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12
02
2011

Nur Fukuoka bildet hier eine rühmliche Ausnahme, dort waren die Siegerzeiten vor allem in den letzten Jahren hervorragend und auch international im Spitzenbereich

Nur noch zweitklassig – Die japanischen Elite-Marathonläufe verlieren international weitgehend den Anschluss. Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Auch die 60. Jubiläumsausgabe des Beppu-Oita Mainichi-Marathon konnte an den Entwicklungen der letzten Jahre wenig verändern: Die großen japanischen Marathonläufe „laufen" bis auf eine Ausnahme der weltweiten Konkurrenz immer deutlicher hinterher.

Während die noch junge Saison 2011 mit Streckenrekorden in Xiamen, Tiberias oder Houston und Zeiten deutlich unter 2:10 für Furore sorgten, konnte man am letzten Sonntag im japanischen Beppu/Oita die Serie nur international zweitklassiger Zeiten nicht beenden. Zwar gingen die drei Tempomacher in 14:55 für die ersten 5 km das Rennen sehr beherzt an, aber schon beim Halbmarathon in 1:04:23 war eine Topzeit kaum noch zu schaffen. Am Ende wurde die Spitze immer langsamer, und die Siegerzeit des Marokkaners Ahmed Baday mit 2:10:14 reiht sich nahtlos in die Reihe nur mittelmäßiger Zeiten der letzten Jahre ein.

Während auf globaler Skala die Marathonläufe und deren Siegerzeiten immer schneller werden und Zeiten unter 2:09 schon fast zum Standard gehören (diese Marke wurde allein im Jahr 2010 fast 100-fach unterboten), „läuft" man bei den besten Marathons in Japan diesen Standards weitgehend hinterher.

Nur Fukuoka bildet hier eine rühmliche Ausnahme, dort waren die Siegerzeiten vor allem in den letzten Jahren hervorragend und auch international im Spitzenbereich (im letzten Jahr konnte mit 2:08:24 dieser Standard allerdings auch dort nicht gehalten werden). Enttäuschend vor allem die Entwicklungen beim Tokyo-Marathon, der erste Massenmarathon auf der Insel (ca. 30000 Teilnehmer), wo nach dem Lichtblick durch Victor Röthlin im Jahr 2008 (2:07:23) auch durch die äußeren Bedingungen bedingt nur schwache Resultate erzielt wurden. Die Siegerzeit vom letzten Jahr von 2:12:19 war 2010 nur Platz 323 in der Weltbestenliste, dies sagt eigentlich alles.

Dabei müssten diese Fakten die japanischen Veranstalter schon insofern betroffen machen, als – bis auf den Tokyo-Marathon – die Marathonläufe in Japan als reine Eliteläufe organisiert werden, deren Rituale seit Jahren festgelegt sind: Eine Handvoll eingeladener Eliteathleten von Übersee, eingeladene japanische Topläufer und weitgehend japanische Teilnehmer mit erheblichem Leistungspotential, typischerweise mit einem Qualifikationslimit von 2:45 h.

Dazu gibt es dann noch einige Tempomacher, die die Spitze zu schnellen Zeiten ziehen sollen, und die Läufe werden in hervorragenden TV-Übertragungen mit höchsten Quoten landesweit übertragen. Diese Konstruktion war in der Historie durchaus erfolgreich, das Leistungspotential der japanischen Eliteläufe war weltweit führend; so wurde der Fukuoka-Marathon lange als eine inoffizielle WM betrachtet, bei der immer wieder Bestzeiten und Weltrekorde erzielt wurden. Zwar ist Fukuoka schon lange nicht mehr das Nonplusultra der Szene – mit dem Zehnermittel von 2:06:47 liegt man aktuell nur noch auf Platz 7 -, hält aber international noch halbwegs vorne mit, bei den anderen Läufen in Japan ist der Abstand zur Weltspitze in den letzten Jahren ständig größer geworden.

Wenn man nach den Gründen für diese Entwicklungen sucht, könnte man das generelle Konzept benennen, das zu eng angelegt ist, insbesondere auch bei der Auswahl und vor allen der Anzahl der Eliteathleten. Ein breites Feld an Nachwuchsathleten aus Ostafrika, die z.B. in Frankfurt und bei vielen anderen Läufen seit Jahren das Erfolgsrezept für hervorragende Resultate in Breite und Spitze sind, fehlt auf Japans Straßen.

Dazu kommt, dass die japanischen Topathleten derzeit international kaum konkurrenzfähig sind, obwohl im Nachwuchsbereich der japanische Laufsport ein Reservoir an Höchstleistungen in einmaliger Leistungsdichte bietet. Zum letzten Punkt ist soeben eine interessante Umfrage des Trainers Masahiko Takahashi unter fast 400 Athleten veröffentlicht worden, die belegt, dass das mangelnde Leistungsniveau der japanischen Topläufer auf ein zu übermäßiges Training in der Jugend zurückzuführen ist und diese später dann ausgebrannt sind (bei uns sicher undenkbar).

Wie dem auch sei, die Defizite liegen klar offen und werden auch thematisiert, geändert hat sich bisher noch wenig. Dazu sind vermutlich die Strukturen in der japanischen Laufszene zu unbeweglich. Etwas mehr Aufgeschlossenheit und der Mut zu Veränderungen könnten hier schon kurzfristig zu Erfolgen führen. Dass sich dies trotzdem kurzfristig einstellen könnte, ist nicht unwahrscheinlich, als sich in Japan die Entwicklung zu Massenmarathons mit Macht vollzieht.

Dies ist u.a. mit einer Vergrößerung des Kontingents an Topathleten verbunden, wie es für den Tokyo-Marathon Ende Februar bereits realisiert scheint. Neben Topstar Haile Gebrselassie ist die Liste der Eliteläufer lang und bei normalen Entwicklungen sollte Tokyo in diesem Jahr seine Leistungsparameter erheblich steigern können.

Gleiches kann man bereits eine Woche später beim Lake Biwa Marathon in Otsu unweit von Kyoto erwarten, dessen Auszeichnung als „Gold-Label" Lauf durch die IAAF von den Leistungen her eher unverständlich erscheint. In Otsu wird ein 2:04 Läufer an den Start gehen, dessen Namen aktuell noch vertraulich ist, der aber auch dort für eine erhebliche Steigerung der Leistungen aus den Vorjahren sorgen dürfte.

Für den japanischen Straßenlauf wären solche Entwicklungen nur zu begrüßen und wichtig.

 

Helmut Winter

 

Resultate der wichtigsten japanischen Marathon-Veranstaltungen in den letzten Jahren:

 

Fukuoka-Marathon

2007  2:06:39  Sammy Wanjiru  KEN

2008  2:06:10  Tsegaye Kebede  ETH

2009  2:05:18  Tsegaye Kebede  ETH

2010  2:08:24  Jaoud Gharib  MAR

 

Tokyo-Marathon

2007  2:09:45  Daniel Djenga  KEN

2008  2:07:23  Victor Röthlin  SUI

2009  2:10:27  Salim Kipsang  KEN

2010  2:12:19  Masakazu Fujiwara  JPN

 

Beppu-Oita-Marathon

2007  2:10:23  Atsushi Fujita 

2008  2:11:59  Tomoya Adachi  JPN

2009  2:10:15  Adil Anani  MAR

2010  2:10:50  Jonathan Kipkorir  KEN

2011  2:10:14  Ahmad Baday  MAR

 

Lake Biwa-Marathon (Otsu)

2007  2:10:43  Samson Ramdhani TAN

2008  2:08:23  Shami Mubarak  KEN

2009  2:10:22  Paul Tergat  KEN

2010  2:09:34  Yemane Tsegay  ETH

 

Nagano-Marathon

2007  2:13:32 Nephat Kinyanjui  KEN

2008  2:14:17  Nephat Kinyanjui  KEN

2009  2:11:21  Isaac Macharia  KEN

2010  2:10:24  Nicholas Chelimo  KEN

author: GRR

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