger Panther. Elfmal war die 02 World mit 14.500 Besuchern bei den Spielen seitdem ausverkauft, der Minusrekord liegt bei (nur) 11.000 Zuschauern.
Die neue World-Arena in der Hauptstadt hat einen Besucher-Boom ausgelöst, der mit einem Hallen-Verdrängungswettbewerb einhergeht – weg von der angestammten Sportstätte hinein in den neuen Sportpalast. Hier ist die Sportwelt zu Hause: Die Bundesliga-Basketballer von Alba Berlin spielen nicht mehr wie früher in der Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg. Die Handball-Füchse Berlin, in der zweiten Saison just in der ersten Liga etabliert, ziehen bei Spitzenbegegnungen von der Max-Schmeling-Halle ebenfalls um auf die World-Bühne.
Gleiches gilt für das Volleyballspiel, obwohl mit Baggern und Schmettern in der Hauptstadt nicht die großen Menschenmassen ans Netz zu locken sind: Die Bundesliga-Volleyballer vom SCC Berlin verlassen von Mal zu Mal das heimische Spielfeld in der Sömmeringhalle in Charlottenburg und spielen dann vor Rekordkulisse in der Max-Schmeling-Halle, die 1997 anlässlich der längst vergessenen, weil schnell und kläglich gescheiterten Olympiabewerbung Berlins für das Jahr 2000 gebaut wurde und seitdem die größte Halle der Stadt war: Aus, Ende, vorbei!
Die Welt-Arena ist die neuer Nummer eins und der lokale Global-Player: Bauherr und Investor ist das Unternehmen des heute 70-Jährigen US-Milliardärs Philip Frederick Anschutz. Seiner Anschutz Entertainment Group gehören auch die Eisbären Berlin. Die Namensrechte für die 02 World liegen derzeit bei dem nach Kundenzahlen viertgrößten Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland. Über die Laufzeit des Namens gibt es unterschiedliche Angaben – aber soviel steht fest: Der Kommerz geht weiter! Entweder wird der Jetzige ausgewechselt oder verlängert. Die phonetische Prognose könnte dann lauten: Aus 02 wird „Oh two“!
Der zeithistorische Wandel in sportbezogener Hallen-Architektur und ihrer zeitgemäßen Terminologie lässt sich außerhalb Berlins in vielen anderen großen Städten der Republik nachvollziehen. In Köln gab es einmal die Kölner Sporthalle. Sie wurde 1998 abgerissen und ersetzt durch die Kölnarena, seitdem die mit 20.000 Plätzen größte Indoor-Sportarena in Deutschland. Aber auch diese Kölnarena gibt es nicht mehr. Seit rund einem Jahr heißt sie nämlich Lanxess Arena. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart liegen zwei ganz große Sportstätten ganz dicht nebeneinander und symbolisieren auf einen Blick den Übergang von der modernen Halle zur postmodernen Arena: Vor genau 25 Jahren wurde dort die Hanns-Martin-Schleyer-Halle eröffnet. Ihre Sanierung im Jahre 2006 fand zur selben Zeit statt, als gleich nebenan die Porsche-Arena in Montage ging. Zusammen sind beide heute Tür an Tür ein europaweit einzigartiges Sport-Event-Arenen-Ensemble. Ein wichtiger Orientierungshinweis für die weniger Ortskundigen darf nicht fehlen: Wer will, gelangt nämlich von dort – egal mit welchem Auto – über die Mercedesstraße zum ebenfalls benachbarten Gottlieb-Daimler-Stadion.
Ein Fazit und Ausblick zum Schluss: Sportarenen wandeln sich und mit ihnen die nominellen Fassaden. Die zeitgemäße Architektur von Sportstätten wird gekrönt mit einer neuen Semantik bei der Namenstaufe. Im Trend lie-gen Namensgebungen auf Zeit. Das alles geschieht mit klarer Rollenverteilung des Gebens und Nehmens: Unternehmen versprechen sich die Steigerung des Bekanntheitsgrades ihrer Marke, und die Betreiber oder Klubs kassieren klar kalkulierbare Gelder – ganz abgesehen von den Dominoeffekten, die dadurch entstehen, dass z.B. Parkleitsysteme und Bushaltestellen in den Städten immer wieder auf die jeweils neue kommerzielle Marke umgerüstet werden müssen.
Bleibt am Ende nur noch eine Frage: Ist denn irgendwann einmal das Ende der kommerziellen Fahnenstange in Sicht? Ja, vielleicht dann, wenn wirklich einmal in einer Fußballarena an allen vier Eckpunkten des Spielfeldes farbige Funny-Frisch-Fahnen mit fettem Firmenlogo an den trittfesten Stangen flattern …
Auf Wiedersehen in der Arena, in der noch Werbung für den Sport betrieben wird!
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann in OLYMPISCHES FEUER 1/2009