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2008

Sir Philip Craven, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, ging in seiner Rede sogar noch weiter: „Die Spiele in China haben die öffentliche Wahrnehmung des Behinderten-Leistungssports von einer Sekunde auf die andere verändert.“

Paralympics-Gala – Auf dem Weg nach vorn – Der Behindertensport gewinnt an Bedeutung – das zeigte sich auch bei der Paralympics-Gala in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeichnete dort die Sportler des Jahres aus. Annette Kögel im Tagesspiegel

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Als Kirsten Bruhn sich aus ihrem Rollstuhl erhob, wurde es still im Publikum. Mit schwarzem Hut, schwarzer Kleidung und schwarzen Krücken bahnte sich die vierfache Paralympics-Medaillengewinnerin von Peking am Dienstagabend den Weg auf die Bühne. Als sie dort angekommen war und von Bundeskanzlerin Angela Merkel als „Behindertensportlerin des Jahres“ geehrt worden war, stellte Bruhn fest: „Diese Auszeichnung ist es wert, dass ich hier hochgeorgelt bin.“

Ihren großen Auftritt beim Festabend des Paralympischen Sports in Berlin wollte sich die querschnittgelähmte Schwimmerin nicht nehmen lassen. In einer Internetwahl hatte sie bei den Frauen die meisten Stimmen bekommen, bei den Männern wurde der armamputierte Radsportler Wolfgang Sacher ausgezeichnet. Zur besten Mannschaft wurden die deutschen Rollstuhl-Basketballerinnen gewählt, die in Peking die Silbermedaille gewannen.

Noch vor einigen Jahren galten die Paralympics als "Freakshow"

Zur „Nacht der Stars“ waren nicht nur Sportler, sondern auch viele Prominente gekommen – die Wahrnehmung des paralympischen Sports hat sich gewandelt. Noch vor wenigen Jahren wurden die Paralympics von vielen als „Freakshow“ belächelt. Doch seit Sportler wie der deutsche Leichtathlet Heinrich Popow das Image prägen und Sponsoren paralympische Sportler gewinnbringend in der Werbung einsetzen, besitzen die Spiele einen anderen Stellenwert. Längst gibt es Menschen, die Topleistungen von Athleten mit Amputationen, Prothesen oder ohne Sehvermögen sogar höher einschätzen als von Olympioniken, die nur gegen den Gegner kämpfen und nicht auch noch mit sich selbst. Hinzu kommt: Die meisten Paralympioniken sind keine Profis, sondern voll berufstätig – sie betreiben Leistungssport vor und nach Feierabend.

Oscar Pistorius möchte 2009 beim Istaf antreten

Die alten Grenzen des Sports verschwinden nach und nach. Im Wettkampf ist der beinamputierte Michael Milton aus Australien beim Speedskiing nur wenige Kilometer pro Stunde langsamer als die zweibeinige Konkurrenz. Im Trainingsalltag geht die Speerwerferin Steffi Nerius zusammen mit dem kleinwüchsigen Kugelstoßer Mathias Mester auf den Platz, Prothesenläufer Heinrich Popow schwitzt mit Olympia-Sportlern. Und die beinamputierte südafrikanische Schwimmerin Natalie du Toit, wegen ihrer durchtrainierten Erscheinung auch „das Tier“ genannt, bewies in Peking bei den Olympischen Spielen, dass sie mit der Weltspitze mithalten kann.

Ihr Landsmann Oscar Pistorius wird ebenso gefeiert, und Olympia-Sportjournalisten sind verzückt ob seines Laufstils auf den beiden Prothesenbeinen. Im kommenden Jahr will der Sprinter in Berlin beim Istaf und der Leichtathletik-Weltmeisterschaft antreten.

Barcelona, Sydney, Athen, Turin – das waren Stationen auf dem Weg für die einstigen „Versehrtenspiele“ an die Spitze des Sports. Die diesjährigen Spiele in Peking haben die Medien in Deutschland und im Ausland begleitet wie noch nie, im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen wurde aus China zehnmal mehr berichtet als von den Paralympics vier Jahre zuvor in Athen. „Das sagt auch etwas über unsere Gesellschaft aus“, sagte Bundeskanzlerin Merkel am Dienstagabend. „Und darüber, wie wir mit Behinderten umgehen.“

Sir Philip Craven, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, ging in seiner Rede sogar noch weiter: „Die Spiele in China haben die öffentliche Wahrnehmung des Behinderten-Leistungssports von einer Sekunde auf die andere verändert.“

Mit der Aufmerksamkeit steigen auch die Ansprüche. Angela Merkel betonte zwar, Medaillen seien nicht alles. Ein bisschen Ansporn wollte sie den Sportlern dann aber doch mit auf den Weg geben: „Wir sind jetzt verwöhnt – sie wissen hoffentlich schon, dass sie jetzt weiter Höchstleistungen bringen müssen.“

Annette Kögel im Tagesspiegel. Mittwoch, dem 12. November 2008

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