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25
01
2009

Die Verantwortung für die gesunde Ernährung und Förderung des kindlichen Bewegungsdranges sollte jedoch nicht vom sozialen Umfeld weg in Richtung Staat oder Bildungsträger geschoben werden. Die Kinder entwickeln sich vielfach so wie es ihnen ihr Umfeld vorlebt.

Metropolmarathon Fürth – Kinder und Ausdauersport: Tipps zum Training

By GRR 0

Ein Interview mit Axel Dörrfuß, Sportwissenschaftler Univ., wohnhaft in Zirndorf. Axel hat zwei Kinder (sieben und neun Jahre alt) und ist Inhaber der Sportwissenschaftlichen Praxis für Gesundheits- und Leistungssport contractrelax.

F: Axel, Du bist Sportwissenschaftler Univ., was genau ist das bzw. welche Ausbildung hast Du?

A: Sportwissenschaft ist ein Hochschulstudium. Das Grundstudium entsprach zu meiner Zeit  dem  für Sportpädagogik (sprich Lehramt).
Das Studium vertieft sich dann in Anatomie, Biologie und Psychologie sowie schwerpunktmäßig auf Sportmedizin.

Wie beurteilst Du die Neueinführung des Unterrichtsfaches "Gesunde Ernährung und Bewegung" an Schulen?

Ich sehe es als eine sinnvolle und inhaltlich gute Sache an. Die Verantwortung für die gesunde Ernährung und Förderung des kindlichen Bewegungsdranges sollte jedoch nicht vom sozialen Umfeld weg in Richtung Staat oder Bildungsträger geschoben werden. Die Kinder entwickeln sich vielfach so wie es ihnen ihr Umfeld vorlebt. Die Vorbildfunktion darf nicht abgewälzt werden. Und so sehe ich zentral die Verantwortung bei den Eltern und nahen Anverwandten der Kinder. Eine Übertragung oder Vernachlässigung dieser Verantwortung beurteile ich eher als kritisch und gefährlich. Eine Elternschulung sollte gleichermaßen überdacht werden.

Welche Erfahrung hast Du mit Sport mit Kindern?

Ich bin der ursprüngliche Initator des SBK-Räuberlaufes Fürth, der mittlerwiele eine feste Einrichtung geworden ist. Die Idee kam aus einem Versprechen an meine kleine Tochter, die 2003 einen Kinderlauf verpasst hatte, weil wir zu spät kamen. Dieser war im Vorfeld des Jungfrau-Marathon und ich war schon etwas überrascht, als ich sah welche Strecken die kleinen Kinder dort völlig selbstverständlich liefen. Die Zweijährigen 800 m, die Dreijährigen 1.000 m usw.

Beruflich betreue ich die deutsche BMX-Nachwuchs-Elite, die bayerische Tennisjugend und die Leistungssportklassen der Berthold-Brecht-Schule in Nürnberg. Für die genannten Sportarten führe ich disziplinspezifische Leistungstests durch, die u.a. die Koordinationsfähigkeit, Ausdauer- und Sprintfähigkeit überprüfen. Die betreuten Nachwuchssportler sind zwischen 10 und 18 Jahre alt.

In welchem Alter sollten Kinder anfangen, Sport zu treiben?

Wenn wir Sport mit der Unterstützung und Förderung der kindlichen und natürlichen Bewegungsfreude gleichsetzen, dann kann nach der Geburt damit begonnen werden. Zielorientierter Leistungssport kann je nach Sportart etwa ab dem Schulalter beginnen.

In welchen Alter kann/sollte Ausdauertraining beginnen?

Ausdauertraining/Ausdauerbelastung beginnt ab einer Dauer einer ununterbrochenen Bewegung von einer Minute. Für ein kindgerechtes und bewegungsfreudesteigerndes Sportangebot kann es eigentlich nie zu früh sein. Der Mensch benötigt Bewegung für seine körperliche und geistige Entwicklung.

Kinder stillen dieses Bedürfnis durch ihren natürlichen Bewegungsdrang. Laufen ist zweifellos eine der zentralen Möglichkeiten, dem gerecht zu werden und das spätere Bewegungsbewusstsein des erwachsenen Menschen zu entwickeln. Um diese Entwicklung anzuregen und zu fördern, bedarf es auch der Vorbildfunktion des engeren sozialen Umfeldes, also der Familie.

Ausdauertraining zur Verbesserung der Ausdauerleistung kann in etwa ab vier oder fünf Jahren beginnen, sofern das Kind daran Freude hat. Dabei stehen immer die Interessen und Neigungen der Kinder im Vordergrund. Kindliches Ausdauertraining kann vielfältig aussehen. Es fängt mit dem Kicken im Hof an, geht mit dem Inlinerfahren weiter bis hin zu Ballsportarten, bei denen aber auch ein – und das ist sehr wichtig – entsprechend großes Spielfeld zur Verfügung stehen muss.

Manche Eltern befürchten, dass die Ausdauerschulung schädlich für das orthopädische System oder auch für den Kreislauf der Kinder ist. Wie siehst Du das?

Das Gegenteil ist die Tatsache. Kinder haben einen natürlichen Überlastungsschutz, der bis zum Ende der Spätpubertät und dem Einsetzen der Adoleszenz anhält. Auch ist es bei gesunden Kindern so, dass der Skelettmuskel vor dem Herzmuskel ermüdet. Kinder sind genau so wie Erwachsene hochgradig anpassungsfähig auf Trainingsreize insbesondere im Ausdauerbereich. Entscheidend ist, dass die Belastung nicht höher als das eigene Körpergewicht sein soll, wie es z.B. beim Laufen, Inlinern, bei Ballsportarten oder dem Radfahren der Fall ist im Gegensatz zu Sprung- oder Abfangbewegungsabläufen, die wohl dosiert sein sollten.

Wichtig ist das an die Sportart angepasste Schuhwerk. Ein Hallenfußballschuh ist nicht für einen Dauerlauf geeignet. Er bietet weder genug Dämpfung, noch Führung und auch zu wenig Stabilität. Außerdem sollten die Eltern nicht vergessen, den Kindern ausreichend  Getränke mitzugeben. Pro Stunde Sport/Spiel braucht ein Kleinkind schon ca. 0,5 Liter Getränk. Der Getränkehalter am Fahrrad oder die gängigen Getränkeflaschen für unterwegs sind sicher eine gute Investition in die Gesundheit der Kinder.

Wie und in welchen Umfang sollte Ausdauertraining bei Kindern betrieben werden?

A: Das Ausdauertraining sollte abwechsungslreich, kurzweilig und kindgemäß sein; dabei umfangs- aber nicht intensitätsbetont. 5-, 10- oder 15-Minutenläufe mit niedriger Geschwindigkeit bieten sich an. Die allgemeine Belastbarkeit sollte vielfälig aufgebaut werden in den verschiedenen Spiel- und Sportarten. Ballsportarten bieten sich hier als zum Beispiel alsgünstig an.

Wie können Kinder spielerisch an das Thema Laufsport/ Sport herangeführt werden?

Es gibt vielfältige Möglichkeiten, wie das Aufstellen von Parcours, das Ablaufen von Timm-Dich-Pfaden, eine Belohnung für eine vereinbarte Leistung oder das gemeinsame Ziel, den Weg zur Oma erst in Etappen und dann in vier Wochen komplett durchzujoggen. Eine vorbildliche, kindgerechte  Heranführung an die verschiedensten Sportarten gibt es z.B. bei der Kindersportschule TV 1960 Fürth (KISS).

Zweifellos kann die Teilnahme an Kinderläufen die Motivation steigern. Der Erfolg sollte jedoch nicht am Abschneiden im Vergleich zu Gleichaltrigen festgemacht werden –  wesentlich für die weitere Motivation ist vielmehr die Freude über die Teilnahme und das Gemeinschaftserlebnis. Als Anhaltspunkt Kinder im Alter zwischen zwei und sieben Jahren können zwischen 400 und 1.600 m laufen.

Welchen Rat würdest Du Eltern geben, damit sie das richtige Pensum abschätzen können?

Die Eltern sollten sich auf den natürlichen Überlastungsschutzmechnismus der Kinder verlassen und dann abbrechen, wenn das Kind es möchte. Spaß und Freude sollten im Vordergrund stehen.  Das Kind entscheidet, wenn es nicht mehr möchte. Hier ist das pädagogische Geschick der Eltern, entsprechend zu motivieren, ebenso gefordert wie das Vertrauen in das Körpergefühl ihres Kindes.

Kinder sind heute körperlich unterfordert als überfordert. Ein gesundes Kind kann durchaus 5 – 15km am Tag laufen. Denken wir nur mal an die früheren Schulwege, die zu Fuß zurückgelegt werden mussten – wie sieht es im Vergleich heutzutage aus.

Wo können sich Eltern bei Unsicherheit schlau machen oder beim wem könnten sie nachfragen?

Gerne können wir uns für ein weiters Gespräch verabreden.  Ich schlage vor, die Familien richten ihre Fagen an die Service-Mail KIDS-run@metropolmarathon.de Diese E-Mail-Adresse ist gegen Spambots geschützt! Sie müssen JavaScript aktivieren, damit Sie sie sehen können. des Metropolmarathon und wir gehen dann beim nächsten Mal darauf ein.

Lieber Axel , vielen Dank für das Interview!

Interview: Anita Kinle, Organisatorin der Kinder- und Jugendläufe beim Metropolmarathon und Initiatorin der Down Syndrom Marathonstaffel

Metropolmarathon Fürth

author: GRR

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