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20
11
2008

Wenn Paul Kipsiele Koech in Sotik trainiert, schließen sich ihm bis zu 20 Athleten aus der Gegend an. „Obwohl dies keine starken internationalen Läufer sind, ist es eine gute Gruppe. Ich kann mit ihnen sehr gut trainieren

Paul Kipsiele Koech – Jörg Wenig berichtet – Hindernisse auf dem Weg zu Gold – Er will bei der WM in Berlin 2009 seinen ersten grossen Titel gewinnen

By GRR 0

Sechsmal ist Paul Kipsiele Koech in diesem Jahr über 3.000-m-Hindernis gelaufen. Nur einmal war er am Ende nicht der Sieger. Doch diese eine Niederlage war eine mit Folgen. Denn der dominierende Hindernisläufer dieses Jahres verpasste bei den kenianischen Olympia-Trials das Ticket nach Peking. Als Vierter wurde Paul Kipsiele Koech für die Olympischen Spiele nicht nominiert – da half alle Dominanz in den Rennen vor und nach dem Qualifikationslauf von Nairobi nichts.

Doch inzwischen schaut der Kenianer optimistisch auf das nächste Jahr: Bei den Weltmeisterschaften in Berlin will der inzwischen 27-Jährige seinen ersten großen globalen Titel gewinnen.

In Deutschland hat er zuletzt in Stuttgart gute Erfahrungen gemacht. Beim World Athletics Final (WAF) gewann Paul Kipsiele Koech das Hindernisrennen trotz der starken Konkurrenz aus dem eigenen Land bereits zum vierten Mal in Folge. Dabei dominierte er im September das Rennen von der Spitze weg und war in 8:05,35 Minuten knapp zehn Sekunden vor seinem Landsmann Ezekiel Kemboi im Ziel.

Stuttgart war sein letztes Rennen über die Hindernisse in dieser Saison. Und eigentlich wollte Paul Kipsiele Koech eine weitere Serie fortsetzen. Denn nachdem er 2004 zum ersten Mal die Acht-Minuten-Barriere unterboten hatte, schaffte er dies auch in den drei folgenden Jahren – doch in dieser Saison scheiterte er daran knapp.

„Ich wollte es in Stuttgart versuchen und war dafür vorbereitet. Aber es war ungewöhnlich kühl und es ist schwierig, eine solche Zeit ohne Tempomacher zu erreichen“, sagt Paul Kipsiele Koech, der in Heusden (Belgien) früher in der Saison etwas Pech hatte, als er nach 8:00,57 Minuten ganz knapp an seinem Zeitziel vorbeigelaufen war. Mit diesem Ergebnis blieb der Kenianer aber der Jahresweltbeste. „Ich hatte in dieser Saison bei verschiedenen Rennen kein Glück mit dem Wetter. So hatte es in Heusden als auch beim Golden League-Meeting in Brüssel geregnet“, erklärt Paul Kipsiele Koech, der mit seiner drei Jahre alten Bestzeit von 7:56,37 Minuten der fünftschnellste Hindernisläufer aller Zeiten ist.

„Natürlich bin ich immer noch enttäuscht, wenn ich an die verpasste Olympia-Qualifikation denke, aber jetzt will ich unbedingt im nächsten Jahr ganz vorne sein. Es ist mein großes Ziel, endlich einen ganz großen Titel zu gewinnen. Ich hoffe, dass mir das bei den Weltmeisterschaften in Berlin gelingt“, sagt der Olympia-Dritte von 2004, der bei den Afrika-Meisterschaften 2006 Gold gewonnen hatte. In Berlin könnte ihm dabei allerdings ein anderer, ehemaliger Kenianer im Weg stehen: Saif Saaeed Shaheen. Der Hindernis-Weltrekordler (7:53,63 Minuten), der seit 2003 für Katar startet, hatte verletzungsbedingt auf die Olympia-Saison verzichten müssen.

Doch vor einem möglichen Duell gegen Saif Saaeed Shaheen hat Paul Kipsiele Koech keine Angst. „Ich hoffe, dass er im nächsten Jahr wieder dabei sein wird, denn ich möchte gegen ihn rennen“, sagt Koech, der auf die Frage, ob er den lange Zeit dominierenden Shaheen schlagen könnte, antwortet: „Das wird davon abhängen, wie mein Training für das nächste Jahr läuft. Aber im Prinzip ja, denn jeder ist schlagbar.“

Das zweite große Ziel neben dem WM-Gold in Berlin ist eine Zeit unter acht Minuten. „Ich möchte schneller laufen als in diesem Jahr und will möglichst den Weltrekord angreifen“, erklärt Paul Kipsiele Koech, der in dem Dorf Sotik im südlichen Bereich des kenianischen Great Rift Valley aufgewachsen ist. Dort lebt Koech, der sieben Brüder hat und das jüngste Kind einer Farmer-Familie ist, heute noch. Im Gegensatz zu vielen kenianischen Weltklasseläufern brauchte er als Kind nicht zur Schule zu rennen. „Meine Schule war ganz in der Nähe. Ich habe auf der Grundschule mit dem Laufen begonnen und es war dann mehr oder weniger eine natürliche Entwicklung, die mich zum Hindernislauf brachte“, erzählt Paul Kipsiele Koech, der als Jugendlicher keine Vorbilder hatte.

Heute ist er selbst allerdings ein Idol vieler Kinder in Sotik und der dortigen Umgebung. Denn Koech ist in diesem Gebiet der einzige international erfolgreiche Läufer. „Viele junge Athleten schauen zu mir und ich versuche sie zu inspirieren und ihnen zu helfen. Ich spreche regelmäßig mit Kindern aus meiner Heimat und ermutige sie dazu, zu laufen und auch zur Schule zu gehen“, erzählt der Kenianer, der für zehn Kinder das Schulgeld übernommen hat.

Wenn Paul Kipsiele Koech in Sotik trainiert, schließen sich ihm bis zu 20 Athleten aus der Gegend an. „Obwohl dies keine starken internationalen Läufer sind, ist es eine gute Gruppe. Ich kann mit ihnen sehr gut trainieren“, antwortet Koech auf die Frage, ob er gerne stärkere Trainingspartner hätte. Der zurzeit schnellste Hindernisläufer der Welt kümmert sich in Sotik auch um einige junge Talente. Und er hat inzwischen auch als Trainer erste internationale Erfolge: Zu seiner Gruppe gehört Jackline Chebii. Die 15-Jährige hat eine 3.000-m-Bestzeit von 9:04,4 Minuten und qualifizierte sich in diesem Jahr für die Junioren-Weltmeisterschaften. In Bydgoszcz (Polen) wurde sie Fünfte, nachdem sie zuvor auch bei den Cross-Weltmeisterschaften in Edinburgh im März gestartet war. Hier hatte Jackline Chebii im Juniorenrennen Platz sechs belegt.

Gut möglich, dass Paul Kipsiele Koech bald nicht mehr der einzige Weltklasseläufer in seinem Wohnort ist.

Jörg Wenig

author: GRR

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