Restle-Apel - Positive Dopingprobe - „Ich habe mir die Spritze gegeben und sie weggeworfen“ ©Helmut Winter
Positive Dopingprobe – „Ich habe mir die Spritze gegeben und sie weggeworfen“ – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Simret Restle-Apel, deutsche Meisterin im Halbmarathon, ist suspendiert worden, seit in einer ihrer Doping-Proben Epo nachgewiesen wurde. Die 28 Jahre alte Wiesbadenerin, die aus Eritrea stammt, beklagt sich über die Berichterstattung, auch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, und beteuert ihre Unschuld. Wir nehmen sie beim Wort und veröffentlichen dieses Dokument ihrer Verteidigung.
Sie haben eine positive Doping-Probe abgegeben und auf die Gegenprobe verzichtet. Heißt das, dass Sie einräumen, gedopt zu haben?
Nein. Ich akzeptiere, dass die A-Probe positiv war. Es kann niemand gedopt sein, ist meine Meinung, der kein Dopingmittel eingenommen hat. Deshalb hatte ich erst bestritten, dass ich positiv war.
Was ist passiert?
Ich hatte am 1. Mai eine Kontrolle, und ich habe sie verpasst. Wir waren nach dem Training wandern. Als ich abends nach Hause kam, hatte ich einen Anruf auf meinem Handy. Ich rief zurück, und es war jemand von der Nada gewesen. Ich war schockiert. Als Athlet lebt man immer in der Angst, eine Kontrolle zu verpassen und ein Verfahren zu bekommen.
Wie kam es zu der positiven Probe?
Die war am 2. Mai. Ich habe das Ergebnis akzeptiert, weil ich feststellen muss, dass ich etwas gemacht habe. Natürlich nicht Doping, nicht mit Absicht.
Wie soll Epo in Ihr Blut gelangt sein, ohne dass Sie gedopt haben?
Bis ich den Brief von der Nada bekommen habe, hatte ich geglaubt, Epo sei ein Medikament, das man einnimmt wie jedes andere. Jetzt weiß ich, dass es gespritzt wird.
Sie haben ohne Absicht eine Spritze mit Epo bekommen?
Ich weiß nicht, ob ich darüber sprechen soll: eine Frauensache.
Sie haben Ihre Periode bekommen?
Nein, starke Blutungen. Ich war verzweifelt, auch wegen der verpassten Kontrolle, aber ich habe meinem Mann nichts erzählt. Wir waren bei dieser Verwandten. Da habe ich im Kühlschrank gesehen: Vitamin-Komplex. Fertige Spritzen. Das stand auf der Packung. Sie hatte sie mir früher schon angeboten; sie sagte, sie würden ihr gut tun. Weil ich Sorge hatte, dass ich wegen des Blutverlustes fertig sein würde, habe ich es gemacht.
Sie haben Spritzen im Kühlschrank gefunden und sich selbst eine verabreicht?
Ja. In den Po. Mir ging es richtig schlecht. Ich weiß, ich hätte meinen Mann fragen sollen.
Ihr Mann ist Arzt.
Wenn ich gefragt hätte, hätte er entschieden, dass wir die deutsche Meisterschaft absagen. Die war am Samstag.
Sie sind über 10.000 Meter in 32:41,50 Minuten persönliche Bestzeit gelaufen.
Ich hatte mich so gut vorbereitet. Ich hatte zwar im Februar eine Verletzung, ich war zwar krank im März. Aber immer, wenn mein Mann bei der Arbeit war, habe ich hart trainiert. Deshalb wollte ich die Absage vermeiden.
Haben Sie Ihrer Verwandten gesagt, dass Sie sich eine Spritze aus ihrem Kühlschrank verabreicht haben?
Sie ist eine alte Frau. Sie geht auch bei mir an den Schrank, wenn sie etwas braucht. Wir sind eine Familie, jeder gibt und nimmt. Sie weiß, dass ich Kreislaufprobleme habe. Sie hat mir Ibuprofen gegeben.
Ein Schmerzmittel.
Sie würde alles tun, um mir zu helfen.
Sprechen wir von Ihrer Schwiegermutter, die aus gesundheitlichen Gründen Epo nehmen muss?
Ich kann Ihnen nicht sagen, um wen es sich handelt. Sie ist eine Patientin, die dieses Mittel nimmt. Ich wusste das nicht.
Ist es üblich, dass Sie sich selbst Spritzen verabreichen?
Nein, das hatte ich noch nie gemacht.
Aber an diesem Tag finden Sie Spritzen im Kühlschrank und setzen sich eine, ohne darüber zu sprechen?
Ich weiß, dass das komisch klingt. Sie ist alt und chronisch krank. Sie wird gepflegt, die Pfleger geben ihr Spritzen. Ich wusste nicht, dass sie Epo braucht. Ich wusste nur, dass sie Vitamine nimmt. Für Zucker nimmt sie auch Spritzen.
Warum lagert sie Epo-Spritzen in einer Packung für Vitamine?
Die Packung war fast am Ende. Es war kaum Platz im Kühlschrank. Mein Mann, der sie behandelt, hatte die Spritzen zusammengelegt. Das wusste ich nicht.
War er nicht mit Ihnen bei Ihrer Verwandten?
Er hatte im Keller zu tun. Ich habe mir die Spritze im Badezimmer gegeben und sie weggeworfen. Er hat nichts davon mitgekriegt.
Wann haben Sie Ihrem Mann gesagt, dass Sie sich zum ersten Mal in Ihrem Leben selbst eine Spritze gesetzt haben?
Ich habe den Befund mit der Post bekommen. In dem Brief stand nicht Epo, sondern das lange Wort.
Erythropoietin.
Ich wusste nicht, was das heißt. Ich habe ihn angerufen und gesagt: Ich bin positiv getestet, und ich bin kollabiert. Er fragte nur: Was ist los? Und ich habe gesagt: Ich habe gar nichts gemacht. Dann habe ich ihm das Wort vorgelesen, und er sagte: Das ist Epo. Er hat gefragt, ob ich bei unserer Verwandten etwas gemacht habe. Da wurde uns alles klar.
Erwarten Sie, dass das Schiedsgericht Ihnen diese Geschichte abnimmt?
Egal, was der Richter entscheidet, ich akzeptiere es. Jetzt weiß ich: Ich bin gedopt. Was ich sage, ist die Wahrheit. Ich habe eine Riesendummheit gemacht. Es ist schrecklich. Wenn ich erfahren hätte, was in der Packung war, hätte ich die Kontrolle nicht gemacht. Ich würde lieber zwei Jahre für verpasste Tests gesperrt werden, als mir anhören zu müssen, dass ich eine Doperin bin. Das ist grausam.
Wollen Sie, indem Sie alle Schuld auf sich nehmen, Ihren Mann schützen?
Ich würde alles tun für meinen Mann. Aber meinen Sport liebe ich so sehr, dass ich jeden umbringen würde, der mich gedopt hätte. Sogar ihn.
Die Fragen stellte Michael Reinsch. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Freitag, dem 22. Juni 2012