Die Medaille ist ein Original, das einzig existierende.
Millionenschwere Medaille – Das letzte verbliebene Olympia-Gold von Jesse Owens wird versteigert – MICHAEL GERNANDT in der Süddeutschen Zeitung
Für die kalifornische Firma SCP Auctions in Laguna Niguel (Orange County) wird der Samstag nächster Woche kein Tag wie jeder andere sein. Geht doch am 7. Dezember der Hammer nieder vermutlich für ein Bieterangebot, das bisher in der Ka-tegorie des vorgelegten Gegenstands noch nie erreicht wurde.
Die Nachricht von der außergewöhnlichen Versteigerung liefe in Windeseile um den Globus. Zum Aufruf kommt eine 1928 vom Florenzer Bildhauer Cassioli entworfene vergoldete Silberplakette von 55 Millimeter Durch-messer. SCP-Chef David Kohler vermutet, der Ertrag könnte eine Millionen Dollar und mehr übersteigen.
Ein Klacks im Vergleich zu Ergebnissen, die bei Sotheby`s erzielt werden, ein Brocken indes für die auf Memorabilien aus dem Sport spezialisierte SCP. Nur zweimal lagen die Kalifornier bisher über der Millionenmarke: Für das Trikot aus dem Jahr 1920 der Baseballlegende Babe Ruth wurden 4,4 Millionen Dollar ersteigert, Ruth` signierter Schläger, mit dem er einst den ersten Homerun im New Yorker Yankee-Stadion schlug, brachte 1,26 Millionen.
Erinnerungsstücke aus dem olympischen Sport haben bei SCP, einem der größten Sportauktionshäuser der USA, die Millionmarke noch nicht geschafft. Spitze hier: Die 865.000 Dollar für einen Silberpokal, den der Grieche Spiridon Louis für den Marathonsieg bei den ersten Olympischen Spielen 1896 in Athen erhielt.
Es ist die Provenienz der in Laguna Niguel aufgerufenen Plakette und die Aura ihres ehemaligen Besitzers, die SCP-Kohler auf den „olympischen Rekord“ hoffen lassen. Sie gehörte dem wohl bedeutendsten Sportler des 20. Jahrhunderts: Jesse Owens, dem afroamerikanischen Leichtathlet und vierfachen Olympiasieger der Spiele 1936.
Welche der vier Goldmedaillen für Owens` Siege mit Weltrekorden über 100, 200 und 4×100 m, dazu den im Weitsprung unter den Hammer kommt, wird immer ein Rätsel bleiben. Die Berlin-Organisatoren hatten die Stücke nicht, wie heute üblich, mit der Gravur des Athletennamens und der Disziplin versehen.
Zweifelsfrei dagegen: Die Medaille ist ein Original, das einzig existierende. Die drei anderen seien unauffindbar, heißt es, auch in den Familien der Owens Nachkommen. In der Bibliothek der Universität Ohio State in Cleveland, der Alma Mater des Sportlers, können vier aus Deutschland überreichte Duplikate besichtigt werden.
Die Echtheit wird von Zeitzeugen, Experten und dem Medaillenbesitzer bestätigt, der Familie von Elaine Plaines-Robinson; sie bot die Plakette zur Versteigerung an. Plaines-Robinson ist die Witwe des ehemals in den USA sehr populären Steptänzers und Schauspielers Bill Robinson (gst. 1949). Ihm schenkte Owens eine der vier Medaillen: aus Dankbarkeit, dass er dem nach dem Triumph in Berlin vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zum Profi erklärten Olympiasieger half, seine Familie zu ernähren:
Als Owens aus Deutschland in die von Rassendiskriminierungen heimgesuchten USA zurückgekehrte, erhielt er in New York und Cleveland wohl Konfettiparaden, aber jahrelang keine geregelte Arbeit.
Olympische Insignien von dieser enormen Bedeutung zu Geld zu machen, stößt nun nicht überall auf Verständnis. So meldete das IOC Bedenken an. Ausgerechnet jenes Unternehmen also, das den Dollarnoten hinterher jagt wie der Hund hinter der Katze und die Bewahrung olympischer Werte gern mal von seiner Dringlichkeitsliste nimmt.
IOC-Präsident Thomas Bach sagte, es sei „schwer zu akzeptieren, dass die Medaille zu einer Auktion geht und an eine private Person versteigert wird. Sie ist Teil des Welterbes und hat eine Bedeutung, die weit über die Leistungen von Owens hinaus-geht“.
Auch David Kohler von SCP redet von einem „Stück Geschichte“, der ideale Platz für die Medaille sei ein Museum. SCP habe sich aber nichts vorzuwerfen, habe nach dem ersten Kontakt mit den Robinsons die Owens-Familie „umgehend und aus Respekt“ über die Entscheidung informiert.
Teile des ersteigerten Gelds sollen für die Ausbildung der Robinsonnachkommen und wohltätige Zwecke verwendet werden.
Der große Menschenfreund Jesse Owens, 1980 mit 64 gestorben, hätte gewiss nichts dagegen gehabt.
MICHAEL GERNANDT in der Süddeutschen Zeitung, Mittwoch, dem 27. November 2013
Themenverwandt: Jesse Owens