Ein Grund für den Erfolg von Mo Farah ist, dass er sich immer wieder konsequent starke Trainingspartner sucht. Schon vor fünf Jahren trainierte er gemeinsam mit dem Australier Craig Mottram und dem Kenianer Micah Kogo, mit dem er heute noch zusammen arbeitet und gut befreundet ist
Mo Farah – vom Flüchtlingskind zum Europameister
Vier Jahre hatte er gewartet auf diesen Tag: Am Dienstagabend wurde Mo Farah in Barcelona schließlich Europameister. 2006 war er als britische Gold-Hoffnung in Göteborg über 5.000 m gestartet, musste aber am Ende mit Silber vorlieb nehmen. Nun gewann der 27-jährige Londoner im Olympiastadion und feierte damit nicht nur den größten Sieg seiner bisherigen Karriere sondern schrieb auch noch ein Kapitel britische Leichtathletik-Geschichte.
Denn nie zuvor hatte ein Läufer aus Großbritannien bei der EM das Männer-Finale über 10.000 m gewonnen. Nach einem taktischen Rennen siegte Mo Farah souverän in 28:24,99 Minuten vor seinem Landsmann Chris Thompson und dem zeitgleichen Italiener Daniele Meucci (jeweils 28:27,33). Der britische Doppelsieg kam am Dienstag übrigens passenderweise ganz genau zwei Jahre vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in London.
„Vor vier Jahren bin ich nach Hause gegangen und wusste: ich muss vier Jahre warten, um eine neue Chance auf einen EM-Titel zu erhalten. Das war nicht leicht“, erklärte Mo Farah, der am Donnerstag auf die Bahn im Olympiastadion zurückkehrt. Dann stehen die 5.000-m-Vorläufe auf dem Programm. Im Finale dürfte der Engländer dann am Sonnabend mit Alemayehu Bezabeh um Gold kämpfen. Der Spanier stammt aus Äthiopien und gewann bei der Cross-EM im vergangenen Dezember nach einem spannenden Duell vor Mo Farah den Titel.
Alemayehu Bezabeh dürfte deutlich stärker sein als Ayad Lamdassem. Der aus Marokko stammende Spanier war am Dienstagabend im 10.000-m-Finale der letzte Konkurrent, der in der Schlussphase noch mit Mo Farah an der Spitze gelaufen war. Am Ende blieb ihm aber nur Rang vier.
Mo Farah, der im vergangenen Jahr bereits Hallen-Europameister über die 3.000-m-Distanz war und 2006 den kontinentalen Cross-Titel gewonnen hatte, ist keiner jener kurzfristig des Erfolges willen adoptierten Athleten, die teilweise nicht einmal die Sprache ihres neuen Heimatlandes verstehen. Als Kind einer Flüchtlingsfamilie war Mohamed Farah im Alter von 10 Jahren aus Somalias Hauptstadt Mogadischu nach England gekommen. Seinem Sportlehrer Alan Watkinson fiel das Lauf-Talent auf. Er ließ Mo Farah viel Fußball spielen, brachte ihn zu einem Lauf-Klub und 1997 hieß der englische Crosslauf-Schulmeister Mo Farah.
Als 18-Jähriger wurde er dann 2001 Junioren-Europameister über 5.000 m. In der damaligen Zeit traf Mo Farah auch auf den zwei Jahre älteren Chris Thompson, der sich an eine Anekdote von einem nationalen Straßenrennen erinnert. „Damals waren wir beide am Start und hatten vorher überlegt, dass wir unsere Preisgelder nachher zusammenlegen und teilen könnten. Mo gewann, ich wurde Zweiter. Er bekam 100 Pfund, ich erhielt 75. Doch dann war er plötzlich weg“, erzählte Chris Thompson und scherzte: „Vielleicht bekomme ich heute endlich die 12,50 Pfund von Mo!“
Ein Grund für den Erfolg von Mo Farah ist, dass er sich immer wieder konsequent starke Trainingspartner sucht. Schon vor fünf Jahren trainierte er gemeinsam mit dem Australier Craig Mottram und dem Kenianer Micah Kogo, mit dem er heute noch zusammen arbeitet und gut befreundet ist. Farah lebt im Südwesten von London, wo große Parkanlagen ideale Trainingsbedingungen bieten. Eine Reihe von kenianischen Weltklasseathleten nutzen Teddington als Sommer-Basis. „Sie schlafen, essen, trainieren und ruhen sich aus – das ist alles, was sie machen. Aber genau das musst du machen. Ich will nicht nur der beste Brite sein, ich will mit den Besten der Welt konkurrieren können.“
Vor knapp zwei Jahren fuhr Mo Farah in der Vorbereitung auf die Crosslauf-Europameisterschaften mit den Hindernisläufern Mustafa Mohamed (Schweden) und Bob Tahri (Frankreich) ins Trainingslager nach Äthiopien, auf die EM in Barcelona bereitete er sich teilweise in Kenia vor.
„Dieser Sieg heute bedeutet auch für meine Familie viel“, erzählte Mo Farah nach dem bisher größten Erfolg seiner Karriere in Barcelona. In der Vorbereitung auf die EM musste auch seine Frau zurückstecken. Nach dem Hochzeitsurlaub im Frühjahr in Sansibar (Tansania) wollten beide eigentlich nach London zurückfliegen und Mo Farah dann weiter zum Meeting nach Stanford (USA). Aufgrund der Aschewolke, die den Flugverkehr lahm legte, gab es für Farah jedoch keine Möglichkeit, rechtzeitig nach Amerika zu kommen. „Da habe ich mir gesagt, dann fahre ich eben gleich wieder ins Trainingslager nach Kenia und habe meine Frau aus Sansibar alleine nach Hause geschickt.“
Dass Mo Farah in dieser Saison in Topform ist, hatte er bereits im Mai und Juni bewiesen. Zunächst gewann er einen 10-km-Straßenlauf in London in der nationalen Rekordzeit von 27:44 Minuten, wobei er den 10-km-Weltrekordler Micah Kogo hinter sich ließ. Dann setzte er sich überlegen beim 10.000-m-Europa-Cup in Marseille durch und stellte mit 27:28,86 Minuten eine persönliche Bestzeit auf. Jetzt darf man gespannt sein, ob Mo Farah in Barcelona auch über 5.000 m triumphieren kann.
Zuletzt gab es bei einer EM einen Langstrecken-Doppelsieg bei den Männern 1990: In Split triumphierte der Italiener Salvatore Antibo über 5.000 und 10.000 m.
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