"Eile mit Meile" - Urkunde aus Erfurt - Foto: Sporthistorische Blätter 23
Meilenweit vor 50 Jahren – Auch die Sporthistorischen Blätter erinnern daran. 1974 setzten sich in der DDR Sportjournalisten mit einer Ausdauer-Idee durch. Klaus Weidt berichtet.
Ende April vor 50 Jahren probten zahlreiche Sportjournalisten in der DDR einen „Aufstand“.
Unerwartet für die Sportführung um Manfred Ewald. Sie wollten die Benachteiligung des Freizeit- und Erholungssports gegenüber dem Leistungssport ändern. Mit neuen Ideen.
So hatten sie bereits 1973 eine Kommission gegründet, die eine wirksame Aktion ins Leben rufen sollte. „Trimm dich“ im Westen Deutschlands ließ grüßen…
„Lauf dich gesund“ war ein Vorläufer, doch fehlte die durchschlagende Wirkung. Neu war: Vier Ausdauer-Sportarten sollten in den Brennpunkt der neuen Aktion gerückt werden. Und möglichst gleich mit einer wirkungsvollen Idee. Sieger müsste jeder sein können! Das Ziel für jeden Normalverbraucher erreichbar!
Die Disziplinen – Foto: Sporthistorische Blätter 23
Warum nicht Meilen sammeln?
Und so schrieben engagierte Sportredaktionen Sportgeschichte. Unter dem Titel „Eile mit Meile“ entwickelten sie Meilenpässe, in denen die Aktivitäten eines Jeden eingetragen werden konnten.
Ziel des ersten Jahres: 25 Meilen in einer dieser volkstümlichen Sportarten: Laufen (1 Meile=2000 m), Schwimmen (1 Meile = 400 m), Fuß-, Wasser- oder Skiwandern (1 Meile = je 4000 m), Radwandern (1 Meile = 8000 m). Der Wettbewerb sollte sich erstmals über das Jahr 1994 erstrecken, die Meilenpässe waren bis Ende des Jahres an eine Sportredaktion zwischen Ostsee und Erzgebirge zu senden. Startschuss durch alle DDR-Sportredaktionen am Wochenende des 20./21. April 1974.
Da den Initiatoren dieser Aktion klar war, dass hier auch ein materieller Anreiz geschaffen werden müsste, wurden die verschiedensten Betriebe und Institutionen mit der Bitte angeschrieben, kleine oder größere Preise zu stiften. Was sogar funktionierte. Ende des Jahres bei einem improvisierten „Meilenball“ wurden diese verlost. Auch für Organisatoren neuer Volkssport-Events.
So entstand durch diese neue „Meilenbewegung“ beispielsweise der noch heute beliebte Heidelauf im sächsischen Bad Düben. Initiator Karl-Heinz Emmrich gewann ein Moped, auf dem er dann tags drauf tatsächlich die 170 km bis zur Heide fuhr. Rennsteiglauf-Vater Hans-Georg Kremer konnte sich über eine Moskau-Reise freuen. 1000 kleine Preise hatten die Meilen-Organisatoren dann noch wochenlang in aufwendiger Freizeitarbeit zu verschicken.
Laufende Sportjournalisten der DDR als Ankündigung der Meilen-Aktion – Foto: Sporthistorische Blätter 23
Was sich aber als weitaus nützlicher erwies: Die „Meile“ lebte weiter.
In den nächsten Jahren entstanden neue Läufe und Laufaktionen. Der Thüringer Sportredakteur Helmut Wengel erfand z.B. gemeinsam mit Doppel-Olympiasieger Waldemar Cierpinski den Erfurter Silvesterlauf. Auch eine Burgenfahrt brachte nicht nur die Thüringer in Bewegung und eine Eintragung ins Guinness-Buch der Rekorde. Die Meile eilte auch in den folgenden Jahren weiter.
Meilenabzeichen wurden erfunden, eine Meilenfibel mit Trainingstipps, originelle Schwimm- und Wanderveranstaltungen – so beispielsweise ein Heinrich-Zille-Lauf in Radeberg und ein Langstreckenschwimmen in Stralsund. Die Stendaler Laufgruppe des rührigen Ehepaars Gerd und Liesel Engel veranstaltete nicht nur neue Lauftreffs und Gesundheits-Konsultationen, sondern auch einen 600-km-Lauf von Kap Arkona bis zum Fichtelberg.
„Eile mit Meile“ könnte unvergessen bleiben. Den „Sporthistorischen Blättern“ des Marathoneum Berlin und der Redaktion um Gerd Steins ist es zu verdanken, dass diese Geschichte auf 60 illustrierten Seiten zu Papier gebracht wurde.
Auch diesen kleinen Gag: Als „Chef“ der damaligen Meilen-Kommission hatte ich übrigens diesen Spitznamen weg: Meilen-Weidt…
Klaus Weidt