The altar of the Kaiser Wilhelm Memorial Church in Berlin - Photo: Horst Milde
Osterpredigt 2022 … Auf(er)stehen für den Frieden – Von den marathonlaufenden Pfarrern Peter Burkowski und Lars Charbonnier
Peter Burkowski: Am 3. April 2022 bin ich in Berlin den Halbmarathon gelaufen. Es war kalt. Aber es war auch schön, nach zwei Jahren wieder einmal dabei zu sein. Läuferinnen und Läufer aus 121 Nationen waren gemeinsam unterwegs auf dem Berliner Rundkurs. Nur wenige Teilnehmende werden bemerkt haben, dass die Strecke voller Weltgeschichte im Blick auf Krieg und Frieden steckt: die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche mit der Ruine und der Stalingrad-Madonna , das Gelände der Topografie des Terrors mit den Resten der Berliner Mauer, Checkpoint Charlie, das sowjetische Ehrenmal am Zieleinlauf…
Erst vor zwei Wochen haben wir hier zum Sound of peace-Konzert gestanden. Und da war wieder diese besondere Stimmung, die Sehnsucht nach einem Leben ohne Krieg, die Suche nach Antworten. Wir laufen miteinander und nicht gegeneinander. Wir wollen gemeinsam und friedlich laufen, weil wir gemeinsam und friedlich miteinander leben wollen.
Potsdamer Platz: Rest der Berliner Mauer mit Friedensbotschaft 2022 – Foto: Peter Burkowski
Lars Charbonnier:
Unsere Passionszeit in diesem Jahr könnte leidvoller nicht sein. Wobei es ja immer und an so vielen Orten kriegerische Auseinandersetzungen gab und gibt – nur nicht so dicht dran und so offensichtlich martialisch in den Rollen von Aggressor und Kriegstreiber wie jetzt. Was sagt das aus über uns Menschen? Wie brüchig sind unsere guten Vorsätze und eingeübten Ordnungen plötzlich – und auch wenn einer verantwortlich sein mag, es tun doch so viele mit. Gerade für uns Deutsche nichts Neues, leider … und wir dachten, so etwas könnte es nicht mehr geben! Nicht nur der Krieg macht diese Wochen zu einer Leidenszeit – auch die Passionszeit erschließt sich mir angesichts dieser Entwicklungen noch einmal neu: Sie hält die Mahnung aufrecht, zu was wir Menschen auch in der Lage sein können.
Peter Burkowski:
Gestern schon die Meldungen und heute die Zeitung mit grauenhaften Nachrichten von gezielten Tötungen von Zivilisten in Butcha und weiteren unglaublichen Zerstörungen. Ich kann kaum glauben, was ich da sehe und lese. Ja, das tun Menschen Menschen an. Solch ein brutaler Angriffskrieg erschüttert nicht nur Europa, sondern weltweit die Vorstellung von und Mühen um eine Welt, in der Menschen friedlich zusammenleben, einander besuchen, kennenlernen, miteinander Handel treiben, voneinander lernen – und weltweit durch den Laufsport verbunden sind.
Die Bilder aus Butcha und Mariupol erinnern mich an die Bilder europäischer Städte nach 1945. Sie erinnern mich daran, dass mein Vater und Großvater Soldaten waren. Wir – die nächsten Generationen – haben gelernt, dass tiefsitzende Feindbilder, uralte Vorurteile, Rassismus oder die Suche nach vermeintlich Schuldigen überwunden werden müssen. Es gibt unzählige Friedens- und Versöhnungsprojekte, internationaler Austausch ist Normalität. Es gehört für junge Menschen heute zu ihrem Leben dazu, die Welt und fremde Kulturen kennen zu lernen.
Lars Charbonnier:
Und zugleich müssen wir wohl einsehen, dass das Reisen allein noch keine Garantie dafür ist, wirklich Verständnis für andere Menschen und ihre Kulturen zu entwickeln. Wirkliche Begegnung ist etwas anderes als touristische Aktivität. Herzensbildung aber braucht diese Begegnung. Orte und Gelegenheiten dafür zu schaffen, das wird nun noch einmal mehr eine der großen Aufgaben der Zukunft zu sein.
Peter Burkowski:
Gestern kamen wir auch an einer besonderen Baustelle vorbei; wahrscheinlich hat diesen ganz besonderen Ort kaum jemand bemerkt. Etwa bei km 18 der Halbmarathon-Strecke entsteht das „House of One“ – ein Begegnungsort von Juden, Muslimen und Christen – mitten in Berlin: Juden, Christen und Muslime bauen gemeinsam ein Haus, unter dessen Dach sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden. Ein Haus des Gebets und der interdisziplinären Lehre. Ein Haus der Begegnung, für ein Kennenlernen und den Austausch von Menschen unterschiedlicher Religionen. Der eine Gott ist ein Gott des Lebens und des Friedens.
Petriplatz: Hier entsteht das House of One – Foto: © KuehnMalvezzi/Davide Abbonacci
„Auf der Gewalt ruht kein Segen, und Kriege führen nur tiefer in Bitterkeit, Hass, Elend und Verwahrlosung hinein. Die Welt braucht Liebe, nicht Gewalt, sie braucht Frieden, nicht Krieg.“ So bekannte es die evangelische Kirche nach dem zweiten Weltkrieg. Bereits 1948 trafen sich die Kirchen der Welt in Amsterdam und bekannten: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein! Nach dem millionenfachen Tod und Leid und der himmelschreienden Grausamkeit im Zweiten Weltkrieg war dies das gemeinsame Bekenntnis von 150 Kirchen: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.
Denn: Krieg macht keinen Sinn. Er vernichtet Leben, zerstört Existenzen, bleibt lebenslänglich in der Seele stecken. Krieg ist kein Schicksal, sondern von Menschen gemacht.
Lars Charbonnier:
Menschen sind zu allem fähig. Zum Bösen. Zum Tod. Und zum Guten. Zum Leben. Dass der Glaube daran stark ist, stärker, stärker als der Tod, das ist die Botschaft des Osterfestes!
Peter Burkowski:
Für mich ist das Osterfest die stärkste Ansage des Glaubens, des Gottvertrauens gegen die Gewalten und Zerstörungskräfte dieser Welt. Der Ohnmacht des Todes wird widersprochen. Durch Ostern gibt es einen anderen Geist und eine andere Haltung; ganz so wie im Predigttext von gestern:
Jesus sagt zu seinen Jüngern: Ihr wisst, die als Herrscher gelten und halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es nicht unter euch; sondern wer groß sein will, der soll aller Diener sein. (Markus 10, 42-44)
Ostern stellt Gewalt und Krieg grundsätzlich in Frage. Denn Jesus spricht aus, dass Gott ein Gott des Friedens ist. Er ist ein Gott des Miteinanders. Er will das Leben und hat uns Hirne und Herzen gegeben, damit wir Wege finden, um miteinander in Frieden zu leben.
Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche: „Stalingrad-Madonna“ von Kurt Reuber – 1942 – Foto:KWGK
Heute fragen wir danach, was wir ganz konkret tun können. Und das heißt zuerst, die Not zu lindern. Ora et labora. Beten und Handeln. Viele Hilfsinitiativen sind angelaufen und werden noch längere Zeit not-wendig sein. Es ist beeindruckend, wie viele Menschen und Organisationen jetzt konkrete Hilfe anbieten oder Wohnraum für ukrainische Flüchtlinge bereitstellen.
Wir müssen uns jetzt fragen: Was ist unsere Aufgabe? Was ist unser Beitrag zum Frieden und zum friedlichen Zusammenleben von Menschen.
Dabei geht es vor allem um die Frage nach unserem Lebensstil und Lebensstandards. Die Abhängigkeit von russischen Rohstoffen bringt unsere vermeintliche Sicherheit ins Wanken. Und zugleich wird bewusst, wie sehr wir abhängig sind. In wenigen Wochen hat uns die Frage nach Einschränkungen und Verzicht erreicht. Sind wir bereit, uns einzuschränken? Sind wir bereit, unsere Gewohnheiten zu ändern?
Lars Charbonnier:
Ausdauersportlerinnen und -sportler wissen, dass man einen guten Plan, Disziplin und Mut zum Beginnen braucht, um große Ziele zu erreichen. Am Anfang steht die Feststellung, dass es ein anderes Leben geben kann. Dazu gehört auch die Einsicht, dass wir unterwegs Fehler machen, dass es mühevoll ist und dass ich es nicht allein schaffen werde.
Das Osterereignis beginnt mit: Fürchtet euch nicht! Geht dorthin, wo das Leben bedroht ist. Geht weiter auf dem Weg der Verständigung und des Mitgefühls, des Friedens und der Lebensmöglichkeiten für jeden Menschen – im Vertrauen auf Gott und in das Leben.
Peter Burkowski, Pfarrer i.R., Recklinghausen/Berlin und Dr. Lars Charbonnier, Pfarrer und Geschäftsführer der Akademien
Die beiden marathonlaufenden Pfarrer Peter Burkowski (lks.) und Dr. Lars Charbonnier beim traditionellen oekumenischen Abendgebet des BERLIN-MARATHON in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Foto: Horst Milde
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