Wilhelm Köster erhielt 2007 den DLV-Ehrenschild - Zwölf Jahre lang (2000-2012) war Wilhelm Köster Seniorenwart in Niedersachsen. Mitte November 2012 gab der Sulinger nun sein Amt an den 62-jährigen Karl-Heinz Lippold weiter. Anlass für uns, den Mann, der 40 Jahre lang die Seniorenleichtathletik national, wie auch international prägte, an dieser Stelle aus dem Hintergrund zu holen. ©Norbert Karg
Optimist von Haus aus – Wilhelm Köster – Dagmar Wienke in SELAplus
Seniorenwart beim Niedersächsischen Leichtathletik-Verband war eines seiner letzten Ämter, was er bekleidete. Bis 2013, also dieses Jahr, sitzt er noch im Ausschuss „Law and Legislation" (Recht und Gesetz) der WMA (World Masters Athletics). Dann soll es endgültig genug sein. Also fast.
Ein paar kleine Ämter hat er noch inne. 40 Jahre lang prägte Wilhelm Köster entscheidet die deutsche Leichtathletik, vor allem aber: Die nationale wie internationale Seniorenleichtathletik gäbe es so nicht, gäbe es Wilhelm Köster nicht.
Köster war von 1970 bis 1998 für den DLV tätig als Referatsleiter Wettkampfwesen/ Wettkampforganisation und bis 1981 zusätzlich im Bereich Breitensport sowie bis 1987 zuständig für den Seniorensport. Er war u. a. Initiator der DLV-Senioren-Bestenkämpfe (später -Meis-terschaften), Initiator des 1975 eingeführten DLV-Laufabzeichens und der ersten Breitensportfibel eines deutschen Fachverbandes, Mitgründer der EVAA 1978 in Viareggio, holte die 3. Weltmeisterschaft der Senioren 1979 nach Hannover, damals die größte Leichtathletik-veranstaltung überhaupt, organisierte die EM der Senioren in Potsdam 2002 sowie die 1. in Sindelfingen und 2. Senioren-Hallen-WM in Linz/AUT mit und war verantwortlich für weitere 10 europäische Meisterschaften der EVAA im Ausland, letztmalig in Ljubljana/SLO 2008. Er war federführend bei der Erarbeitung und Einführung einer einheitlichen Verbandsstruktur und des Regelwerks für die Seniorenleichtathletik usw. …
Vielleicht hat sich so mancher gefragt, ob so einer wie Wilhelm Köster sich überhaupt zur Ruhe setzen kann, wobei der Ausdruck „zur Ruhe setzen" im Bezug auf Köster sowieso fehl am Platze ist. Seine tabellarische Vita würde ein paar Seiten füllen, würde sie akribisch aufgezählt alles enthalten, was der 78-Jährige in seinem Leben für den Sport gemacht hat. Und zu Ende geschrieben ist sie sowieso noch nicht, denn schon klopfen wieder neue Aufgaben an seiner Tür: Dokumentationen und Chroniken möchten geschrieben werden. Und da passt es ins Bild, dass er als stellvertretender Vorsitzender u. a. auch zuständig ist für das Ehrenportal des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte.
Wilhelm Köster, der Macher
Entscheidend ist nicht, welchen Posten ein Mensch bekleidet, sondern welcher Mensch einen Posten bekleidet. Erst dann wird was bewegt. Und um was zu bewegen, braucht es eine seltene Sorte Mensch. -Wilhelm Köster ist so ein seltenes Exemplar. Er ist ein „Macher". „Ich hab vieles aus Eigeninteresse gemacht und nicht, weil es mir gesagt wurde", sagt Köster. Macher findet man oft an der Basis. Weiter oben geht es dann mehr um Macht als machen. Weiter oben, da wollte Köster nicht hin, er macht lieber. Macher zeichnet oft auch eines aus: sie agieren im Hintergrund. Über einen Zeitraum von 55 Jahren war Köster auf allen Verbands-ebenen in der Leichtathletik tätig, hat vieles angeschoben und initiiert. Auf die Bitte um ein paar Fotos aus diesen Jahren sagt er: „Es gibt kaum welche. Fotografiert wurden die anderen …" Wahrgenommen hat man aber seine Verdienste. Ehrenschilde und Auszeichnungen wurden ihm überreicht.
„Zum Sport habe ich mich selbst gebracht"
Das Elternhaus brachte ihn nicht zum Sport. „Zum Sport habe ich mich selbst gebracht", sagt Köster. Ungefragt musste er das Bäckerhandwerk lernen, weil sein Vater das auch gemacht hat und weil das damals so war. -Köster sollte die elterliche Bäckerei übernehmen. -Deshalb ist der Sulinger sogar Meister seines Handwerks geworden. Wirklich Spaß hat es ihm aber nicht gemacht, wie er zugibt. Hinzu kamen gesundheitliche Probleme und eine Mehlstauballergie. In seiner Freizeit aber hat der Sulinger Sport getrieben. Faustball, Leichtathletik, Schwimmen, Tischtennis und manchmal auch Handball. Er erfuhr zwar keine sportliche Förderung zu Hause, aber dieses „Initiative-Ergreifen" muss ihm in die Wiege gelegt worden sein.
Dann traf er auf Förderer außerhalb des Elternhauses. Sein Mathematiklehrer Fritz Göhns, der auch Vereinsvorsitzender war, förderte und „forderte" ihn, der Vater seines besten Schulfreundes, Sportwart Gustav Dörrie, beeindruckte ihn als Organisator und Vorbild nach dem Motto: „Das möchte ich auch machen", und Wilhelm Riechmann, später ebenfalls Vereinsvorsitzender vom TuS Sulingen, „auch ihm habe ich zu danken, der hat mich sehr in verwaltungstechnischer Hinsicht inspiriert", sagt Köster über Riechmann.
So kam Köster zum Sport und zu seiner Organisation. Charakteristisch ist ein Satz, als Köster darüber erzählt, wie es anfing, als er sich in seinem Verein engagierte: „Ich habe das gemacht. Einfach so, um was zu tun." Sein Vorbild Riechmann war es auch, der ihm den weisen Hinweis gab, dass er erkennen müsse, dass nicht alle Menschen so sind wie er, der Macher. „Man muss auch mal ein Stück des Weges alleine gehen!" „Und alleine bin ich zum Leidwesen mancher Zeitgenossen schon einige Male gegangen", bekennt er.
Köster sagt von sich selbst, dass er nie ein guter Sportler gewesen sei. Doch immerhin hat er es 1952 in die Endauswahl in Berlin für die Olympia-Jugendfahrt nach Helsinki geschafft. Als Bäckerlehrling mit damals einem 12-14-Stunden-Tag, da blieb keine Zeit zum Trainieren. Von dem sportlichen Ereignis war es vor allem der perfekte Ablauf dieser achttägigen Fahrt – inklusive der Wettkämpfe an den Wochenenden -, die ihn beeindruckte. Schon da schlug also das Organisationsherz.
Köster fand den Mut, sich dem Elternhaus zu widersetzen und seinem Leben die richtige Wendung zu geben. Mit 36 Jahren vollzog er den Schnitt und kam 1970 zum DLV. „Es hätte gar nichts Besseres für mich geben können, als diese Stelle, die mir auf den Leib geschrieben war", sagt er über diese Zeit. Köster fand seine Berufung.
Vater des Breiten- und Seniorensports
Man darf Köster ruhig als Vater des Breiten- und Seniorensports bezeichnen. Den Breitensport zu fördern, war ihm immer ein Anliegen und ist es ihm heute auch noch. „Mein Bestreben war immer, die Meisterschaften für alle offenzuhalten und vor allem auch den Mannschaftsgedanken – auch im Bereich des Leistungssports – hochzuhalten, aber das ist nun leider etwas anders geworden. Man hat gemeint, man müsste weniger Teilnehmer und mehr Klasse haben.
Jetzt ist die Seniorenmeisterschaft zu einer Zwei-Tages-Veranstaltung zusammengeschnitten worden. Normen werden verlangt und, und, und. Für den Breitensport und den Seniorensport ist das aber nicht förderlich", sagt Köster. Nicht immer ist der Unermüdliche einverstanden mit neuen Reglements, die er als praktisch denkender Mensch wenig sinnvoll findet. Die Macher arbeiten an der Basis, entscheiden tun andere. Auch das musste Köster in seinen Amtsjahren lernen und akzeptieren.
Wer mit Leidenschaft seinen Beruf ausübt, streitet auch für seine Sache. Köster wird es wohl auch getan haben. Manchmal würde er noch gerne mit am Tisch sitzen, um über unliebsame Entscheidungen zu streiten, aber mit dem Alter kommt auch (etwas) Ruhe rein. Bitterkeit sucht man hingegen vergebens. Köster blickt zufrieden zurück: „Für alles, was ich gemacht habe, da kann ich doch stolz darauf sein."
Schlechter Neinsager
Irgendwie passt es ins Bild, das von Wilhelm Köster sich im Kopf belichtet: Als an der Basis agierender Mensch kehrte er nach 30 Jahren beruflichen Jahren in Kassel und Darmstadt dorthin wieder zurück, wo seine Wurzeln sind, wo er geboren wurde, nach Sulingen. Und schon ergriffen die Nächsten die Gelegenheit. Kaum in Niedersachsen angekommen, wurde er Seniorenwart im Landesverband, Schiedsmann für die Stadt Sulingen, Kreissport- und Lehrwart im Kreissportbund Diepholz. Köster kann schlecht Nein sagen.
Und was macht Köster nun, so (fast) ohne Amt: „Jetzt muss ich mich um meinen Keller kümmern und meine Sachen aufräumen, die sind 13 Jahre lang liegen geblieben. "
„Ich hab vieles aus Eigeninteresse gemacht und nicht, weil es mir gesagt wurde"
Ein Mann, der über Jahrzehnte den Breitensport und die Seniorenleichtathletik prägte, der muss auch zu Wort kommen, fanden wir. Im Gespräch mit Wilhelm Köster erfuhren wir so u. a., warum sein Abschied aus den Ämtern auch seine zwei Seiten hat, und wie er zur Seniorenleichtathletik und seiner Entwicklung steht und noch einiges mehr.
SELAplus: In den 70er-, 80er-, 90er-Jahren gab es quasi eine Aufbruchsstimmung, was die Seniorenleichtathletik betrifft. Haben Sie das Gefühl, dass im Vergleich zu damals die Seniorenleichtathletik wieder in den Hintergrund gedrängt wird?
Köster: Ach nein, dass kann man nicht sagen. Sie hat vielleicht insgesamt nicht das Gewicht bekommen, was man sich versprochen hatte. Man muss sich nur mal in der Presselandschaft umschauen. Was steht denn überhaupt über solche Veranstaltungen in irgend-einer Zeitung? Nichts. Gar nichts. Die lokalen Zeitungen schreiben noch ein bisschen darüber und dann die Fachzeitungen. Alle anderen interessiert das nicht. Das ist leider so und das hat sich auch nicht geändert. Das ist der Kampf gegen die Windmühlen, den wir von Anfang an geführt haben.
SELAplus: Also damals hatte die Seniorenleichtathletik auch einen schweren Stand?
Köster: Es war sogar viel schlimmer. Wir mussten sehr um Anerkennung für diesen Bereich kämpfen und konnten auch kaum einen Ausrichter finden.
SELAplus: Sehen Sie Bedarf, die Seniorenleichtathletik noch mehr zu stärken?
Köster: Ich bin der Meinung, dass Einschränkungen, wie Normen, Meistertitel, die nur bei drei und nicht bei zwei angetretenen Sportlern bei Meisterschaften vergeben werden usw., den Seniorensport schwächen. Im Niedersächsischen Verband, z. B. wo ich Seniorenwart war, gab es einen Fachausschuss und dort war man anderer Meinung als ich. Der Fachausschuss meint, dass die Senioren nicht anders behandelt werden sollen, als Leistungssportler, obwohl ich das eben nicht vergleichen kann oder vergleichen wollte.
SELAplus: Glauben Sie, dass der DLV ein bisschen in die falsche Richtung geht? Weg vom Breitensport?
Köster: Das ist für mich eine bisschen schwierig zu beantworten. Im Bereich Gesundheitssport ist der DLV sehr aktiv und auch im Kinderbereich. Auch der Volkslauf läuft noch, die Aktivität ist da. Schwerpunktmäßig wird sich aber mehr mit dem Seniorenleistungssport beschäftigt. Ich aber bin der Meinung, dass es wichtig ist, dass die Senioren überhaupt mitmachen. Mir ist es egal, wie gut die sind. Und wer Meister werden will, soll das auch sein, wenn er wenigsten einen Gegner hatte. Hauptsache jedoch, die Senioren kommen. Aber wenn sie daran gehindert werden, weil sie eine Norm erfüllen müssen, bevor sie teilnehmen dürfen, hält sie das ab. Da sagt der eine oder andere, dann bleib ich lieber zu Hause.
SELAplus: Wie stehen Sie zu der Entscheidung, dass es keine AK 30 bei deutschen Meisterschaften mehr gibt?
Köster: Wenn es nach mir gegangen wäre, ich hätte sogar schon mit einer Klasse ab 25 Jahren angefangen. Die Masse der Leistungssportler ist nicht bei den Senioren. Gleichgültig, wann wir damit anfangen. Mir ging es immer darum, dass die leichtathletiktreibende Bevölkerung durchgängig ihren Sport machen kann.
SELAplus: Wie stark haben Sie sich in Ihrer Arbeit ausgebremst gefühlt?
Köster: An vielen Stellen. Ich will das aber nicht so überbewerten. Das ist so gewesen. Man konnte nicht alles durchsetzen. Oft ist es am Geld gescheitert. Das war vor allem dem Leistungssport vorbehalten.
SELAplus: Glauben Sie, dass die Seniorenleichtathletik durch Reglement-Aktionismus eher geschwächt als gestärkt wird?
Köster: Dieser Aktionismus, der besteht – auch im DLV -, der ist schlimm. Diese Gremien … Dort wird geredet und geredet, anstatt einfach nur zu machen. Ich kann das nicht mehr haben.
SELAplus: Das führt mich zu meiner nächsten Frage: Wie schwer ist Ihnen der Abschied von Ihren Ämter gefallen?
Köster: Das erleichtert mir das Abschiednehmen. Damals haben wir (3-4 Personen) einfach gemacht und fertig! Und das hat auch funktioniert.
SELAplus: Machen Sie sich Sorgen um den „Nachwuchs" oder haben Sie das Gefühl, dass wieder engagierte Menschen aufrücken?
Köster: Man muss sehen. Es gibt nicht so viele, die so aktiv sind.
SELAplus: Wenn Sie zurückblicken, können Sie sagen, dass sich ein paar Ihrer Visionen erfüllt haben?
Köster: Ich glaube, ich kann ganz zufrieden sein mit dem, was ich so gemacht habe, was ich erreicht habe. Visionen sind ja immer das, was man sich schon vorher ausgedacht hat und von daher habe ich Visionen eigentlich nur selten gehabt. Ich habe immer realistisch gearbeitet. Das stand an, das musste gemacht werden und das habe ich gemacht. Da gab es vorher keine großen Überlegungen. Natürlich habe ich auch das eine oder andere, was ich umsetzen wollte, nicht durchsetzen können, weil es dafür keine Mittel gab.
SELAplus: Gibt es etwas, was Sie in Ihren Berufsjahren sehr frustriert hat?
Köster: Natürlich war ich das eine oder andere Mal frustriert, aber das vergesse ich. Ich bin von Haus aus Optimist.
SELAplus: Gibt es einen Punkt, wo Sie sagen, das ist ein Erfolg, darauf sind Sie stolz?
Köster: Das kann ich eigentlich auch nur pauschal sagen: Für alles, was ich gemacht habe, da kann ich doch stolz darauf sein. Theo Rous (Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, die Red.) schrieb über mich in einer Laudatio: „Er hat aus seinem Leben für sich und andere Menschen was gemacht." Besser kann man das eigentlich nicht sagen, oder?
SELAplus: Haben Sie jetzt mehr Zeit?
Köster: (lacht) Das ist auch eine gute Frage. Ich bin noch im Niedersächsischen Institut für Sportgeschichte stellvertretender Vorsitzender und auch zuständig für das Ehrenportal und im Wissenschaftlichen Beirat. Dann bin ich im Kreissportbund stellvertretender Vorsitzender für Organisations- und Vereinsentwicklung. Insofern, viel mehr Zeit habe ich nicht. Wir wollen hier in der Stadt noch ein kleines Sportmuseum einrichten. Der Bürgermeister hat mir schon mal gesagt, ich solle mich darauf vorbereiten …
Dagmar Wienke in SELAplus März 2013