An einem Montag im Berliner Tiergarten: Dirk läuft auch gerne mal solo! ©JoAnna Zybon
Porträt Dirk Borgert – Serienkönig Berlinhamburg – JoAnna Zybon in SPIRIDON
In seinen besten Jahren hatte Borgert 30 bis 50 Frauen. Polygamie? Nein! Dirk Borgert betreut seit 15 Jahren eine Frauenlaufgruppe, die sich jeden Samstag um 17 Uhr im Berliner Tiergarten trifft.
Auch wenn heute nicht mehr ganz so viele Frauen hinter ihm her rennen wie früher, der Treffpunkt an der John-Foster-Dulles Allee in der Nähe der „Schwangeren Auster“ ist in all den Jahren gleich geblieben.
Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter halten die Mädels Dirk die Treue. Am allertreuesten sind sie im Frühling, wenn der Frauenlauf vor der Tür steht. Für Dirk ist sein samstägliches Rendezvous aber nicht nur eine ganzjährige Konstante, sondern auch eine Ehrensache, denn er hat noch nie Geld für diese Tätigkeit erhalten.
Die Teilnahme an der Frauenlaufgruppe ist seit ihrem Bestehen 1999 kostenlos.
Damals hatte Horst Milde – Vater des Berlin-Marathon und des Berliner Frauenlaufs – die Idee, den Frauen sechs Wochen vor ihrem großen Tag ein kostenloses Training anzubieten. Die Ausführung übernahmen Dirk Borgert und Dr. Detlev Kuhlmann.
Leider funktionierte die Idee zu gut, so dass nach den geplanten sechs Wochen die Aufgabe nicht beendet war: Die Frauen wollten weiterlaufen. So wurden aus sechs Wochen
Vorbereitung auf „Avon“ schon 780 Wochen weiblicher Dauerlauf. Heute leitet Dirk die
Gruppe alleine, die Anzahl der Teilnehmerinnen ist meist einstellig.
Kontinuität und Treue beweist Dirk auch als doppelter Serientäter in Berlin und Hamburg. Seit ein Statistiker in Hamburg ihn vor fünf Jahren über die marathonistische Addition informiert hat, ist Dirk stolz auf sein Alleinstellungsmerkmal. „Ich bin nie ausgestiegen, nie krank an den Start gegangen“, sagt er heute.
Gesund war er aber auch nicht immer: Zwei Schlaganfälle und Herzrhythmusstö-rungen hat er hinter sich, wurde zunächst mit Macromar behandelt, dann mit Xarelto. Die bitterste Pille war und ist jedoch die Einsicht, dass auch Marathonläufer nicht vor kardiovaskulären Problemen gefeilt sind.
Und dennoch: „Das Laufen ist für mich der Beweis, das alles durchgestanden zu haben.“
Der Anfang war undramatisch. Am 17. Januar 1983 begann seine Laufbiographie mit dem Anruf eines Freundes: „Pass mal uff, ich laufe heute 5 km, ich hole dich ab und du kommst mit!“ Dirk, der seit der Schulzeit nicht mehr gelaufen war, ließ sich überreden. Gleich nach dem ersten Lauferlebnis meldete er sich – obzwar noch erschöpft von der ungewohnten Belastung – für die „25 km de Berlin“ an.
„Ich trainierte fortan allein. Den 25er beendete ich nach 2:16 h mit blutigen Brustwarzen. Ich hatte mich wahnsinnig angestrengt, konnte tagelang nicht gehen.“ Der nächste logische Schritt? – Die Anmeldung zum Berlin-Marathon. Nach einem eher unstrukturierten Training und 20 km als längsten Vorbereitungslauf absolvierte Dirk seinen ersten Marathon 1983 in 3:16 h. Seitdem hat er nie einen Berlin-Marathon ausgelassen.
Seine berufliche Biographie hingegen ist nicht so geradlinig. In seinem studierten Beruf hat Dirk nie gearbeitet. Er war Weinhändler, Komparse beim Film und Theater, Trainer von Betriebssportgruppen und Promoter für verschiedene Sportartikelhersteller. Sein Faible für Wein pfl egt er auch heute noch, hat in seiner Garage 1.000 Weine gelagert.
„Als Läufer wird man anspruchsvoller in Bezug aufs Essen“, meint er – und stellt zum Beispiel seine Nudeln selber her. Was gibt ihm das Laufen sonst? –„Heute laufe ich an vier bis fünf Tagen pro Woche“, berichtet Dirk, „aber kein Schnelligkeitstraining, sondern meist im Siebener-Schnitt oder noch langsamer. An den Lauftagen bin ich aufgeweckter, freudvoller, kann mit Freude kochen und lesen. Drei lauffreie Tage hintereinander bewirken, dass ich mich schlecht fühle.“
Dazu wird es vermutlich vorerst nicht kommen, denn nun steht wieder der Hamburg Marathon bevor. Und anlässlich des 30. Jubiläums erhält Dirk Borgert – wie 26 weitere treue Finisher – einen kostenlosen Startplatz. Lebenslänglich!
Steckbrief Dirk Borgert:
* 30.5.1945 in Bad Oeynhausen
Ledig – Körpergröße: 1,82 m – Gewicht: 71 kg
Seit 1966 in Berlin lebend
1966-1976 Jura-Studium an der FU
Seit 1999 Übungsleiter für diverse Trainings- und Betriebssportgruppen (u. a. SCC Berlin, OSC Berlin und LG Süd Berlin), seit 2001 C-Trainer-Lizenz (BLV Leichtathletik/Schwimmen)
Ca. 100 Marathons absolviert (u.a. Frankfurt, Boston, New York, Nürnberg, Wien, Etappenlauf Wien-Budapest, Swiss Alpine, Teammarathon im Plänterwald)
PB 2:50:45 h (1990 in Berlin)
Hobbys: Kochen, Lesen, Wein
JoAnna Zybon in SPIRIDON – Februar 2015
Berliner Laufmasche
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