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31
05
2009

Ein Mal pro Woche steigt die Magdeburgerin, die bei der Weltmeisterschaft in Osaka 2007 die Bronzemedaille gewann, trotzdem noch in den Ring mit den Seilen.

Nadine Kleinert – Zurück im Ring – Von Michael Reinsch, Halle, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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25. Mai 2009 Nadine Kleinert ist voller Kampfesmut in den Ring zurückgekehrt – zum Kugelstoßen. Boxerin ist die Olympia-Zweite von Athen 2004 nur noch in ihrer Freizeit. Trotzdem keilte und teilte sie bei den Halleschen Werfertagen ordentlich aus, als sie dort am Wochenende mit einer Weite von 19,50 Meter siegte.

Zwar kam die 21 Jahre alte Wattenscheiderin Denise Hinrichs mit ihrem besten Stoß der zwölf Jahre Älteren drei Zentimeter nahe, doch diese gibt sich so selbstbewusst und aggressiv, als gelte es, Schlagzeilen für einen Boxkampf zu machen. „Denise ist zickig und will mich verdrängen“, sagte sie nach dem Wettkampf. „Das lass ich nicht zu. Noch habe ich die besseren Bestweiten.“

„Das Boxen hat mir Schnelligkeit gebracht“

Dabei hat die Frau, die die Eisenkugel von vier Kilogramm schon 20,06 Meter weit hat fliegen lassen, das Angebot, in den Boxring zu wechseln und sich für die Schwergewichts-Weltmeisterschaft aufbauen zu lassen, nur einige Wochen lang ernsthaft erwogen. Nach den Olympischen Spielen von Peking, bei denen sie Siebte wurde, habe sich erwiesen, sagte sie, dass sie doch nicht das Herz eines Boxers habe, sondern das einer Kugelstoßerin. Außerdem hat sie die Sportförderung der Bundeswehr sicher; die Börsen im Boxgeschäft können das offenbar nicht aufwiegen.
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Ein Mal pro Woche steigt die Magdeburgerin, die bei der Weltmeisterschaft in Osaka 2007 die Bronzemedaille gewann, trotzdem noch in den Ring mit den Seilen. „Das Boxen hat mir Schnelligkeit gebracht“, sagt sie. „Und man kriegt den Kopf frei. Wenn man mit den Gedanken woanders ist, tut das sofort weh.“ Doch einstecken ist die Sache der Neunzig-Kilo-Blondine nicht: „Ich habe ein paar blaue Augen verteilt.“

 So stellt sie sich das auch im Kugelstoßen vor. Zwar haben sie und ihre jungen Herausforderinnen Denise Hinrichs und Petra Lammert (Dritte mit 19,02 Meter) in Halle die Qualifikationsnorm für die Weltmeisterschaft in Berlin erfüllt, doch bald dürfte auch noch Christina Schwanitz um einen Platz im Team kämpfen. Nur drei werden nominiert. „Ich sehe die deutsche Meisterschaft als Trials; eine von uns fliegt raus“, kündigte die Altmeisterin in Halle an. „Vielleicht haben wir in Ulm unsere eigene kleine Weltmeisterschaft.“

Dabei soll es natürlich nicht bleiben. Aber Nadine Kleinert braucht die Spannung. „Wenn ich zu locker bin, fällt bei mir die Kugel bei 18 Meter runter“, verriet sie. Trotzdem gibt sie sich bei Gelegenheit gelassen. Mit Ruhepuls sechzig, tönte sie, habe sie im Fernsehsessel verfolgt, wie Petra Lammert und Denise Hinrichs in Turin Gold und Silber gewannen. Und wieder einmal sah sie ihre Einschätzung vom vergangenen Jahr, dass sie mit zunehmendem Alter nicht abbaue, sondern immer stärker werde, belegt: „Ich bin ein Naturwunder.“ Beim Einstoßen nämlich, verriet sie, habe sie ihre persönliche Bestleistung übertroffen. „Da habe ich gemerkt, wie locker man zwanzig Meter stoßen kann“, behauptete sie.

Um die Spannung aufrecht zu erhalten, schimpfte sie im Wettkampf über sich selbst und hinterher über andere. Zum Europacup nach Portugal etwa wolle sie gar nicht mit der Nationalmannschaft fliegen. Ausgerechnet der Versuch des europäischen Verbandes, die Wurfwettbewerbe durch Duelle attraktiver zu machen, gefällt der kampfeslustigen Frau mit dem mächtigen Bumms gar nicht: „Da kann man im ersten Versuch zwanzig Meter stoßen und fliegt hinterher doch raus“, schimpfte sie.

„Der Modus ist eine Verarsche der Athleten.“

Michael Reinsch, Halle, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 25. Mai 2009 

author: GRR

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