Die Frage, wann er einmal aufhören wolle mit dem Leistungssport, wird ihm oft gestellt, obwohl er die Kraft eines Modellathleten ausstrahlt. „Der Bewegungsdrang ist immer noch so stark“, sagt Frei, der im Kanton Luzern in einem Rehabilitationszentrum für Frischverletzte arbeitet.
PORTRÄT HEINZ FREI MARATHON-ROLLI: „Es ging gleich am Start los wie der Teufel“ – Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Der Schweizer Rollstuhlfahrer Heinz Frei gewann am Sonntag zum 19. Mal den Berlin-Marathon. Vor dreißig Jahren stürzte er in eine Schlucht und ist seitdem querschnittsgelähmt.
Haile Gebrselassie muss noch lange Marathon laufen, bis er Heinz Frei eingeholt hat. Zum vierten Mal hat der Äthiopier am Sonntag den Berlin-Marathon gewonnen, so oft wie kein anderer Läufer, aber das ist eine überschaubare Leistung im Verhältnis zum Schweizer Rollstuhlfahrer Heinz Frei. Der siegte zum 19. Mal, und wenn er alle Marathonrennen zusammenzählt, bei denen er als Erster durchs Ziel gerollt ist, kommt er auf 105.
In Berlin zeigt der Schweizer regelmäßig, was sich mit Ausdauer alles erreichen lässt. Nachdem er vor dreißig Jahren beim Berglauf in eine Schlucht gestürzt war und seitdem querschnittgelähmt ist, war es auch der Sport, der ihn aus einer Lebenskrise herausholte.
Behindert zu sein und trotzdem eine fast alterslose Leistung zu erreichen, das schafft Frei. Denn inzwischen ist er 51 Jahre alt. „Heinz Frei hat gleich zwei Generationen von Rennrollstuhlfahrern verschlissen“, sagt Reiner Pilz, der beim Berlin-Marathon die Rollstuhlwettbewerbe organisiert.
Über den Rennverlauf am Sonntag erzählt Frei jedoch mit der Begeisterung eines Jungen. „Es ging gleich am Start los wie der Teufel“, sagt er und zählt Attacken und Gegenattacken auf, ehe er sich dann gegen die Konkurrenz durchsetzen konnte. „Es ist vielleicht Routine, immer wieder als Erster im Ziel zu sein, aber das Rennen gegen meine Gegner wird nie zur Routine“, sagt er.
Die Frage, wann er einmal aufhören wolle mit dem Leistungssport, wird ihm oft gestellt, obwohl er die Kraft eines Modellathleten ausstrahlt. „Der Bewegungsdrang ist immer noch so stark“, sagt Frei, der im Kanton Luzern in einem Rehabilitationszentrum für Frischverletzte arbeitet. Eine Karriere hat er im August beendet, die im Stadion auf der Bahn, aber vor wenigen Jahren hat er noch einmal eine neue angefangen, die im Handbike, bei dem die Räder nicht von Hand gedreht werden wie beim Rollstuhl, sondern über eine Kurbel.
Damit hat Frei im vergangenen Jahr in Peking bei den Paralympics zwei Goldmedaillen gewonnen und ist in diesem Monat Weltmeister geworden. „Am Rollstuhlsport hängt mein Herz, das Handbike ist meine Altersvorsorge“, sagt er.
„Da kann ich in relativ bequemer Sitzposition bei mir in der Schweiz die Berge hochfahren und die Natur genießen.“
Friedhard Teuffel im Tagesspiegel, Montag, dem 21. September 2009