Die Nachtests der Olympia-Proben ergeben manch positiven Befund. ©Horst Milde
Nachtests des IOC – Weitere 45 Olympia-Athleten unter Dopingverdacht – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Bei den Olympischen Sommerspielen von Peking 2008 und London 2012 hat es nach neuestem Stand weit mehr als hundert Doping-Fälle gegeben. Am Freitag teilte das Internationale Olympische Komitee (IOC) in Lausanne mit, dass bei der Nachkontrolle eingefrorener Proben 45 weitere Fälle entdeckt worden seien; 23 beträfen Medaillengewinner.
Das IOC teilte nicht mit, welche Athleten überführt worden oder welche Sportarten und Länder betroffen sind. Derzeit werden die Sportlerinnen und Sportler angehört. Dies sei die zweite von vier Wellen nachträglicher Tests, ließ das IOC wissen; die Ergebnisse der nächsten Untersuchungen sollen während der Spiele von Rio de Janeiro im August und danach bekannt gemacht werden.
Die erste Welle, die vorrangig Athleten galt, die noch aktiv sind, spülte im Mai 53 Fälle zutage; auch die Identität dieser Sportler ist noch nicht bekannt. Die Fälle stammen aus mindestens vier Sportarten und neun Ländern.
Die Ergebnislisten der Spiele von Peking, London ebenso wie von den Winterspielen in Sotschi 2014 dürften damit das Papier nicht wert zu sein, auf dem sie stehen. In Sotschi wurden, wie der McLaren-Report in dieser Woche bestätigte, mehr als hundert Proben gedopter russischer Athleten im Analyse-Labor ausgetauscht.
Russland war mit 13 Olympiasiegen und 33 Medaillen Nummer eins des Medaillenspiegels. Die Proben aller russischen Teilnehmer sollen überprüft werden.
Während der Spiele in Peking und London gab es jeweils rund ein halbes Dutzend positiver Tests; die prominentesten betreffen die Siegerin des Kugelstoßens in London, die Weißrussin Nadeschda Ostaptschuk, und drei Pferde aus den Springreit-Wettbewerben von Peking. Die meisten Doper, etwa die Olympiasieger im 1500-Meter-Lauf, die Türkin Asli Çakir Alptekin (London) und Rashid Ramzi aus Bahrein (Peking), wurde nachträglich überführt.
Damit scheint sich die Strategie zu bewähren, auf den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt in der Analyse zu setzen. Das IOC bewahrt die Urinproben von Olympischen Spielen dafür zehn Jahre lang auf.
Die erwartete abschreckende Wirkung scheint sich allerdings erst noch entfalten zu müssen. „Die neuen Nach-Tests zeigen wieder einmal die Entschlossenheit des IOC in seinem Kampf gegen Doping“, wird IOC-Präsident Thomas Bach zitiert. Insgesamt hat das IOC nach eigenen Angaben bislang 1243 Proben von 2008 und 2012 testen lassen.
Das Exekutivkomitee des IOC hatte am Dienstag in Reaktion auf den McLaren-Report seine Kritik am Anti-Doping-System wiederholt; mit großer Besorgnis nehme es die Defizite zur Kenntnis. Weil das System auf den Prüfstand gehöre, sei die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) aufgefordert, 2017 eine außerordentliche Welt-Konferenz über Doping einzuberufen.
Es gelte, Transparenz zu schaffen und Verantwortlichkeiten zu klären. Ob das IOC mit seinem Plan, das Anti-Doping-System unabhängig von den Sportorganisationen zu machen, weiterhin die Wada zu stärken beabsichtigt, deren Budget es zur Hälfte bestreitet und deren Präsidenten es stellt, erscheint bei solchen Tönen zumindest fraglich.
Die Kronzeugen Witali Stepanow und Julija Stepanowa hatten sich bereits 2010 mit Berichten über systematische, staatlich unterstütztes Doping im russischen Sport bei der Wada gemeldet.
Nach vier Jahren Korrespondenz empfahlen Mitarbeiter der Organisation den beiden, sich ans Fernsehen zu wenden.
Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Freitag, dem 22. Juli 2016
Weitere Beiträge zum Thema DOPING finden Sie auf der GRR-website: "DOPING"
"DOPING"
German Road Races e.V. (GRR) auf facebook:
https://de-de.facebook.com/germanroadraces
German Road Races e.V. (GRR) auf twitter:
https://twitter.com/germanroadraces