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20
09
2008

Wariner war in Stuttgart froh, dass die Saison nun zu Ende ist. „Ich fliege morgen nach Hause. Nach der langen Saison – ich bin ja schon im Februar in Australien gelaufen – fühle ich, dass mein Körper richtig müde ist“, sagte der Weltmeister der Jahre 2005 und 200

Merritt – Wariner – Sieg im „Elfmetershießen“ – Jörg Wenig berichtet in „leichtathletik“

By GRR 0

Sieben Mal trafen Jeremy Wariner und LaShawn Merritt in dieser Saison aufeinander. Am Ende ging diese Serie mit 4:3 für Merritt aus, was im Saison-Vorfeld sicher kaum jemand für möglich gehalten hätte. Was wie das Ergebnis eines Fußballspiels nach Verlängerung klingt, wurde in der Tat erst mit einem ,Elfmeterschießen’ und einem Tor Unterschied entschieden.

Denn derart knapp endete das siebente Aufeinandertreffen der beiden US-amerikanischen 400-m-Läufer in Stuttgart beim World Athletics Final. Eine Hunderstelsekunde gab den Ausschlag in der spannendsten Entscheidung des letzten großen Leichtathletik-Wochenendes in der Daimler-Benz-Arena.

Als LaShawn Merritt ins Ziel stürzte und dann hart der Länge nach auf die Bahn fiel, blieben die Uhren bei 44,50 Sekunden stehen. Jeremy Wariner, den er auf den letzten Metern noch abgefangen hatte, lief 44,51 bei kühlen Temperaturen von nur 14° Celsius. Damit hatte der Olympiasieger Merritt in dieser Saison alle großen Rennen gegen Wariner gewonnen – wer hätte das noch vor gut drei Monaten gedacht?

„Das war ein hartes Rennen, weil die Wetterbedingungen nicht gut waren“, sagte der 22-jährige LaShawn Merritt. „Aber die Bedingungen waren für alle gleich.“ Eingangs der Zielgeraden hatte Jeremy Wariner noch in Führung gelegen, doch dann verkürzte LaShawn Merritt den Abstand Stück für Stück und schob sich noch an seinem Konkurrenten vorbei. „Ich habe es mir heute selbst schwer gemacht. Irgendwie hat mich das kalte Wetter etwas aus dem Rhythmus gebracht in der ersten Hälfte des Laufes. Ich bin nicht so flüssig gelaufen wie sonst.“

„Ich hatte wirklich eine großartige Saison. Denn ich habe alle großen Rennen gewonnen, auf die ich mich konzentriert hatte“, erklärte LaShawn Merritt, der seine Bestzeit im olympischen Finale auf 43,75 Sekunden steigerte, und fügte hinzu: „Rennen gegen Jeremy bringen immer hochklassige Resultate.“ Bei seinem ersten Sieg im ersten Aufeinandertreffen der Saison vermasselte Merritt seinem Kontrahenten die erhoffte Jackpot-Tour in der Golden League. Gleich zum Auftakt der Serie in Berlin war der damals noch eher als Außenseiter an den Start gegangene Merritt der Sieger.

Er setzte sich dann auch bei den US-Olympia-Trials sowie in Peking und nun schließlich in Stuttgart durch. Wariner dagegen war bei den Golden League-Meetings in Rom, Paris und Zürich vorne. In Italien war es dabei genauso eng wie in Stuttgart: eine Hundertstelsekunde trennten die beiden. Ohne Zweifel gehörten die Duelle der zwei Amerikaner zu den Höhepunkten einer insgesamt sehr starken olympischen Leichtathletik-Saison. Auf die Frage, ob er sich eine derart erfolgreiche Saison vor einem halben Jahr erträumt hatte, antwortete LaShawn Merritt, der als 18-Jähriger 2005 einen Alters-Weltrekord von 44,66 Sekunden aufgestellt hat: „Ich wusste, dass ich nahe dran war, dies schaffen zu können.“

Nach einer rund sechswöchigen Pause will Merritt mit den Vorbereitungen auf die neue Saison beginnen. Hallenstarts sind dabei nicht geplant. „Ich hoffe, dass ich verletzungsfrei bleibe und da weitermachen kann, wo ich in diesem Jahr aufgehört habe. Es gibt eine Reihe von technischen Aspekten, in denen ich mich noch verbessern kann. So ist es mein Ziel, meine Bestzeit im nächsten Jahr weiter zu verbessern“, sagte LaShawn Merritt, der ankündigte, 2009 auch über 200 Meter an den Start zu gehen. „Aber ich werde bei den Weltmeisterschaften sicher nicht über beide Distanzen laufen. Einen Doppelstart kannst du nur machen, wenn du eine Disziplin wirklich dominierst.“

Dass es zu einer solchen Dominanz nicht kommt, dafür will Jeremy Wariner sorgen. „Das war hier aufgrund der Wetterbedingungen ein wirklich hartes Rennen“, sagte der Olympiasieger von Athen 2004, der sich minutenlang erholen musste, bevor er in der Lage war, Interviews zu geben. „Heute hat er mich geschlagen, aber es war knapp. Ich mag es nach wie vor nicht, zu verlieren. Daher ist das auch eine Motivation für mich, im nächsten Jahr noch stärker zu sein“, sagte Jeremy Wariner, der im Gegensatz zu seiner ersten Niederlage der Saison in Berlin wesentlich gefasster schien. Nach dem ISTAF war er noch wortlos durch die Mixed-Zone der Journalisten gegangen.

Wariner war in Stuttgart froh, dass die Saison nun zu Ende ist. „Ich fliege morgen nach Hause. Nach der langen Saison – ich bin ja schon im Februar in Australien gelaufen – fühle ich, dass mein Körper richtig müde ist“, sagte der Weltmeister der Jahre 2005 und 2007, dessen Manager der 400-m-Weltrekordler Michael Johnson ist. Angesprochen auf sein ursprüngliches Ziel, den Rekord Johnsons zu brechen und die erste Zeit unter 43 Sekunden zu erreichen, sagte Wariner: „Zunächst einmal geht es darum, zu gewinnen – dann werden wir sehen, was geht.“

Als Jeremy Wariner auf seine 3:4-Serienniederlage gegen LaShawn Merritt angesprochen wird, fängt er an zu rechnen und sagt: „Nein, es steht doch 4:4. Ich habe ihn schließlich bei den Trials in der Zwischenrunde geschlagen!“ Entsprechend korrigiert, antwortete Wariner: „Ach, das zählt nicht?“ Es ist wie im Fußball: Halbzeitresultate sind am Ende wertlos.

Es kann zwischen Merritt und Wariner aber noch eine Reihe von interessanten Spielzeiten geben.

Jörg Wenig berichtet in "leichtathletik" Nr. 38 vom 17. September

author: GRR

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