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25
04
2011

Und er mahnt zugleich: „Die Träger des Sports, und zwar alle seine Träger, müssen sich durch Bildung und Aufklärung, durch Besonnenheit und Gelassenheit immunisieren gegen Versuchungen von innen und Versuche von außen, den Sport für außersportliche Zwecke zu instrumentalisieren“.

Politik im Sport – „Sportpolitik als wissenschaftliche Entwicklungsregion“ – Dokumentationsband zur gleichnamigen Tagung erschienen – Die Buchrezension von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

By GRR 0
Sport und Politik gehören irgendwie zusammen. Wie kann diese Beziehung sinnvoll und verlässlich, transparent und verantwortungsvoll gestaltet werden? Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht leicht, denn Versuchungen der wechselseitigen Vereinnahmung lauern allemal – ganz abgesehen davon, dass Diskurse zwischen praktischer Sportpolitik und einer Politikwissenschaft des Sports hierzulande nicht sonderlich ausgeprägt sind.
 
Das erklärt auch den Titel des Symposiums „Sportpolitik als wissenschaftliche Entwicklungsregion“, das im Juni 2009 am Institut für Sportwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen stattfand und dessen Vorträge jetzt in gedruckter Form als Dokumentationsband vorliegen.

Schon im Vorwort beklagen die beiden Herausgeber, für die die Tagung gleichsam der Abschied ihrer beruflichen Karriere bedeutete, das Defizit der politikwissenschaftlichen Zuwendung zum Sport, aber auch die Ressentiments der Institutionen des Sports gegenüber der Politikwissenschaft des Sports – konstruktiv gewendet heißt das: „Die sportpolitischen Institutionen sind gehalten, sich Klarheit über ihren eigenen Beratungsbedarf zu verschaffen, sich für entsprechende Beratung zu öffnen durch Beseitigung von den bisher entgegenstehenden Barrieren und von der Wissenschaft offensiv qualifizierte Beratungsleistungen einzufordern. Und die Sportwissenschaft ist gehalten, ihre bisherige Insuffizienz gegenüber solchen wissenschaftlich qualifizierten Beratungsleistungen zu überwinden“.

Der Sammelband enthält insgesamt elf Aufsätze von Referentinnen und Referenten, von denen die meisten neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit noch ein „Spielbein“ als Entscheidungsträger in Sportverbänden bzw. in der öffentlichen Sportverwaltung haben bzw. einmal hatten. So beleuchtet beispielsweise Prof. Eike Emrich als hauptberuflicher Sportökonom bzw. Sportsoziologe an der Universität des Saarlandes und ehrenamtlicher Ex-Vizepräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes kritisch: „Das Verhältnis zwischen demokratischem Staat und Sportverband – aufgezeigt am Beispiel der subsidiären Spitzensportfinanzierung“. Im Kern geht es dabei um die nicht unproblematische Ressourcenverteilung im Austausch von Leistungen, die die Sportabteilung des Bundesministeriums des Innern in Berlin auf der einen und der Geschäftsbereich Leistungssport des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) in Frankfurt auf der anderen Seite zu bewerkstelligen haben.

Im Beitrag von Dr. Karin Fehres, der Direktorin für den Bereich Sportentwicklung im DOSB, wird „Der Deutsche Olympische Sportbund als sportpolitische Brücke zwischen Sportverbänden und Staat“ (so der Titel) beschrieben: „Die Lobbyarbeit in Berlin, Brüssel und in Richtung IOC legt die Fundamente der politischen Kommunikation des DOSB, durch den die Aktivitäten und Leistungen des organisierten Sports in Deutschland sichtbar gemacht werden“, heißt es an einer Stelle im Beitrag. Im innerbetrieblichen Tagesgeschäft wird diese Brückenfunktion vom Geschäftsbereich Sportentwicklung wahrgenommen und konkretisiert sich hier in den Ressorts Breitensport/Sportentwicklung, Bildung und Olympische Erziehung sowie Frauen und Gleichstellung.

Das Einleitungsreferat zum Göttinger Symposium hat Dr. Sven Güldenpfennig gehalten, der auch von 1995 bis 2002 Leiter des Deutschen Olympischen Instituts in Berlin war. Er empfiehlt am Ende, politische Entscheidungen auf der Basis wissenschaftlicher Politikberatung „besser und glaubwürdiger in der Öffentlichkeit zu kommunizieren“.

 
Und er mahnt zugleich: „Die Träger des Sports, und zwar alle seine Träger, müssen sich durch Bildung und Aufklärung, durch Besonnenheit und Gelassenheit immunisieren gegen Versuchungen von innen und Versuche von außen, den Sport für außersportliche Zwecke zu instrumentalisieren“.

Die Themen bzw. Titel der weiteren Referate im Band lauten: „Sport und Identität in Deutschland seit der Wiedervereinigung“ (Prof. Arnd Krüger); „Sport im Prozess der deutschen Vereinigung“ (Privat-Dozent Dr. Wolfgang Buss); „Historische und politische Aspekte von Sport und Zuwanderung“ (Prof. Diethelm Blecking); „Asiatische Reiter und Kameruns Kicker“ (Dr. Rolf Husmann); „Sportpolitische Macht der Medien?“ (Dr. Wilfried Scharf); „Die Ressourcen des Sports und ihre Bedeutung für Sportpolitiknetzwerke“ (Dr. Michael Groll); „Sportpolitischer Einfluss ökonomischer Mächte?“ (Prof. Holger Preuss & Christian Alfs); „Sportpolitik als wissenschaftliche Entwicklungsregion?“ (Dr. Margret Beck).

Wolfgang Buss & Sven Güldenpfennig (Hg.): Politik im Sport. Hildesheim 2010: arete Verlag. 197 S.; 19,95 €

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

 

Politik im Sport

Buss/Güldenpfennig, Politik im Sport
Großbildansicht

Wolfgang Buss/Sven Güldenpfennig (Hg.)

Politik im Sport
Dokumentation des Symposiums "Sportpolitik als wissenschaftliche Entwicklungsregion"
am 18./19. Juni 2009 in Göttingen

198 S., kt.
ISBN 978-3-942468-00-8
19,95 EUR inkl. MwSt.

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung zum Verhältnis von Politik und Sport hat in Deutschland bislang erst in Ansätzen stattgefunden. Um diesem Missstand abzuhelfen und zugleich einen stärkeren Austausch zwischen Sportwissenschaft und Sportpolitik vorzubereiten, trafen sich im Juni 2009 in Göttingen zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Dieser Band dokumentiert elf Referate, in denen die Politik im Sport aus historischer, soziologischer, politologischer, ökonomischer, ethnologischer und publizistischer Sicht analysiert wird.

arete Verlag

author: GRR

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