IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe mit den Crosslauf-Weltmeistern Sonja O’Sullivan, Annette Sergent, Paula Radcliffe, Benjamin Limo und Craig Virgin. ©Österreichischer Leichtathletik-Verband (ÖLV)
ÖLV – Bericht vom Crosslauf-Seminar am 9.12.2013 in Belgrad
Mehr als 100 Crosslauf-Interessierte nahmen am Montag nach den Europameisterschaften in Belgrad am „IAAF Global Seminar on Cross Country Running” teil. Der ÖLV war durch Karl Sander und Wilhelm Lilge vertreten.
Grundsätzlich war diese ganztägige Veranstaltung als Trainer-Seminar ausgeschrieben, tatsächlich ging es aber nur am Rande um Aspekte zur Trainingsmethodik oder Trainingsplanung unter Berücksichtigung des Crosslaufs.
Im Vordergrund standen bei diesem Seminar Überlegungen, wie ein weiterer Rückgang der Teilnehmerzahlen der Europäer bei der Crosslauf-WM verhindert werden kann, bzw. wie diese IAAF-Meisterschaft für die Europäer wieder attraktiver gemacht werden könnte.
Die Referenten, die unter der Vorsitzführung von IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe ihre Sichtweise der Problematik präsentierten, können jedenfalls mehr als hochkarätig bezeichnet werden. Die früheren Crosslauf-Weltmeister Annette Sergent (FRA) und Craig Virgin (USA) erzählten von ihren eigenen Erfahrungen und wie sie zu ihren Erfolgen kamen.
Danach führten Benjamin Limo (KEN), Sonja O’Sullivan und Marathon-Weltrekordlerin Paula Radcliffe in ihren Beiträgen aus, welchen Stellenwert der Crosslauf in ihren Karrieren hatte. Ibrahim Kipkemboi Hussein (KEN) und Jillo Dube (ETH) referierten als Vertreter der erfolgreichsten Crosslauf-Nationen über die entsprechende Vorbereitung in ihren Ländern und wie dort der Saisonaufbau auf die Cross-WM hin gestaltet wird.
Die IAAF-Mitarbeiter Günter Lange (GER) und Abdel Malek El Hebil (MAR) gingen etwas auf die physiologischen und philosophischen (!) Aspekte des Crosslaufs ein. Leider blieben die trainingsmethodischen Ausführungen sehr an der Oberfläche und Lange meinte sinngemäß, dass die Europäer nur härter trainieren müssten, dann würden sie auch mit den besten Kenianern oder Äthiopern mithalten können, da diese keine genetischen Vorteile hätten.
Jose Maria Odriozola, der Präsident des spanischen Verbandes und der französische LA-Generalsekretär Jean Gracia gingen direkt auf die zurückgehenden Teilnehmerzahlen der Europäer ein und brachten auch einige konkrete Vorschläge zur Verbesserung ein (siehe unten).
Die Vorschläge und generell die Situation des Crosslaufs wurden am Nachmittag im Forum diskutiert, wobei am Podium unter der Moderation von Seb Coe ehemalige Sportler und Funktionäre wie David Bedford (GBR), Franco Fava (ITA), Frank Fredericks (NAM), Tim Hutchings (GBR), Victor Lopez (PUR) Massimo Magnani (ITA), David Okeyo (KEN) und EA-Präsident Hansjörg Wirz (SUI) diskutierten und sich auch den Fragen der Zuhörer stellten.
Die Zuhörer und Diskutanten verbanden natürlich das gemeinsame Interesse und die hohe Wertschätzung des Crosslaufs, deshalb gab es auch wenig Reibungsflächen oder Meinungsverschiedenheiten. Die am Crosslauf weniger Interessierten waren ja nicht da.
Weitgehende Übereinstimmung gab es bei folgenden Punkten:Die Strecken beim Crosslauf müssen anspruchsvoller und attraktiver sein als bei der EM in Belgrad.
- Der Nationenwechsel sollte nicht so einfach und schnell möglich sein (wenn schon bei der EM gegen Kenianer und Äthiopier in diversen europäischen Trikots gekämpft wird, wozu dann noch die Herausforderung einer Cross-WM?).
- Der Crosslauf sollte (wieder) ins Olympische Programm integriert werden. (Das scheint bei realistischer Betrachtung zumindest kurz- und mittelfristig schwierig.)
- Der Crosslauf braucht „role models“ (Stars) und eine attraktive Veranstaltungsserie mit entsprechend hohen Preisgeldern, damit sich die besten Läufer vermehrt auf den Crosslauf konzentrieren.Bei der Vergabe der Cross-WM sollte auf einfache Erreichbarkeit für europäische Nationen (Kosten!) geachtet werden.
- Eine Reduktion der Team-Größe für die Teamwertungen auf 3 Läufer würde die Teilnahme von mehr Nationen ermöglichen und auch die Kosten etwas verringern.
- Eine Änderung des Termins auf Ende Februar oder Anfang März (oder gar nach der Cross-EM im Dezember) würde europäischen Spitzenathleten eine bessere Integration in die Trainingsplanung mit Schwerpunkt auf der Freiluftsaison ermöglichen.
- Übereinstimmend sprachen die Referenten davon, dass aus trainingsmethodischer Sicht der Crosslauf für alle Mittel- und Langstreckenläufer einen wichtigen Stellenwert in der Leistungsentwicklung haben sollte.
Wilhelm Lilge – ÖLV