Paul Schmidt (vorn) vom OSV Hörde (Dortmund) gewinnt ein 800-m-Rennen vor dem Hallenser Hubert Hermann (M) Anfang der 50er Jahre. Paul Schmidt gehörte zu den erfolgreichen bundesdeutschen Athleten in den 50er Jahren. Er gewann 1956, 1957, 1958 und 1961 die Meistertitel über die 800 m. Hubert Hermann, Bruder des erfolgreicheren DDR-Langstrecklers Siegfried Hermann, sicherte sich 1954 den DDR-Meistertitel über die 1.500 m. Foto: Hanns-Peter Beyer - dpa-picture alliance
Olympiateilnehmer und Bundestrainer: Paul Schmidt wird 90 Jahre alt
Paul-Gerhard („Paul“) Schmidt, zweifacher Olympiateilnehmer, einer der besten 800-m-Läufer seiner Zeit und ehemaliger Bundestrainer für die Mittelstrecke der Männer im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), vollendet am Montag, dem 9. August, in seiner Wahlheimat Baden-Baden das 90. Lebensjahr.
Paul Schmidt wurde in Groß-Nebrau (Westpreußen, heute Polen) geboren und kam mit seiner Familie nach Schröttinghausen, einem Stadtteil von Bielefeld. Beim benachbarten TV Werther 04 (Kreis Gütersloh) begann Paul mit dem Turnen und spielte Handball draußen auf dem Großfeld: „Gerade die vielseitige turnerische Ausbildung mit den koordinativen Elementen war für mich eine wertvolle Basis, die mich später als Läufer vorangebracht hat“, erinnert sich Paul Schmidt heute.
Zum Laufen kam er, als er als Schüler ganz unbedarft bei einem Turn- und Sportfest in Herford einen Waldlauf über 3.000m überlegen gewann: „Das war eine Initialzündung, fortan war ich als Autodidakt mein eigener Trainer, nahm aber gern Ratschläge von Experten an“.
Paul Schmidt 2018 bei einem Treffen in Berlin – Foto: Horst Milde
Dazu gehörte auch Bert Sumser (1913-2009), damals Cheftrainer bei Bayer 04 Leverkusen und später u.a. Trainer von Armin Hary (geb. 1937) und Kurt Bendlin (geb. 1943).
Paul Schmidt kam über Vereinsstationen bei der Bielefelder Turngemeinde von 1848 und dem OSC bzw. DSC Arminia Bielefeld 1956 zum OSV Hörde nach Dortmund, wohin er nach einer Zwischenstation beim FSV Frankfurt (1960) bis zur Beendigung seiner Karriere 1961 zurückkehrte.
Apropos Karriere: Dazu gehören vier Titel als Deutscher Meister (1956 bis 1958 und 1961) über 800m auf der Aschenbahn und in der Halle. Paul Schmidt startete 1956 bei den Olympischen Spielen in Melbourne über seine Paradedistanz, schied aber im Vorlauf aus. Bei den Spielen in Rom 1960 wurde er 4. und verpasste Bronze nur um eine halbe Sekunde.
Bei den Leichtathletik-Europameisterschaften 1958 in Stockholm errang er Bronze, ebenso 1962 in Belgrad, wo Manfred Matuschewski (geb. 1939) aus Jena gewann.
Paul Schmidt bestritt in den Jahren 1955 bis 1964 insgesamt 45 Länderkämpfe für den DLV. Beim legendären ASV-Sportfest in Köln verbesserte er am 20. September 1959 den über 20 Jahre alten deutschen Rekord über 800m von Rudolf Harbig um 0,4 Sek. auf 1:46,2 Min.
Zu seinen weiteren persönlichen Bestzeiten gehören u.a. 47,8 Sek. über 400m, 2:20,4 Min. über 1.000m sowie 3:42,5 Min. über 1.500m. Und in seiner alten Heimat hält er bis heute den historisch ältesten bzw. längsten Kreisrekord mit 2:22,6 Min. über 1.000m, erzielt 1955 als Armine mit DLV-Trikot in Göteborg – mit einem Schmunzeln könnte man daraus schließen, Paul Schmidt sei mit 90 immer noch der schnellste Mann von Bielefeld!
Paul Schmidt (r, Frankfurt) vor Manfred Matuschewski (l, Erfurt) und Jörg Balke (M, Berlin) am 07.08.1960 in Erfurt bei der gesamtdeutschen Olympia-Qualifikation über 800m. 1962 und 1966 wurde Matuschewski Europameister über 800m, von 1959 bis 1966 errang er 16 DDR-Meistertitel (10 Einzel, 6 Staffel). – Foto: picture-alliance
Paul Schmidt arbeitete zunächst als Kaufmännischer Angestellter und absolvierte nach seinem Abschied vom aktiven Sport eine damals mögliche Sonderausbildung für Spitzenathleten mit Studium zum staatlich geprüften Turn- und Sportlehrer an der Universität des Saarlandes. Im DLV wirkte Paul Schmidt von 1965 bis 1996 über 30 Jahre („Rekorddienstzeit“) hauptberuflich als ein äußerst erfolgreicher Bundestrainer.
Zu seinen Top-Athleten gehörten damals u.a. Walter Adams (geb. 1945), Franz-Josef Kemper (geb. 1945), Bodo Tümmler (geb. 1943), Thomas Wessinghage (geb. 1952), Willi Wülbeck (geb. 1954) und Paul-Heinz Wellmann (geb. 1952): „Paul war ein exzellenter Trainer mit großer Selbstdisziplin, der sich ständig fachlich weiterbildete und uns als mündige Athleten früh gefördert hat“, erinnert sich Prof. Dr. Franz-Josef Kemper (Frankfurt), als Aktiver selbst u.a. 1966 Europarekordhalter über 800m und dreifacher Weltrekordinhaber.
Paul Schmidt (r.) mit seinem Schützling Bodo Tümmler mit seinem Trikot (gekürzt!) der Oympischen Spiele in Mexico City und seinem Heimtrainer Wolfgang Meller in Berlin 2018. – Foto Horst Milde
Paul Schmidt hat sich auch als Fachbuchautor („Trablaufen. Ein Ausdauersport für Herz und Kreislauf“, Reinbek 1977) zusammen mit Fernsehredakteur Manfred Blödorn einen Namen gemacht. Der DLV hat den Jubilar u.a. mit der DLV-Nadel in Gold (1977) und dem Rudolf-Harbig- (1961) sowie dem Hanns-Braun-Gedächtnispreis (1995) ausgezeichnet.
An seinem Ehrentag erwarten Paul Schmidt Glückwünsche der großen Leichtathletik-Familie aus ganz Deutschland. Diese Gratulationen erreichen einen geistig und körperlich „voll fitten Senior“, für den gerade die „soziale Einbindung im Alter einen unschätzbaren Wert an sich“ (Originalton Schmidt mit 89) bedeutet.
Möge ihn dieser Wert auf der Lauf- und Lebensstrecke in „AK 90“ weiterhin treu und freudig begleiten … beispielsweise beim Jahrestreffen mit seinen ehemaligen Athleten im September am Tegernsee.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
German Road Races (GRR) e.V. gratuliert dem erfolgreichen Jubilar zu seinem EHRENTAG auf das Herzlichste und wünscht ihm noch weitere Jahre bei bester Gesundheit. Paul Schmidt ist als Mensch, Sportler, Läufer und Trainer ein wahrlich grosses Vorbild für die heutige junge Generation, Nachfolger leider nicht in Sicht!
Horst Milde
https://germanroadraces.de/?p=52219