Dr. Anne Jakob-Milicia - NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL ©Horst Milde
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – Dr. Anne Jakob-Milicia
Dr. Anne Jakob-Milicia war Referentin bei der GRR-Jahresmitgliederversammlung in Bräunlingen im Schwarzwald.
Nahrungsergänzungsmittel (NEM) werden von vielen Sportlern konsumiert. Obwohl eine ausgewogene Ernährung für Leistungs- und Hochleistungssportler, auch Ausdauersportler, ausreichend ist, glauben viele Athleten, ihren Energie- und Nährstoffbedarf zusätzlich decken zu müssen.
I. Rechtliche Einordnung
1. Was sind Nahrungsergänzungsmittel?
NEM sind zumeist synthetisch, also chemisch hergestellte Substanzen, die einen oder mehrere Nährstoffe, wie etwa Vitamine, Mineralstoffe, Ballast- oder andere Stoffe in konzentrierter Form enthalten. Rechtlich gehören NEM zu den Lebensmitteln. Damit fallen sie in Deutschland unter die Regelungen des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes. Im Gegensatz zu reinen Lebensmitteln werden NEM jedoch in „dosierter Form“, wie etwa Tabletten, Kapseln oder Pulverpäckchen angeboten.
Bei der Anwendung von NEM unterscheidet man zwischen Substitution und Einnahme von Supplementen. Bei der Substitution werden durch körperliche Anstrengung verloren gegangene Substanzen ersetzt, um die Regeneration des Körpers zu beschleunigen. Die Einnahme von Supplementen dient der Leistungssteigerung und geht über den reinen Nahrungsersatz hinaus.
2. Mögliche Inhaltsstoffe und Zusammensetzung von NEM
Welche Inhaltsstoffe in NEM erlaubt sind, ist im Anhang 1 zur Nahrungsergänzungsmittelverordnung aufgeführt. Es gibt neun verschiedene Substanzgruppen: Vitamine und Provitamine (Vitamin C, Vitamin E, Folsäure, Beta-Carotin), Mengen- und Spurenelemente (Calcium, Magnesium, Eisen, Zink, Selen, Chrom), Vitaminoide (Coenzym Q10, Alpha-Liponsäure), Fettsäuren und Phospholipide (Omega-3-Fettsäuren, Omega-6-Fettsäuren, Lecithin), Amonisäuren und deren Abkömmlinge sowie Peptide (L-Cystein, L-Carnitin, Glutathion), Kohlenhydrate (Inulin, Oligofructose), sekundäre Pflanzenstoffe (Lycopin, Phytosterine, Polyphenole, Phytoöstrogene); Pflanzenextrakte und Produkte tierischen Ursprungs (Obst- und Gemüsekonzentrate, Haifischknorpel) und sonstige (Bierhefe, Algen, probiotische Kulturen).
Die Zusammensetzung von NEM ist sehr unterschiedlich und nicht immer sinnvoll. Sie unterscheidet sich auch je nach Herkunftsland. Auch die Zweckbestimmung ist je nach Herkunftsland unterschiedlich. In den USA sind beispielsweise viele Produkte im Supermarkt erhältlich, die in Deutschland als Arzneimittel gelten würden.
3. Unterschied zu Arzneimitteln
Auch in Deutschland können NEM zu den Arzneimitteln zählen, nämlich beispielsweise dann, wenn es sich um hoch dosierte Vitamine handelt. Wie bereits beschrieben, zählen NEM in Deutschland im Normalfall als Lebensmittel. Im Gegensatz zu Arzneimitteln fallen sie damit nicht in den Anwendungsbereich des Arzneimittelgesetzes. Sie bedürfen keiner behördlichen Zulassung. Daher sind für ihre Herstellung nicht die strengen Maßstäbe an wissenschaftlichen Studien in der Probephase, Überwachung der Produktion oder beim Verfassen der Packungsbeilage einzuhalten. Dies führt dazu, dass nicht alle Inhaltsstoffe deklariert werden, die Ausgangsstoffe bereits kontaminiert sind oder eine Kontaminierung des Produktes während der Produktion eintritt.
Manche auf dem internationalen Markt befindlichen NEM (etwa mit Spuren von Prohormonen oder Hormonen) wären nach deutschem Recht eigentlich keine NEM, sondern Arzneimittel. Für diese ist jedoch ein langer, kostenintensiver Zulassungsprozess zu durchlaufen. Vielfach scheuen den gerade ausländische Hersteller, weshalb sie die entsprechenden Inhaltsstoffe nicht deklarieren. Dies hat dazu geführt, dass in der Praxis eine Grauzone zwischen NEM und Arzneimittel entstanden ist.
Während nämlich deutsche Hersteller bei der Produktion von NEM immerhin noch die Anforderungen des Lebensmittelgesetzes erfüllen müssen, ist häufig gerade bei osteuropäischen oder asiatischen Produkten nicht klar, wie der Produktionsprozess verläuft, welche Ausgangsstoffe verwendet werden und ob tatsächlich alle Inhaltsstoffe auf der Verpackung deklariert sind. Beispielsweise können asiatische Tees Beimengen von Ephedrin enthalten.
Die Chance, dass in ausländischen Präparaten oder in Präparaten, die über das Internet angeboten werden, oft von kleinen, unbekannten Herstellern ohne pharmazeutische Erfahrung, Spurenbeimengungen von auf der Verpackung nicht deklarierten Hormonen oder Prohormonen enthalten sind, ist daher relativ hoch. Da kann in den meisten Fällen auch der Apotheker oder die Apothekerin nicht weiterhelfen.
Die gezielte Prüfung und Kontrolle eines bestimmten Präparates, etwa durch den Hersteller oder ein Labor, kann das Risiko beim Konsum von NEM nicht beseitigen. Das Ergebnis gilt nämlich lediglich für das jeweilige Produkt und könnte bei der nächsten Charge desselben Produkts bereits wieder anders ausfallen. Ob es sich bei einem bestimmten Präparat also um ein NEM oder ein Arzneimittel handelt, kann daher oft nur durch Gerichtsentscheidung im Einzelfall bestimmt werden. Welche Risiken das insbesondere für Sportler birgt, wird weiter unten noch beschrieben.
II. Ausreichend Vitamine und Nährstoffe durch Nahrung
1. Geringerer Nährstoffgehalt von Lebensmitteln?
Häufig wird argumentiert, NEM seien notwendig, um ausreichend Vitamine aufzunehmen. Immer wieder entsteht der Eindruck, Lebensmittel enthielten nicht mehr ausreichend Nährstoffe, seien nährstoffärmer als früher und es herrsche ein allgemeiner Vitaminmangel. Ursache dafür sollen aufgrund intensiver Landwirtschaft ausgelaugte Böden sein, aber auch zu lange Lagerung von Obst und Gemüse aufgrund zu langen Transports. Diese Behauptungen halten wissenschaftlichen Überprüfungen nicht stand. Im Gegenteil: der Nährstoffgehalt der Böden wird von Experten sogar höher eingestuft, als früher.
Selbst tierische Produkte enthalten heute eher mehr als weniger Vitamine und Mineralstoffe als früher. Aus Gründen der Tiergesundheit werden dem Tierfutter Zusatzstoffe mit Vitaminen und Nährstoffen beigemengt, die wir mit dem Verzehr des Fleisches zu uns nehmen. Man kann also durchaus davon ausgehen, dass die Vitamin- und Nährstoffversorgung in Deutschland durchgängig ein ausreichend und gar hohes Niveau erreicht.
Nach wie vor streiten sich die Experten jedoch darüber, und die Ansichten unterscheiden sich oftmals insbesondere in der Nähe des Experten zur Pharmaindustrie.
2. Einsatz von NEM manchmal sinnvoll
Echte Vitaminmangelkrankheiten sind in Deutschland selten. Dennoch gibt es Personengruppen, für die NEM sinnvoll sind. Hierbei handelt es sich um Personen in bestimmten Lebensphasen. So benötigen etwa Heranwachsende im Verhältnis zum Kalorienbedarf mehr Nährstoffe als Erwachsene. Dieser Mehrbedarf kann jedoch mit einer optimalen Mischkost unproblematisch gedeckt werden.
Schwangere und Stillende benötigen mitunter sogar das Doppelte an Nährstoffen und Vitaminen. Hier ist eine Ernährung mit hoher Nährstoffdichte erforderlich. Der Zusatz von Jod, Eisen und Folsäure kann sinnvoll sein.
Bei alten Menschen, die nur noch geringe Nährstoffmengen zu sich nehmen, und bei chronisch Kranken kann eine zusätzliche Zufuhr an Nährstoffen und Vitaminen über NEM angezeigt sein. Auf einen eventuellen Zusatzbedarf bei Sportlern wird weiter unten eingegangen.
Es gilt also, dass im Normalfall die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Tagesdosis mit einer ausgewogenen Mischkost und Ernährung aufgenommen werden.
3. Referenzwerte und täglicher Bedarf
Die DGE hat Nährstoffempfehlungen erarbeitet. Solche Referenzwerte gibt es für jedes Vitamin, Nährstoffe und einige Mineralstoffe. Sie werden anhand wissenschaftlicher Studien ermittelt. Sie sind so berechnet, dass sie für nahezu alle Personen gelten und somit vor ernährungsbedingten Gesundheitsschäden schützen, für volle Leistungsfähigkeit sorgen und eine gewisse Körperreserve schaffen.
Eine strenge Einhaltung der Referenzwerte ist nicht erforderlich. Werden sie nicht erreicht, besteht nicht zwangsläufig ein Mangel. Die Referenzwerte enthalten nämlich einen 20- bis 30-prozentigen Aufschlag.
Nicht zu verwechseln sind die Referenzwerte mit dem bereits genannten Tagesbedarf. Dieser gibt Auskunft über die Menge eines bestimmten Stoffes, der vom Organismus benötigt wird und daher aufgenommen werden muss. Um zu ermitteln, ob ein Mangelzustand und damit ein Bedarf an der Zufuhr von Vitaminen und Nährstoffen über NEM besteht, bedarf es einer Blutuntersuchung.
III. Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln
1. Physiologische Wirkung
Für NEM muss, um sie auf den Markt bringen zu können, im Gegensatz zu Arzneimitteln keine physiologische Wirkung und kein therapeutischer Nutzen nachgewiesen sein. Im Gegensatz zu anderen Ländern dürfen NEM in Deutschland auch keinen therapeutischen Nutzen erfüllen, da sie sonst zu den zulassungspflichtigen Arzneimitteln zählen würden. Bisher war es wissenschaftlich auch nicht möglich, Bedarf oder Nutzen einer zusätzlichen Zufuhr zu belegen.
Internationale Studien ergaben sogar, dass ca. 50 Prozent aller untersuchter NEM keinerlei physiologische Wirkung zeigten! Weitere Studien kamen sogar zu dem Ergebnis, dass Vitamine, wenn sie in hoher Dosierung zugeführt werden, Herzerkrankungen, Krebs-, Leber- oder Nierenleiden fördern. Auch die häufig gepriesene Eigenschaft, dass etwa Vitaminpräparate Krebserkrankungen vorbeugen könnten, konnte bisher pharmakologisch nicht nachgewiesen werden.
Krankheitsbezogene Aussagen und Indikationen sind bei Lebensmitteln und damit bei NEM nicht zulässig. Diese sind auch nicht möglich, da NEM eher unspezifisch und individuell verschieden wirken. Da die vielen verschiedenen einzelnen Substanzen in vielfältiger, nicht bis ins Detail bekannter Weise im Organismus zusammenwirken, muss nach heutigem Erkenntnisstand davon ausgegangen werden, dass einzeln zugeführte Vitamine und Nährstoffe nicht gesundheitsfördernd wirken.
Es gilt zu bedenken, dass der Organismus ein Zusammenspiel aller notwendigen Mineralstoffe ist. Aufnahme und Verarbeitung des einen Elements bedingt die Aufnahme und Wirkung eines anderen Elements. Nur das Zusammenwirken aller Stoffe und Vitamine im richtigen Verhältnis zueinander ermöglicht es dem Organismus, zu funktionieren.
2. Zufuhr von isolierten Wirkstoffen schädlich
Daran wird deutlich, wie wichtig ein ausgewogener und aufeinander abgestimmter Mineralstoff- und Vitaminhaushalt für die Gesundheit ist. Einzelne Mineralstoffe und Vitamine isoliert und unkontrolliert einzusetzen, wie etwa durch den Konsum von NEM, stört den gesamten Haushalt und kann zu Mangel an anderen Vitalstoffen führen. Zudem kann bereits die einseitige Aufnahme eines oder mehrerer Nährstoffe in das komplexe System von Resorption, Metabolismus und Wirkung der Substanzen im Körper eingreifen.
Häufig wird mit der Einnahme isolierter Wirkstoffe ein Vielfaches der empfohlenen Tagesmenge des entsprechenden Nährstoffs aufgenommen. Dies belastet den Körper erheblich, insbesondere Nieren und Leber, müssen die aufgenommenen Stoffe doch vom Körper verarbeitet und ausgeschieden werden. Zudem liefern NEM kaum Energie.
Fehler in der Ernährung werden durch die Einnahme von NEM nicht ausgeglichen, im Gegenteil, ungesundes Ernährungsverhalten könnte sich verfestigen. Der Gebrauch von NEM kann sogar mit Nebenwirkungen verbunden sein. Dies trifft insbesondere für eine überhöhte Zufuhr von fettlöslichen Vitaminen zu. Die überdosierte Einnahme von NEM kann zu Durchfall, Magen-Darm-Störungen, Übelkeit, Müdigkeit oder Erbrechen führen.
Auch Muskelkrämpfe oder Herz-Rhythmus-Störungen können die Folge zügellosen Konsums von NEM sein. Die Einnahme von Kreatin beispielsweise kann auch zur Zunahme des Körpergewichts aufgrund von Wassereinlagerungen führen. Durch den erhöhten Zelldruck erhöht sich außerdem das Verletzungsrisiko. Zu bedenken ist auch, dass die Einnahme oder Injektion von Vitaminen zu einer Tablettenmentalität führen kann, von der es nur ein kleiner Schritt zum Einstieg in die Dopingmentalität ist.
IV. Vermarktung und Kauf von NEM
Die Breite der Anbieter der Kapseln, Pulver, Tabletten, Dragees usw. reicht von der Apotheke bis zum Supermarkt, vom Versandhandel bis zum Internetshop. Der Umsatzmarkt mit NEM ist in den letzten Jahren rapide gestiegen. Die Pharmaindustrie hat eine Vielzahl von Produkten auf den Markt gebracht. Hierbei entstanden einige sinnvolle, aber auch zahlreiche wahllose Zusammenstellungen von Vitaminen, Spurenelementen und Aminosäuren. Zunehmend werden Informationen zum Thema NEM auch in Form von Presseartikeln, Vorträgen oder Beratungen geliefert. Diese sind häufig von der Pharmaindustrie gefördert.
1. NEM sind anmeldepflichtig
NEM, die in Deutschland auf den Markt gebracht werden, sind vom Hersteller beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit zu melden. Die entsprechenden Informationen werden dann an die Lebensmittelüberwachungsämter der Länder weitergeleitet, die den Vertrieb der NEM in Deutschland überwachen. Damit unterliegen NEM einer gewissen Überwachung und Kontrolle. Dies ist bei Präparaten, die über das Internet oder andere Vertriebswege, insbesondere ausländische, angeboten werden, nicht der Fall. NEM sind auch in Deutschland mittlerweile fast überall erhältlich.
Dabei gewinnt man, insbesondere bei den Angeboten in der Apotheke den Eindruck, es handele sich dabei um seriöse, geprüfte und zugelassene Produkte mit einer nachgewiesenen Wirkung. Dies ist, wie bereits beschrieben, nicht der Fall und dient häufig dazu, einen besonders hohen Preis zu rechtfertigen. Die in den Drogeriemärkten oder im sonstigen Handel angebotenen Präparate unterscheiden sich in der Praxis jedoch nicht.
2. Kennzeichnungspflicht für NEM
Seit dem 1.12.2005 müssen alle NEM als solche kenntlich gemacht werden und die Bezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“ tragen. Auf der Verpackung müssen sowohl die täglich empfohlene Verzehrmenge als auch die Nährstoffzusammensetzung angegeben werden. Es gibt eine Reihe vorgeschriebener Warnhinweise, so zum Beispiel, dass NEM nicht als Ersatz für eine ausgewogene Ernährung verwendet werden sollten, dass sie vor Kindern geschützt aufbewahrt werden müssen und dass die täglich empfohlene Verzehrmenge nicht überschritten werden sollte.
3. NEM-Markt
Die Lebensmittelüberwachungsämter haben festgestellt, dass die Hersteller von NEM zunehmend mit falschen Angaben werben, also etwa mit unzulässigen Aussagen zu den Inhaltsstoffen, mit Substanzen, die es nicht gibt oder mit Aussagen zur Gewichtsreduktion, die in Deutschland verboten sind. Es gibt mitunter sogar Hersteller, die nicht wissen, was in den Präparaten enthalten ist.
Auffällig auf dem sich rasant entwickelnden Markt ist ein häufiger Wechsel von Anbietern und Produkten. Dies liegt oft darin begründet, dass die Firmen bei manchen Produkten einem Vertriebsverbot wegen irreführender Werbung (wie etwa häufig bei Schlankheitsmitteln) oder Verkehrsunfähigkeit (wie bei verunreinigten NEM) entgehen wollen. Für neue NEM wird eine massive Werbe- und Verkaufskampagne gestartet. Bevor die Aufsichtsbehörden, die Wettbewerbs- und Verbrauchervereine oder die Gerichte den Hersteller ermittelt haben, ist dieser wieder vom Markt verschwunden, hat den Gewinn jedoch bereits verbucht.
In diesem Zusammenhang ist also insbesondere zu warnen, NEM über das Internet, per Telefonhotline, über Postfachfirmen oder aber auf Verkaufsfahrten zu kaufen. Nicht ratsam ist der Kauf von NEM, die keine vollständige Anschrift des Vertreibers oder eine ausländische Adresse angeben, die Wunder versprechen oder Ängste schüren und das Präparat als Problemlöser anpreisen.
V. NEM und Sport
Der Konsum von NEM ist auch unter Sportlern weit verbreitet. Dabei gilt auch hier: eine ausgewogene Ernährung ist völlig ausreichend, um den täglichen Bedarf an Eiweiß, Vitaminen, Mineral- und Nährstoffen zu decken. Breitensportler haben in der Regel keinen nennenswerten höheren Bedarf an Vitaminen und Nährstoffen. Bei extremer sportlicher Betätigung kann es durchaus zu einem Mehrbedarf an Energie und Nährstoffen führen. Dies trifft insbesondere auf Vitamine der B-Gruppe sowie die Mineralstoffe Jod, Zink und Eisen zu, weil diese über den Schweiß verloren gehen. Relevant kann dies ab einem zusätzlichen Energieverbrauch von mehr als 2.000 kcal pro Woche werden.
Persönliche Gründe für die Anwendung von NEM durch Sportler sind unterschiedlicher Art, dürften jedoch in erster Linie psychischer Natur sein. Oft wird die eigene Ernährungsqualität unterschätzt oder der Empfehlung von Eltern, Trainer oder Mannschaftskameraden ohne Hintergrundwissen gefolgt. Ein leistungssteigernder Effekt durch die Einnahme von NEM konnte bisher in keiner Studie nachgewiesen werden, unabhängig von der Dosierung. Die Ansprüche der konsumierenden Athleten zielen in erster Linie auf eine schnellere Regeneration, spätere Ermüdung und weniger Infekte, aber auch verbesserte Leistungsfähigkeit und Muskelaufbau.
VI. Risiken im Zusammenhang mit NEM
Was jeder Sportler immer bedenken sollte, ist, dass er mit dem Konsum von NEM vor allem eines riskiert: einen positiven Dopingtest. Der Grund hierfür ist, dass zahlreiche NEM verunreinigt sind und bereits kleinste Verunreinigungen bei Dopingtests nachgewiesen werden. NEM können dem Dopingverbot unterliegende Steroidhormone bzw. deren Vorläufersubstanzen enthalten. Gefährlich daran ist, dass dies aus den Herstellerangaben auf Beipackzettel oder Verpackung nicht hervorgeht. Weltweite Studien haben belegt, dass rund 15 Prozent aller geprüften NEM verbotene anabol-androgene Steroide (so genannte Prohormone) aufwiesen, die der Hersteller nicht deklariert hatte!
Konsumieren Sportler kontaminierte NEM, kann eine im Rahmen von Dopingkontrollen abgegebene Urinprobe positiv analysiert werden, etwa auf den Nandrolonmetaboliten Norandrosteron. Nach den geltenden IAAF- und DLV-Dopingreglements erfüllt eine solche positive Analyse den Tatbestand des Dopings. Die rechtlichen Folgen sind gemeinhin bekannt: Es folgt eine Sperre von zwei Jahren.
Weist der betroffene Sportler zweifelsfrei nach, dass der positive Befund eindeutig auf die Einnahme des verunreinigten NEM zurück zu führen ist, dann wird keine Sperre verhängt. Der Sportler hat zudem einen Schadenersatzanspruch gegen den Hersteller, weil ein NEM mit Hormonen oder Prohormonen eben kein NEM sondern ein Arzneimittel ist und deshalb einer Zulassung bedurft hätte. In der Realität ist der erforderliche Nachweis kaum möglich. Oftmals erfolgt der positive Test nach dem vollständigen Verbrauch des verunreinigten Präparates, sodass man dieses keiner Prüfung auf Verunreinigung mehr unterziehen kann.
Wer dennoch meint, NEM zu benötigen, sollte fachlichen Rat suchen und sicherstellen, dass eine professionelle Beratung und Betreuung erfolgt. Es sollte dann auf Präparate zurückgegriffen werden, die in der Roten Liste stehen. Dort sind die nach dem Arzneimittelgesetz zugelassenen Präparate mit allen Inhaltsstoffen aufgeführt. Sie können somit als relativ risikoarm eingestuft werden.
Zudem hält der Olympiastützpunkt Köln eine Datenbank bereit (www.osp-koeln.de), die Informationen über NEM im Hinblick auf Doping-Relevanz gibt.
Die Verantwortung dafür, welches NEM gebraucht wird und für das Risiko einer möglichen Verunreinigung verbleibt freilich dennoch beim Athleten.
Dr. Anne Jakob-Milicia, LL.M., Rechtsanwältin, Frankfurt