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12
08
2025

Florian Jäger: zwischenläufe – von der poetischen wildheit des laufens. Hildesheim 2025: - Arete Verlag.

Neue Laufbücher für den Lesesommer: Eine Poesie des Laufens … laufend unterwegs mit Florian Jäger – Prof. Dr. Detlef Kuhlmann

By GRR 0

Zwischenläufe – das ist ein etablierter Fachbegriff bei den leichtathletischen Laufdisziplinen. Florian Jäger definiert diesen Begriff laufliterarisch völlig neu und schreibt ihn klein: „zwischenläufe“.

Er liefert in seinem neuen Büchlein insgesamt 17 Textproben „von der poetischen wildheit des laufens“ (Untertitel).

Seine „zwischenläufe“ spielen nicht auf der herkömmlichen 400-m-Bahn in einem Stadion, sondern außerhalb „auf trubeligen Straßen, an Cafés vorbei, über Stadtrandwiesen und entlang endloser Kanäle, in tiefe, stille Wälder, auf schneebedeckte Vulkane und in grelle Wüsten“ (laut hinterem Klappentext).

Dabei geht es Florian Jäger nicht einmal darum, diese Orte und Laufstrecken im Vorbeilaufen exakt geografisch vermessen und architektonisch zu beschreiben. Seine „Zwischentexte“ zielen vielmehr darauf ab, durch das Laufen eine besondere Ich-Welt-Berührung zu erzeugen und uns diese literarisch mitzuteilen. Diese besonderen Verbindungen entstehen im laufenden Moment. Sie werden von Florian Jäger in poetische Sequenzen übersetzt – mehr noch: Florian Jäger hält „das Laufen für grundpoetisch“, wie er in einem Interview auf Seite 139 hinten im Buch bekennt. Dabei kommt es darauf an, Bekanntes in kunstvoller Weise darzustellen und Unbekanntes greifbar zu machen … das Laufen ist dafür eine hervorragende, weil naheliegende und im Grunde endlose Projektionsfläche.

Wer sich auf die neue Laufpoesie von Florian Jäger einlässt, findet sich womöglich gleich in „Flanieren“ selbst wieder. Der Autor nimmt uns in diesem Text mit auf einen morgendlichen Lauf in der Mitte Berlins „auf den Asphalt der Häuserschluchten in der Berliner Friedrichstraße“ (S. 32). Er lädt uns ein, „im Laufen ohne Eile“ die „Aufmerksamkeit für alles Umgebende“ zu richten.

Das erinnert an das Flanieren, dem ein fotografisches Bild innewohnt. Beim „Laufflanieren“ handelt es sich demzufolge um einen filmischen Blick: „Das Laufflanieren macht uns zu bewegten Entdeckern, und ich beginne zu glauben, dass Städte genau das wollen. Erlaufen werden“ (S. 35). Ein Kontrast zum Laufflanieren ist das „Vagabundieren“, dem sich der letzte Text im Band widmet. Dabei streunen wir laufend und suchend herum – denn: „Vagabundieren bietet Raum für Resonanz“ beim Laufen und zum Schreiben.

Florian Jäger experimentiert in seinen Texten – auch mit dem Laufen selbst. Am eindrucksvollsten und auffälligsten ist das in dem Text „Mit Stil spielen“ nachzulesen, sogar in fünf poetischen Varianten – Ausgangpunkt: Ein Läufer begibt sich zur Mittagszeit und der Sonne im Zenit auf die Piste … das Was (nämlich das Laufen) bleibt dabei immer das gleich, doch das Wie (der literarische Stil) ändert sich von Mal zu Mal. Ganz am Ende spricht Emil Zatopek im Stakkato-Dreiklang: „Polizei regelt, Hund wird getragen, Läufer schwitzt“.

Übrigens: Alle, die Florian Jäger mit seiner besonderen Laufpoesie live erleben möchten, sind eingeladen zum 36. Literatur-Marathon am Sonntag (14.9.) vor dem 51. Berlin-Marathon, um 17 Uhr in die Berliner Kunstfabrik „Schlot“. Dort wird Florian Jäger neben anderen Autoren aus seinem neuen Buch „zwischenläufe“ vorlesen.

Florian Jäger: zwischenläufe – von der poetischen wildheit des laufens. Hildesheim 2025: Arete Verlag. 152 S.; 18,- €; ISBN 978-3-96423-134-5

Prof. Dr. Detlef Kuhlmann  

… war bis 2023 Leiter des Arbeitsbereichs Sport und Erziehung am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover und hat im Jahre 1990 zusammen mit Horst Milde den Berliner Literatur-Marathon begründet, den er seitdem moderiert. Für German Road Races stellt er gelegentlich neue Laufbücher vor und erinnert an „Klassiker“. Zu seinen neueren (Lauf-) Publikationen gehören:

Kuhlmann, D. (Hrsg.): „… auf den letzten Metern“. Momente des Zieleinlaufs. (Mit einem Vorwort von Katrin Müller-Hohenstein). Hildesheim 2021: Arete Verlag. 200 S.; 18,- €; ISBN 978-3-96423-058-4

Kuhlmann, D., Pieper, H. & Schulze Forsthövel, U. (Hrsg.): Die sportlich heiteren und politisch gescheiterten Olympischen Spiele München ’72. Zum Gedenken an Walther Tröger. Hildesheim 2023: Arete Verlag. 210 S.; 22,- €; ISBN 978-3-06423-112-3

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author: GRR