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30
06
2022

Prof. Dr. Alexander Weber – Foto: Wolfgang W. Schüler

Prof. Dr. Alexander Weber vollendete am 25. Juni 2022 sein 85. Lebensjahr – von Wolfgang W. Schüler

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Durch ihn sprechen wir von Lauftherapie, deren Wegbereiter und prominentester Vertreter er ist. Durch ihn können wir die Qualifikation Lauftherapeut:in erwerben, um die eigene Freude am Laufen in den Dienst anderer zu stellen.

Durch seine vor 40 Jahren konzipierten und seitdem erscheinenden Laufschuhtests können wir bei der Wahl unseres Schuhwerks auf der sicheren Seite sein – getreu seinem Motto „Gesund ist der Mensch von unten nach oben“. Für sein innovatives und nachhaltiges Wirken über Jahrzehnte erhielt er 2021 vom Forum für Sportgeschichte Berlin den Horst-Milde-Award.

Der Professor

Beginnen wir mit seiner beruflichen Laufbahn. Dr. Alexander Weber war von 1974 bis 2002 Hochschullehrer im Fachbereich Erziehungswissenschaft, Psychologie, Sport an der Universität Paderborn. Ein Lehrerstudium und Studium der Psychologie mit nachfolgenden Praxisjahren im Schuldienst und als wissenschaftlicher Hochschulassistent waren vorausgegangen. Als Professor mit dem Schwerpunkt Empirische Pädagogik / Pädagogische Psychologie bereitete er nun Studierende auf deren zukünftigen Schuldienst vor. Seine Hauptarbeitsgebiete in Forschung und Lehre waren das Lehrerverhalten, die Kleingruppenpädagogik, Angewandte Gruppendynamik und Nonverbale Kommunikation.

In Lehrtätigkeit und Lerninhalten stand Weber – beeindruckt von den Arbeiten der US-amerikanischen Psychologen Ned. A. Flanders und Carl R. Rogers – für einen Paradigmenwechsel: der Abkehr vom alten, direktiven Lehren und Lernen. In einem Brief aus 1978 schrieb er von seinem „Bemühen […], jungen angehenden Lehrern Perspektiven für ein Verhalten zu geben, die unsere Vorstellungen von einem menschenwürdigen Handeln näherkommen.“ (Weber, 2001) Diese personenzentrierte Haltung des Lehrenden, das Lehren als Begegnung von Person zu Person, war nicht nur Inhalt seiner Vorlesungen und Seminare, er verkörperte sie in persona selbst. Webers‘ non-direktive, einfühlsame, ja charismatische Art machte ihn fortan für viele Studierende zu einem positiven Modell, Vorbild.

Alexander Weber laufend – Foto: privat

Der Läufer

Alexander Weber hätte wie viele andere, die eine Professur anstrebten oder innehatten, ein durch und durch vergeistigter Mensch werden können, hätte er nicht schon früh eine Affinität für Sport, insbesondere für das Laufen gehabt und später die persönliche Erfahrung gemacht, wie wohltuend körperlicher Ausgleich bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit ist. Aus der Jugend waren ihm als Leichtathleten die Sprint- und Mittelstrecken vertraut. Ende der 1960er Jahre begann er, regelmäßig, langsam und ausdauernd zu laufen. Anfangs als eine Art Selbsttherapie, die ihm half, im Spagat von Familie und Beruf Anspannung und Stress in den Griff zu kriegen. Weber: „Dass ich diese Veränderung aus eigener Kraft schaffte, machte mich stolz.“

Was folgte, kennen viele von uns selbst: das Interesse, auch einmal an Volksläufen teilzunehmen, ja, den Ansporn, sich dabei leistungsmäßig zu fordern. Weber beschreibt das im Rückblick (2017) so: „Sich mit anderen Läufern meiner Altersklasse zu messen, war eine bisher nicht gekannte Herausforderung. Ich erlebte eine neue, ganz andere Qualität von Stress. Diese Art von Stress empfand ich nicht als unangenehme Belastung, vielmehr als eine, die Lust erzeugt.“

„In dieser Periode meines Läuferlebens, etwa von 1979 bis 1989, war ich, wie ich das nenne, auf meinem Läufer-Trip.“ Allein im Jahr 1987, dem Beginn seiner Altersklasse 50, absolvierte er 22 Wettkämpfe, überwiegend Volksläufe, einschließlich Stadtläufe und den Berlin-Marathon. „13mal gewann ich meine Altersklasse, jeweils 2mal belegte ich zweite und dritte Plätze. Diese Erfolge nährten meinen Läuferstolz, waren der Lohn für 3679 Trainingskilometer über das Jahr, im Mittel 307 km pro Monat.“

Seine 10.000-m-Bestzeit, gelaufen als 50jähriger bei einem Stadtlauf, liegt bei 35:28 Min. Ein Jahr zuvor hatte er beim Internationalen 10-Meilen-Lauf „Die Nacht von Borgholzhausen“ 57:40 Min. erzielt. Als seinen Kultlauf bezeichnet er den regionalen „Hermannslauf“ über 30,1 km vom Hermannsdenkmal (Detmold) zur Sparrenburg (Bielefeld). Noch heute, nach über 50 aktiven Jahren, läuft Weber, mal langsamer, mal schneller, ergänzt um Wandern, Radfahren, Schwimmen und Krafttraining. Das „Goldene Sportabzeichen“ erwarb er in den letzten 25 Jahren in jedem Jahr.

Der Laufseminarleiter

Die positiven Erfahrungen, die Alexander Weber in seiner Beginnzeit mit dem ausdauernden Laufen machte, hielt er in Tagebüchern fest. Und sprach darin 1975 erstmals von „Lauftherapie“. In diese Richtung wiesen auch seine Wochenendseminare, die er unter dem Titel „Psychologie des Laufens“, veranstaltet von kommunalen Volkshochschulen der Region Ostwestfalen, von 1975 bis 1980 durchführte. Hieraus wiederum entwickelte er, angelehnt an das Konzept des „Open Encounter“ des US-amerikanischen Psychologen William C. Schutz, die Idee und Konzeption des sog. „Lauf-Encounter“, einer Selbsterfahrungsgruppe für Läufer:innen. Seit 1978 – bis zu den durch die aktuelle Pandemie auferlegten Einschränkungen – bot er diese in jedem Jahr als 4- bis 6-tägiges, stets gut besuchtes Seminar an der ostfriesischen Nordseeküste an.

In einem frühen Informationsschreiben für die Lauf-Workshops heißt es zur Zielsetzung: „Lernen, für sich selbst günstige körperlich-seelische Grundbedingungen zu schaffen. Ferner: Möglichkeiten des Abbaus bzw. der Verminderung von Stress, Spannungen, Angst u.a. aufzeigen und erfahren. Mittel, die geeignet sind, persönliches Lernen zu fördern, neue körperliche und seelische Energien freizusetzen.“

Der Laufforscher

Alexander Weber war zu sehr Wissenschaftler und neben seiner Rolle als Hochschullehrer zu sehr Forscher als nicht daran interessiert zu sein, wie es sich mit den eigenen Lauferfahrungen und denen anderer verhielt. „Ich tat das, wofür mein Herz schlug. Und hatte dazu noch den Vorteil, beruflich in Feldern tätig zu sein, in denen die Freiheit von Forschung und Lehre gesetzlich verankert ist. Zur damaligen Zeit gab es bereits ein breites Wissen bezüglich physiologischer Parameter, die sich zur wünschenswerten Seite hin verändern, wenn ursprüngliche Bewegungsmuffel regelmäßig Sport treiben. Läufer haben beispielsweise einen niedrigeren Ruhepuls, ein größeres Atemvolumen, ein gesünderes Körpergewicht, usw. Im Bereich psychologischer Variablen hatte man vergleichsweise nur wenige wissenschaftlich-empirisch gesicherte Befunde. Diese Lücke ein wenig zu füllen – das war für mich eine verlockende Aufgabe. Die allgemeine Frage lautete: Wie wirkt sich regelmäßiges Laufen auf das Erleben und Verhalten aus? In welcher Weise verändert es Lebensgewohnheiten und -stile?“ (Weber, 2017)

Das Anliegen führte ihn und Mitarbeitende 1979/1980 zu einer groß angelegten Befragung von Volkslaufteilnehmer:innen. Diese zeigte: Die große Mehrheit der Untersuchten zieht aus dem Laufen einen nicht zu unterschätzenden persönlichen und gesundheitlichen Gewinn. Es verhalf ihnen zu größerer Freude an körperlicher Bewegung, größerer emotionaler Ausgeglichenheit, vermehrter Spannkraft und Frische, stärkeren körperlichen Abwehrkräften, höherer körperlicher und seelischer Belastbarkeit, größerer Selbstachtung und einem größeren Ausmaß an innerer Freiheit.

Der aufkommende Gedanke, Laufen über die ihm innewohnenden Möglichkeiten der Selbsterziehung und Selbsttherapie hinaus auch als professionelle Methode zur Behandlung körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen nutzbar zu machen, brachte Weber – leitend – zu einem Forschungsprojekt an einer Suchtklinik. Als Ergebnis der an der Lauf- und Kontrollgruppe per Mehrfachmessung gewonnenen Daten zeigte sich, dass Alkoholabhängige, die liefen, im Vergleich zu denen, die „nur“ herkömmlich behandelt wurden, bedeutsam mehr profitierten.

Das für diese Untersuchung entwickelte Laufprogramm und Untersuchungsinventar wurde in der Folge auch bei anderen Zielgruppen eingesetzt: bei Hausfrauen, berufstätigen Frauen, berufstätigen Männern, Psychosomatiker-Gruppen. In den Ergebnissen fand Weber weitgehende Übereinstimmung: Die Läufer:innen fühlten sich nach der Laufbehandlung vitaler, leistungsfähiger, im Ganzen gesünder; sie waren weniger häufig krank und in besserer seelischer Verfassung. Im Einzelnen: sie zeigten weniger Angst (Gegenwartsangst), weniger depressive Gestimmtheit, eine größere emotionale Ausgeglichenheit, höhere Selbstachtung, ein günstigeres Selbstkonzept, eine größere Widerstandsfähigkeit in Stresssituationen.

Der Lauftherapiebegründer

Alexander Webers‘ Pioniergeist der 1980er Jahre, seine Fragestellungen, Anstrengungen und wissenschaftlich gesicherten Befunde, sind nicht hoch genug einzuschätzen. Er hat der Laufforschung im Bereich psychischer Gesundheit / Lauftherapie die Tür geöffnet und das dabei gewonnene Wissen zu allgemeiner Anerkennung geführt, vielfach zitiert und bestätigt, wie auch gerne aufgegriffen von uns frühen Hobby-Läufer:innen, die wir wegen unseres Tuns öffentlich lange belächelt worden waren.

In Erinnerung darf zudem bleiben, worauf Martin Krüger, einer von Webers‘ damaligen Mitarbeitenden hinweist: wie viele kleine Schritte Weber zu gehen hatte, um insbesondere das „Forschungsprojekt in der Klinik vor den anderen Therapeuten, die zum Teil so etwas wie Konkurrenz zu ihrer Arbeit witterten, vor den Ärzten und vor der Verwaltung durchzusetzen und gemäß den wissenschaftlichen Anforderungen […] durchzuführen.“ (Krüger, 2012)

Ein Wissenschaftler im Elfenbeinturm von Forschung und Lehre hätte sich ab diesem Zeitpunkt zufrieden zurücklehnen und auf seine Erkenntnisse und Veröffentlichungen zum Thema verweisen können – nicht so Prof. Weber: Ihm ging es darum, richtig Erkanntes auch in praktisches Handeln umzusetzen, der Idee und Konzeption seiner „Lauftherapie nach dem Paderborner Modell“ den Alltagsboden zu bereiten, als Handreichung nicht nur für im klinischen Sinne beeinträchtigte Adressatengruppen, sondern auch für jedermann und jedefrau. Dass dies mit einem Institut außerhalb der Hochschule, mit weniger bürokratischen Regelungen, besser gelingen konnte, lag auf der Hand. Doch damit ging die Arbeit – neben dem Brotberuf an der Universität – für ihn erst so richtig los.

Alexander Weber (Mitte) laufend mit angehenden Lauftherapeut:innen – Foto: Torsten Schubert

Der Institutsgründer und Ausbildungsleiter

Mit Gleichgesinnten, darunter Mediziner, Psychologen und Pädagogen, gründete Alexander Weber am 8. März 1988 das „Zentrum für Lauftherapie e. V. (ZfL)“, 1990 in „Deutsches Lauftherapiezentrum e. V. (DLZ)“ umbenannt, das 1993 ein eigenes Domizil in Bad Lippspringe bezog. Es war das erste Institut dieser Art in Europa. Zu dessen Aufgaben wurde bestimmt, die prophylaktischen und therapeutischen Möglichkeiten des Laufens

  • allgemein zugänglich zu machen: Durchführung offener Lauftherapiekurse vor Ort, d. h. in Paderborn und Bad Lippspringe,
  • systematisch zu sichten: wissenschaftliche Begleitung der Kurse / Erfolgskontrolle,
  • an Angehörige der verschiedenen Heil- und Sozialberufe zu vermitteln: Ausbildung von Lauftherapeut:innen sowie
  • in Fachkreisen und in der Öffentlichkeit weiter bekannt zu machen: durch Interviews, Vorträge, Seminare, Kongresse, Publikationen.

Ein Gründungs- und erstes Vorstandsmitglied, Dr. med. Richard Ammenwerth, erinnert sich zur Weber’schen Idee, Lauftherapeuten auszubilden: sie löste „leicht ungläubiges Staunen aus[…]. Das hatten wir alle noch nicht richtig verstanden, es kam zu Nachfragen: Ausbildung? Zum Lauftherapeuten? […] Laufkurse gab es ja schon lange, aber Kurse zur Ausbildung zum Lauftherapeuten noch nicht. Wir brauchten alle noch etwas Zeit, um [Alexanders] ‚Visionen‘ zu verstehen.“ (Ammenwerth, 2012)

Das, was 1991 durch ein interdisziplinär zusammengesetztes Dozent:innenteam Realität werden sollte – mit einem in Lehrplangestaltung, Theorie-Lehren und Praxisvermittlung erfahrenen Prof. Weber an der Spitze –, erscheint aus heutiger Sicht geradezu vertraut: in der Laufszene ist uns die Lauftherapie als Begriff, in ihrer Zielstellung und mit ihren Ausgebildeten bekannt, begreifbar, zum Teil erlebbar geworden. Zudem hat sie Nachahmung gefunden, indem sie seit den 2000er Jahren von weiteren Ausbildungsträgern angeboten wird. Am Deutschen Lauftherapiezentrum selbst wurden bis Ende 2019 über 800 Läufer:innen erfolgreich zu Lauftherapeut:innen, aber auch – dank später entwickelter, weiterer Kurskonzepte – zu Laufpädagog:innen und Laufgruppenleiter:innen ausgebildet. Sie stammen aus allen Teilen Deutschlands, vereinzelt auch aus Österreich und der Schweiz. Womit die praktische Lauftherapie DLZ eine geografisch weite Verbreitung gefunden hat. Rückblickend stellt Weber fest: „Mir scheint heute, als wäre vor über 30 Jahren das Deutsche Lauftherapiezentrum für diese, unsere gegenwärtige Zeit gegründet worden. Der zündende Gedanke von damals ist aktueller denn je.“ (Weber, 2019/20) Leider haben die zivilisationsbedingten Leiden durch Bewegungsmangel (Übergewicht, Bluthochdruck, Niedergeschlagenheit u.a.) nicht ab-, sondern noch zugenommen.

Weber war bis Januar 2020 Vorsitzender des DLZ. Im Alter von 82 Jahren übergab er die Leitung des Vereins, der Aus- und Weiterbildung und der Redaktion der institutseigenen „DLZ-Rundschau“. Insgesamt war er ca. 45 Jahre lauftherapeutisch tätig gewesen – praktisch, forschend, managend, ausbildend, medial

 

Prof. Alexander Weber am Deutschen Lauftherapiezentrum in Bad Lippspringe – Foto: Alexander Weber

Der Laufschuhtestentwickler

Alexander Weber ist auch im Bereich des Laufequipments ein renommierter Experte. Bereits seit 1982 testet er Laufschuhe für das Magazin „Spiridon“. Dazu entwickelte er ein Beobachtungs- und Testsystem, mit dem sich Laufschuhe – die von eigenen Laufgruppen intensiv geprüft werden – bewerten ließen. Die von ihm vorgenommene Einteilung und Beurteilung der Schuhe nach funktionellen Kategorien war neu, einzigartig und richtungsweisend. Zuvor musste man sich als Konsument auf die allgemeinen Produktbeschreibungen der Hersteller verlassen, die den konkreten Praxisanforderungen aber selten standhielten. Denn, so äußerte z. B. Franz Czioska, ehemaliger Marketing- und Promotionsmanager bei NIKE, BROOKS und REEBOK, „was ist mit den individuellen Eigenschaften eines Läufers? Ob er/sie Vorfußläufer/in ist, einen Knickfuß hat oder nur auf der Straße läuft, beeinflusst doch gewaltig den Schuhaufbau. […] Niemals hätte er unseren BROOKS BEAST, das Flaggschiff unter den Stabilschuhen, einem leichten schnellen Testläufer gegeben und ihn somit abgewertet. Auch die Bedeutung von Damenlaufschuhen, bei den deutschen Marken noch lange ein unbedeutendes Marktsegment, hat er früh hervorgehoben und damit zu ihrer Verbreitung beigetragen. Und hier geht es nicht nur um die ganz andere Passform. Alle diese von Alexander maßgeblich moderierten Betrachtungsweisen des Produkts Laufschuh waren für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Läufer von großer Bedeutung“ (Czioska, 2012) und vorbildhaft für all die Laufschuhtests, die danach andernorts konzipiert, durchgeführt und publiziert wurden.

Verleihung des Horst-Milde-Award an Prof. Dr. Alexander Weber am 18.09.2021. Von links: Michael Reinsch, Prof. Dr. Detlef Kuhlmann, Prof. Dr. Alexander Weber, Horst Milde, Gerd Steins – Foto: Alexander Weber

Der Laufpreisträger

Am 18.09.2021 wurde Alexander Weber in Berlin der „Horst-Milde-Award“ verliehen, ein Preis, der alle zwei Jahre vom Forum für Sportgeschichte, dem Förderverein für das Sportmuseum Berlin e.V., vergeben wird. Und zwar an Personen, die in besonderer Weise die Laufbewegung in Deutschland mitgeprägt haben. Für innovatives, wegbereitendes und nachhaltiges Wirken, das sich in einem außergewöhnlichen Lebenswerk ausdrückt.

Der Jury gehören neben Horst Milde selbst und Dr. Detlef Kuhlmann, Professor am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover, Gerd Steins, der Präsident des Forums für Sportgeschichte, und Michael Reinsch, Sportredakteur der FAZ, an. Die von ihnen bisher benannten Preisträger waren Werner Sonntag aus Ostfildern (2014), Manfred Steffny aus Erkrath (2016) und Hans-Georg Kremer aus Jena (2018). Mit einer Pandemie-bedingten Verschiebung um ein Jahr kam zuletzt Prof. Dr. Alexander Weber aus Bad Lippspringe hinzu.

Geehrt wurde Weber für die Erforschung, Entwicklung und Verbreitung der Lauftherapie wie auch für die richtungsweisende Konzipierung und Anwendung seiner Tests zur Bewertung von Laufschuhen. Er präsentiert uns das Laufen, wie Kuhlmann es in seiner Laudatio ausdrückte, „als ein starkes Stück Lebenshilfe. Alexander Weber hat einst den Weg freigemacht, um das Laufen neu zu denken und immer wieder für sich selbst neu zu empfinden. […] Wir können das Laufen als eine Lebensschule begreifen!“ Und den Preisträger als einen bis heute wichtigen „Vordenker und Vorläufer in einer Person“. (Kuhlmann, 2021)

„Die Herren Vocalisten“ bei einer Feier am Deutschen Lauftherapiezentrum. (Alexander Weber, 5. von rechts) – Foto: Wolfgang W. Schüler 

Der Sänger

Laufen ist nicht die einzige Körperarbeit, die Alexander Weber leidenschaftlich betreibt; ein weiteres, von ihm sowohl intensiv als auch qualitativ betriebenes Hobby ist das Singen. Bereits in der Zeit seines Studiums Ende der 1950er / Anfang der 1960er Jahre hatte er als Gaststudent in Freiburg Gesangsunterricht bei verschiedenen Lehrer:innen, unter ihnen Margarethe von Winterfeldt (1902-1978), bei der zuvor der später weltberühmte Tenor Fritz Wunderlich seine Gesangsausbildung erhalten hatte.

Weber äußert (2017): „Singen ist, wie Laufen, körperbetont und, neben Veranlagung und Talent, auch eine Sache ständigen Übens. Ansonsten geht eine schon einmal erreichte Stufe des Könnens schnell wieder verloren. Und damit auch eine gewisse Qualität des Erlebens. Das wurde mir sehr bewusst, als ich nach jahrzehntelanger Pause das regelmäßige Singen unter professioneller Anleitung wieder aufnahm. Ich musste, ähnlich dem Laufen nach langer Auszeit, fast von vorn anfangen. Jetzt kann ich feststellen, dass es sich gelohnt hat. Singen lässt, wie Laufen, in bestimmten Situationen Glücksgefühle aufkommen, die einem das Leben verschönern, es bereichern und lebenswerter machen.“

Im Ensemble „Die Herren Vocalisten“ (2004-2018), deren 1. Vorsitzender er war, sang Weber unter der musikalischen Leitung von Siegfried Asmuth im 1. Bass Lieder der Romantik, Barbershop Songs, Evergreens und anderes mehr. Die öffentlichen Auftritte z. T. weit über Bad Lippspringe hinaus, aber auch bei so manchem Festakt im Deutschen Lauftherapiezentrum, waren stimmungsvolle, von reichlich Applaus bedachte Events. Begleitende Übungsstunden bei der Gesangslehrerin und Sängerin Heide Blanke Rösler und ihrem Ehemann, dem Pianisten Prof. Ekkehard Schoeps veranlassten Weber zur Aufnahme zahlreicher Lieder, u.a. von Franz Schubert (Bass – Bariton), die sich auf mehreren CDs wiederfinden.

Der Mann mit dem langen Atem

Auch heute noch, um das 85. Lebensjahr, ist Alexander Weber ein gut beschäftigter, sehr aktiver Mensch, der sich über die vollzogene Entpflichtung von Aufgaben freut, weil sie ihm mehr Zeit für anderes, aber auch für mehr Erholung belässt. Zweifelsohne ließe sich über ihn noch trefflich weiterschreiben: über den Feingeist, den Naturliebhaber und Familienmenschen. Wobei sich die Frage stellt, wer neben Familie und Freunden ihn in all den hier dargelegten Facetten kennt? Antwort: Die durch ihn ausgebildeten Lauftherapeut:innen! In der fachlichen und menschlichen Begegnung mit Alexander Weber am Deutschen Lauftherapiezentrum flossen sie zusammen, wurden sie erkennbar und tragend: die vielfältigen Funktionen und Kompetenzen, wie auch die persönliche Haltung des „Laufprofessors“, die dafür sorgten, dass der Weber’sche Funke auf andere überspringen konnte.

Einige Ausgebildete machten ihm zu seinem 85. Geburtstag ein ganz besonderes Geschenk; sie schrieben und widmeten ihm ein Buch, in dem sie aus ihrer erfolgreichen Praxis als Lauftherapeut:innen berichten. Zu Beginn führen sie mit 18 FAQs (häufig gestellten Fragen) in die Lauftherapie (LT) ein; am Ende werden die LT-Ausbildungsmöglichkeiten aufgezeigt. „Lauftherapeutin, Lauftherapeut – eine Qualifikation für dich?“ (Hildesheim: Arete Verlag) will beides sein: ein großes Dankeschön an den Erfinder der Lauftherapieausbildung Alexander Weber und Werbung für deren Fortbestand als höchste Gesundheitsqualifikation, die im Rahmen einer laufspezifischen Ausbildung erworben werden kann.

 

Geburtstagsgeschenk an Alexander Weber von einigen seiner Ausgebildeten: das Buch „Lauftherapeutin, Lauftherapeut – eine Qualifikation für dich?“ (Hildesheim: Arete Verlag).

Die abschließenden Sätze dieses Beitrags sollen dem Jubilar selbst vorbehalten sein; sie stammen aus seinem autobiografischen Beitrag „Der lange Atem meines Lebens“ (Running forever. Das Geheimnis lebenslangen Laufens. Hildesheim 2017) und unterstreichen, was ihm immer wichtig war – die finale Frage nach der Lebensführung als Lebenskunst: „Gewiss, Fitness ist gerade im höheren Alter vordergründig. Ich spüre, wie sie nachlässt. Der eigentliche Antrieb zu laufen, glaube ich, ist in tieferen Schichten meines Bewusstseins verankert. Haltung bewahren, die äußere wie die innere – das habe ich während meines langen Läuferlebens gelernt – ist mit Üben verbunden. Damit ich mich auch die nächsten Tage und Wochen noch so wahrnehmen kann wie gestern und heute, muss ich ständig in Übung bleiben.

Ansatzpunkt ist der Körper. Ich achte darauf, beim Laufen nicht abzuknicken, mit Kopf und Rumpf aufrecht zu bleiben. Ich spüre, wie mir bei dieser Haltung das Laufen leichter fällt und ich anderes und mehr von meiner Umgebung wahrnehme. Diese Körperhaltung verleiht meinem Laufen Flügel, macht mich weit, groß und öffnet Tore.

Eines meiner Lieblingsgedichte heißt „Mondnacht“, wurde 1837 von Joseph von Eichendorff geschrieben und drei Jahre später von Robert Schumann kongenial vertont. Ein Klavier-Lied der Romantik, das mich wie kaum ein anderes tief berührt.

Die vier Zeilen der dritten Strophe lauten:

,Und meine Seele spannte
weit ihre Flügel aus,
flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.‘“

Wolfgang W. Schüler

Der Verfasser dieses Beitrags Wolfgang W. Schüler ist ein unter Prof. Dr. Alexander Weber ausgebildeter Lauftherapeut.Von 1995 bis 2019 war er Dozent am Deutschen Lauftherapiezentrum (DLZ) in Bad Lippspringe und innerhalb dieser Zeit 16 Jahre Leiter der dortigen Aus- und Weiterbildungskommission sowie ständiger Autor und redaktioneller Mitarbeiter der DLZ-Rundschau. Er vertrat in der Ausbildung den Themenbereich „Lauftherapie mit Kindern und Jugendlichen“. Zu seinem Lebenswerk zählt „Lauftherapie mit Kindern und Jugendlichen. Psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit durch ausdauerndes Laufen. Der Ausbildungs- und Praxisbegleiter“ (Aachen 2014, 432 S.).

author: GRR