Waldemar Cierpinski und Heinz Florian (r.) Oertel - Foto aus dem Buch: "Nennt eure Söhne Waldemar" - Ausriss
„Nennt Eure Söhne Waldemar“ – Reporterlegende Heinz Florian Oertel, nunmehr 95, hat Spuren hinterlassen. Nicht nur bei Waldemar Cierpinski. Klaus Weidt berichtet
Heinz Florian Oertel wird am Sonntag, dem 11. Dezember 2022 95 Jahre alt.
Heinz Florian Oertel hat nicht nur als Sportreporter vieles in seinem 95-jährigen Leben erreicht. Allein sechs Bücher von ihm stehen in meinem Regal. Über ihn haben auch viele geschrieben. Zuletzt derjenige, der mit dem obigen Ausspruch eng verbunden ist – Waldemar Cierpinski.
Der olympische Marathon-Doppelsieger nannte das Büchlein, in dem er auf Spurensuche seines Läuferlebens ging, nach jenem berühmten Ausspruch Oertels bei den Olympischen Sommerspielen 1980.
Hier sind die beiden jubelnden Oertel-Sätze, festgehalten in seiner Marathon-Schlussreportage in Moskau: „Liebe Zuschauer zu Haus, das ist ein einmaliger Triumpf. Liebe junge Väter, vielleicht sogar angehende, haben Sie Mut, nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar. Waldemar ist da!“
Vier Jahre zuvor, beim ersten Olympiasieg Cierpinskis in Montreal überschlug sich Oertel schon das erste Mal, und das auch recht originell: „Wie kann man sich freuen, liebe Zuschauer? So sehr, so sehr, so sehr! Wir springen mit ihm auf. Solche Sieger, solche Leistungen würdigt man mit größtem Respekt. Und wenn man steht, ist die Verbeugung tiefer…“
Oertel 1996 im alten Olympiastadion von Athen 1896 anlässlich einer Läuferreise zu 100 Jahre Olympia – Foto: Klaus Weidt
Heinz Florian Oertel, Geburtsdatum 11. Dezember 1927, begeisterte seine Zuhörer und Zuschauer in vielen Sportarten. Doch das Laufen hatte ihn besonders angetan.
Die besondere Liebe hierzu wurde einst in Helsinki 1952 geboren. „Dort wurde ich angesteckt“, erinnert er sich. „Ich ergötzte mich an den Rennen der Zatopek, Kuz und Bolotnikow, Pierie und Halberg, Abebe und Wolde… Ich benutzte sie gierig, als die von allen Reportage-Anlässen besten, heißesten, faszinierendsten ‚Stoffe‘, die sich denken ließen, um das eigene Produkt, die Reportage, daraus zu gestalten.“
Oertel bei einer Talkrunde in Bad Wilsnack. Er unterstützte die Geburt einer alljährlichen „Prignitzer Moormeile – Foto: Klaus Weidt
Doch beließ er es nicht nur mit unvergessenen Reportagen über Olympiasieger und Medaillengewinnern. Er plädierte immer wieder für das Laufen überhaupt. „Laufen ist viel mehr. Es kann, physiologisch betrachtet, das halbe Leben sein, ein Lebensverlängerer und Verbesserer der Lebensqualität.“ Und so setzte er sich immer wieder für den Laufsport ein. Wer weiß heute schon, dass „HFÖ“ es war, der die Idee zu einem Berliner Neujahrslauf hatte? Anlässlich der Olympischen Sommerspiele in München rief er zu einer „Olympiameile“ am 1. Januar 1972 rund um den Volkspark Friedrichshain auf. Seine Radiosendung „He, he, he – Sport an der Spree“ nutzte er für die Werbung. Mit großem Erfolg. Etwa 3000 Neujahrsläufer stellten sich zur Premiere am damaligen Lenín-Platz (heute Platz der Nationen) auf. Und an den nachfolgenden Neujahrstagen wurde diese Oertel-Erfindung gute Tradition.
Was auch die Wenigsten wissen: Dieser Berliner Neujahrslauf dürfte gemeinsam mit einem aus Sachsen der Erste in Deutschland gewesen sein. Bis zu 10 000 trafen sich bald im Friedrichshain am „Mont Klamott“, dem aus Trümmern aufgeschütteten Parkhügel.
Am Neujahrsmorgen 1990 nach der Wende gab es dann plötzlich zwei Berliner Läufe: um 11 Uhr mit Start im Friedrichshain mit 5000 Laufenden, um 14 Uhr auf der Straße des 17. Juni mit über 25 000.
Letzteres war ein Jubelrennen!
Und so setzte sich danach Horst Milde mit Heinz Florian Oertel zusammen, und beide vereinbarten sehr schnell und unbürokratisch, ab sofort stets nur einen attraktiven Berliner Neujahrslauf am Brandenburger Tor und entlang dem Prachtboulevard „Unter den Linden“ zu veranstalten.
Heute hat sich Heinz Florian Oertel, betreut von seiner Familie, in seinem Pankower Kiez zurückgezogen. Er verfolgt aber immer noch aufmerksam Olympia, Sommer- und Wintersportarten ebenso wie z.B. den BERLIN-MARATHON und freut sich über die vielen Volksläufe zwischen Rostock und München. Besuche werden meist abgewehrt. Waldemar Cierpinski wurde natürlich hereingelassen. Der übergab „Florian“ sein neuestes Büchlein, das jenen berühmten Titel trägt: „Nennt Eure Söhne Waldemar!“
Herzliche Glückwünsche, Heinz Florian Oertel, auch von uns. Dein Leben für den Sport bleibt unvergessen. Alles Gute und Gesundheit nunmehr auf dem Wege auf die 100 zu…
Klaus Weidt
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