Grandioses Läuferfest mit 1600 Läufern und Tausende von Zuschauern beim Citylauf-Klassiker in der Darmstädter Innenstadt
Paul Kipkorir und Yelena Zadorozhnaya krönen den 34. Darmstädter Stadtlauf „Cup da Franco“ – Ludwig Reiser berichtet
Das Wetter passt – das scheint ein ungeschriebenes Gesetz beim Darmstädter Stadtlauf zu sein. Dabei kann es rundherum stürmen und regnen, die südhessische Metropole bleibt scheinbar von derartigen Wetterkapriolen zum Sommeranfang stets verschont, denn es ist Stadtlauf-Zeit.
So auch bei der 34. Auflage des zweitältesten deutschen Citylaufes, die einmal mehr Läufer und Zuschauer gleichermaßen elektrisierte. Der Run auf die Startnummern unter den Kurzentschlossenen nahm dabei kein Ende, so dass schlussendlich mit 1630 Anmeldungen eine mehr als bemerkenswerte Zahl für ein Laufevent über fünf Kilometer, kürzeren Distanzen bei den Kindern und Jugendlichen bis 15 Jahren oder etwas längeren Strecken für die internationalen Laufasse zusammen gekommen waren.
Für ein Glanzstück besonderer Güte sorgte dabei die Russin Yelena Zadorozhnaya. Die 5000 m-Olympia- und WM-Vierten stürmte in einer atemberaubenden Weise vom Start weg an die Spitze des „Wilhelminen Grand-Prix" über 5 500 m und ließ den sieggewohnten Afrikanerinnen nicht den Hauch einer Chance.
Dabei hätte die 34jährige allen Grund gehabt, das Rennen taktisch geschickt von der zweiten Reihe aus zu kontrollieren. Schließlich war Yelena Zadorozhnaya am Sonntag bei den Team-Europameisterschaften in Stockholm noch im Einsatz, holte als 5000 m-Zweite in 15:28,65 Minuten hinter Dolores Checa (Spanien) und vor unter anderem Sabrina Mockenhaupt wertvolle Punkte für ihr Team, wurde nach ihrer Landung am Dienstag in Hannover stundenlang von eifrigen Zollbeamten durchsucht, bevor sie mit ihrem Manager Volker Wagner die Autofahrt nach Darmstadt starten konnte. „Es war sehr, sehr eng", bekannte der routinierte Manager nach dem Husarenstück von Darmstadt.
Doch die russische Weltklasseathletin mit exzellenten Bestzeiten wie 3:59:94 (1500 m), 8:25:40 (3000 m), 14:40,47 (5000 m) und 9:32:41 (3000 mH) ließ sich bei ihrer kämpferisch starken Vorstellung nicht mehr „die Butter vom Brot nehmen" – und gewann in exzellenten 17:58,1 Minuten. Yelena sorgte nach der Polin Grazyna Syrek (2005) und der Ungarin Anikó Kalovics (2007) für den dritten Sieg einer Europäerin in den letzten 15 Jahren der Stadtlauf-Geschichte und blieb nur 13 Sekunden über dem seit 2009 von Leah Malot gehaltenen Streckenrekord.
So sehr sich auch Monica Jepkoech (Kenia) in der Verfolgung auch abmühte, näher als 30 Meter kam sie an die russische Topathletin nicht heran, rettete aber in dem reizvollen Duell Europa gegen Kenia gerade noch Rang zwei in 18:13,5 gegen die heranstürmende Russischische Mainz-Marathon-Siegerin Tatjana Vilisova (18:14,6). Alena Serdiuk (Ukraine) holte in diesem Klasserennen Rang vier gegen die hoch gehandelten Kenianerinnen Gladys Kiprotich und Maryanne Wangari Wanjiru. „Das reizvolle Duell Europa gegen Kenia belebte den Wilhelminen Grand-Prix, sodass die Zuschauer vollends auf ihre Kosten kamen.
Für uns als Veranstalter ist natürlich der Start einer Weltklasseathletin wie Yelene Zadorozhnaya ein absoluter Glückstreffer", freute sich Stadtlauf-Chef Wilfried Raatz über diesen Coup.
Aber damit nicht genug an Dramatik: In dem (drei Minuten nach den Frauen) als Verfolgungsrennen gestarteten Elitelauf der Männer sorgte erst eine 2:48er Schlussrunde für die 1050 m lange Strecke für die Entscheidung zugunsten von Paul Kipkorir gegen seine kenianischen Landsleute Pius Maiyo Kirop und Patrick Kimeli, dem Sieger des Darmstädter Stadtlaufes 2009.
Der Vierte des Berliner Halbmarathons in 1:01:11 überraschte auf der „Sprintstrecke" in der Darmstädter Fußgängerzone mit einem exzellenten Finish und zeigte sich begeistert von der Atmosphäre beim Stadtlauf-Klassiker. „Es war ein klasse Rennen, spannend bis zu Ende. Die Strecke ist allerdings durch die Treppenpassage sehr tückisch, aber hat Charakter!"
Doch nicht nur die beiden Läufe der internationalen Cracks begeisterten, sondern vielmehr waren es die Starts des Nachwuchses wie auch die der Freizeit- und Hobbyläufer aller Alterklassen und Leistungsvermögen, die die Stadtlaufgemeinde sehen will. Es sind die Freunde und Bekannten, die für die nötige Stimmung im Verbund mit den Musikbands entlang der Strecke sorgen.
Da war die Berglauf-Spezialistin und Vorjahressiegerin Kerstin Straub vom SSC Hanau-Rodenbach, die gegen die Triathletin Franziska Schömbs und die beiden ASC-Läuferinnen Alexandra Behrens und Sylvie Müller einem eindrucksvollen Sieg entgegenlief, da war der Offenbacher Björn Kuttlich bei seinem Sieg („Endlich hat es in Darmstadt einmal geklappt!") gegen den Pfungstädter Jürgen Zehnder und den erst 16jährigen hochtalentierten Alexander Cappel oder bei den Masters-Läufern der 46jährige deutsche 10.000 m-Meister Markus Riefer (SSC Hanau-Rodenbach) gegen den Darmstädter Lokalmatador Michael Obst und den Rüsselsheimer Uwe Bernd – sie alle waren lediglich die Spitze eines Laufspektakels für Freizeit- und Breitensportler. „Einfach genial", kommentierte Herbert Siefert, ein Diplom-Ingenieur aus dem Odenwald, der alle (!) 34 Auflagen des Stadtlaufes mitgemacht hat, die Stimmung bei dem deutschen Laufklassiker.
Christina Kiffe, derzeit Nummer drei der U 20-Siebenkampf-Weltrangliste und Eigengewächs des ASC Darmstadt, fungierte bei den insgesamt drei Kinder- und Jugendläufen als Starterin und zeigte sich ebenso begeistert wie die 10.000 Zuschauer entlang der Strecke über den Laufelan der Drei- bis Fünfzehnjährigen. „Leichtathletik und hier speziell das Laufen ist populär in Darmstadt", mit dieser Einschätzung geht Dr. Dierk Molter, langjähriger Vereinsvorsitzender des ASC Darmstadt und derzeit Schuldezernent der Wissenschaftsstadt Darmstadt, konform mit den vielen Stadtlauffans entlang des engen Stadtlaufparcours. „Es ist zu wünschen, dass hoffentlich sehr viele dabei bleiben. Deshalb muss ich mich bei den Trainern und Lehrern für ihren Einsatz ausdrücklich bedanken. Denn das ist in der heutigen Zeit leider nicht mehr selbstverständlich!"
Gleichgültig, ob Daniel, Clemens, Rico, Jonas, Lukas oder Konstantin, ob Emily, Marie, Finja, Celine, Kathrin oder Maren oder Linda, sie hatten allesamt ihren Spaß beim barrierefreien Rennen quer durch die Einkaufspassagen der Innenstadt.
„Wenn man diese Begeisterung sieht, dann sind alle Mühen der letzten Stunden, Tage und Wochen vergessen", ist Stadtlauf-Chef Wilfried Raatz rundherum zufrieden mit der 34. Auflage des Darmstädter Stadtlaufes, der als „Cup da Franco" 1978 von den italienischen Restaurant-Besitzern Franco und Lucciano Zucchetto und einigen Läufern des ASC Darmstadt ins Leben gerufen wurde.
Ludwig Reiser
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