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05
03
2008

Seit 2002 leitet Gerhard Janetzky als Direktor das Golden League Meeting DKB ISTAF in Berlin und hat dieses zu einem der erfolgreichsten der Welt gemacht. Nach der Entscheidung der europäischen Meetings, keine ehemaligen Dopingsünder mehr einzuladen, fordert er einen gemeinsamen Kurs

Meetings haben eine moralische Aufgabe – „Generelles Startverbot für Dopingsünder nicht durchzuhalten“ – Gerhard Janetzky, der Direktor des Berliner Golden-League-Meetings DKB ISTAF, zum Vorstoß der Euro-Meetings – Jörg Wenig im Interview in leichtathletik

By GRR 0

In der Folge des Falles Chambers haben die Euro-Meetings erklärt, weder Chambers noch andere ehemalige Dopingsünder zu ihren Meetings einzuladen. Wie lief diese Entscheidung praktisch ab. Gab es eine Konferenz, wurden alle einzeln gefragt?

Janetzky: „Ich verstehe das als eine Empfehlung, die ich unterstütze, die aber keinen bindenden Charakter haben kann. Mit mir hat keiner gesprochen vor der Erklärung, aber das ist kein Problem – diese Empfehlung zu geben, ist für mich der richtige Weg. Die Aufgabe von Rajne Söderberg ist es als Präsident der Euro-Meeting-Gruppe auch, Akzente zu setzen. Er wird sicherlich eine kleinere Zahl von vier oder fünf anderen Meeting-Veranstaltern konsultiert haben. Ich denke, darunter werden Patrick Magyar, Wilfried Meert, vielleicht Svein Arne Hansen und der Präsident des europäischen Leichtathletik-Verbandes Hansjörg Wirz gewesen sein. In diesem Fall wird er aufgrund der Chambers-Problematik sicherlich auch mit dem englischen Organisator Ian Stewart gesprochen haben. Das Prozedere ist aber völlig richtig, um Zeichen zu setzen.“

Glauben Sie, dass sich alle daran halten werden?

Janetzky: „Das ist natürlich der Knackpunkt. Rechtliche Probleme erst einmal außer Acht gelassen, spielen da möglicherweise lokale Interessen eine Rolle: Sind Athleten des eigenen Landes betroffen? Handelt es sich vielleicht um aussichtsreiche Kandidaten in der Golden League, in der World Athletics Tour oder bezüglich einer Norm? Im Fall Chambers haben sich die Veranstalter bisher an die Empfehlung der Euromeetings gehalten. Insgesamt erkenne ich unter den Organisatoren eine höhere Sensibilität als früher für dieses Thema.“

Wo wird die Grenze gezogen? Gilt dies auch für Athleten, die drei Monate oder ein Jahr gesperrt wurden – zum Beispiel aufgrund verpasster Dopingkontrollen?

Janetzky: „Ich würde denken, dass Athleten betroffen sein sollten, die mindestens mit einer Zwei-Jahres-Sperre belegt worden sind. Aber pauschal kann man das nicht machen, das wird nicht funktionieren. Ich glaube, dass man von Fall zu Fall entscheiden muss. Dabei muss eine Rolle spielen, wie sich der Athlet verhalten hat, nachdem er überführt worden ist. War er kooperativ, hat er sich in der Folge klar von Doping distanziert, hat er vielleicht Ross und Reiter genannt und damit geholfen, einen Sumpf trocken zu legen? Oder ist vielleicht eher das Gegenteil der Fall?“

Werden Sie dann vor einer Verpflichtung gegebenenfalls nachforschen, ob der Athlet in der Vergangenheit eine Dopingsperre hatte oder wird es Listen geben?

Janetzky: „Die IAAF führt ja eine Liste der aktuell gesperrten Athleten. Das ist ein transparentes System, das als Basis benutzt werden kann. Ich halte es dennoch nicht für ausgeschlossen, dass einem ein relativ unbekannter Athlet, der vielleicht irgendwann in der Vergangenheit einmal positiv getestet worden ist, reinrutschen kann, ohne dass man es als Veranstalter gleich merkt. Manager verkaufen den Meetings ja auch ganze Athletenpakete. Das heißt, wenn man einen Topstar haben möchte, muss man auch noch ein paar andere, weniger bekannte mit einladen. Bei einem entsprechenden Datenabgleich zwischen den Meetings käme man schnell in den Bereich eines Berufsverbotes.“

Nun müsste dem europäischen Vorstoß eigentlich ein weltweiter folgen, denn es gibt ja auch außerhalb Europas viele große Meetings.

Janetzky: „Eigentlich ja, aber dann müsste der Welt-Leichtathletikverband IAAF eine derartige Empfehlung herausgeben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass IAAF-Präsident Lamine Diack das macht. Der Verband kann eigentlich nur sagen, der Athlet ist entweder gesperrt oder nicht. Die einzelnen Veranstalter sind da freier. Außereuropäische Meetings könnten sich natürlich der Empfehlung der Euromeetings anschließen. Ein interessanter Aspekt sind aber sicherlich auch Sperren unabhängig von der IAAF. Dwain Chambers ist ja aufgrund einer Regelung des britischen Nationalen Olympischen Komitees wie alle anderen des Dopings überführten Briten zukünftig für alle Olympischen Spiele gesperrt. Wobei man auch hier gegebenenfalls einmal einen Prozess abwarten müsste, um zu sehen, ob eine solche Sperre rechtlich haltbar ist.“

Wenn sich tatsächlich alle Meetings daran hielten, könnte dies ein Schlüssel sein im Kampf gegen Doping – die betroffenen Athleten säßen auf dem Trockenen. Wäre dies aus Ihrer Sicht rechtlich möglich?

Janetzky: „Die Meetings spielen auf jeden Fall eine entscheidende Rolle. Es ist ihre moralische Aufgabe, ihren Sport zu verteidigen. Aber ich glaube, dass ein pauschales Startverbot für ehemalige Dopingsünder nicht durchzuhalten ist. Man wird schnell in eine Grauzone kommen, in der es um das Thema Berufsverbot geht. Als Meeting-Organisator kann ich natürlich erst einmal sagen, ich lade Athlet X nicht ein. Doch was mache ich, wenn einer meiner Kollegen eine andere Einstellung dazu hat, den betreffenden Athleten eingeladen hatte und der dadurch zum Beispiel im Rennen um den Golden-League-Jackpot ist oder aber gute Chancen hat, über die Punktewertung das World Athletics Final zu erreichen. Ich will nicht, dass er startet, aber damit nehme ich ihm die Möglichkeit des Erwerbs. Man fällt dabei eine subjektive Entscheidung, die nicht auf einer Verurteilung beruht. Der Athlet könnte gegebenenfalls klagen. Nein, das wird nicht funktionieren.“

In der Folge des Falles Chambers hat der britische Leichtathletik-Verband eine Kommission eingesetzt, die Möglichkeiten einer schärferen Anti-Doping-Politik ausarbeiten soll. Die Vorsitzende, die mehrfache Paralympics-Siegerin Tanni Grey-Thompson, hat nun eine Acht-Jahres-Sperre ins Gespräch gebracht.

Janetzky: „Also acht Jahre würden ja im Spitzensport einem lebenslangen Bann gleich kommen. Das kann es auch nicht sein. Der Weisheit letzter Schluss ist das alles noch nicht. Ich denke eigentlich eher, dass man jedem eine zweite Chance geben sollte. Aber es kommt, wie gesagt, darauf an, wie sich der überführte Athlet verhält.“

Das Interview führte Jörg Wenig – leichtathletik vom 26. Februar 2008

author: GRR

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