2009 war die Kenianerin die weltbeste Straßenläuferin und wurde dafür vor kurzem in Berlin durch Horst Milde von der Association of International Marathons and Distance Races (AIMS) ausgezeichnet.
Mary Keitany – einst von ihrer Schwester inspiriert, gilt sie heute als die kommende große Marathonläuferin – Große Straßenlauf-Sieger des Frühjahrs im Portrait (Teil 4)
Viel spricht dafür, dass die nächste große Marathonläuferin Mary Keitany heißt. Im Herbst will die 28-jährige Kenianerin ihr Debüt über die 42,195 km geben – voraussichtlich entweder in Chicago oder in New York. „Der Marathon ist mein nächstes Ziel”, erklärte Mary Keitany, nachdem sie in ihrem ersten 25-km-Rennen auf Anhieb Weltrekord gelaufen war – es war der bisher längste Wettkampf ihrer Karriere.
Bei den BIG 25 Berlin drückt sie die Marke am 9. Mai gleich um 2:20 Minuten und blieb mit 1:19:53 als erste Frau unter 1:20 Stunden. Es war ein perfekter Zwischenschritt für Mary Keitany, die im Marathon Großes vor hat: Die Kenianerin will bei Olympia 2012 in London Gold gewinnen und hofft, dass sie in der Zukunft stark genug sein wird, um den legendären Marathon-Weltrekord der Britin Paula Radcliffe anzugreifen.
Mary Keitany, die im Baringo-District geboren wurde und dann in Koibatek (beides gehört zur kenianischen Provinz Rift Valley) als Tochter einer Farmer-Familie aufwuchs, hat drei Schwestern und einen Bruder. Es war eine ihrer älteren Schwestern, die sie einst motivierte, mit dem Laufsport zu beginnen.
„Meine Schwester rannte in der Schule. Ich sah, dass sie talentiert war und dachte mir, vielleicht sollte ich es auch versuchen“, erzählt Mary Keitany. Während ihre Schwester den Sport später aufgab, obwohl sie in der Schule bereits bei nationalen Meisterschaften startete, lief Mary bis ganz nach vorne an die Weltspitze.
2009 war die Kenianerin die weltbeste Straßenläuferin und wurde dafür vor kurzem in Berlin durch Horst Milde von der Association of International Marathons and Distance Races (AIMS) ausgezeichnet. Bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften hatte sie im vergangenen Oktober in überlegener Manier den Titel gewonnen und dabei mit 66:36 Minuten den Weltrekord um lediglich elf Sekunden verpasst. Außerdem war Mary Keitany 2009 auch die Nummer eins der Welt über 10 km (31:04 Minuten) und 20 km (62:59).
Zwar hatte Mary Keitany in der Schule mit dem Laufsport begonnen, ernsthaft jedoch betrieb sie ihren Sport erst im Alter von 18 Jahren. Damals war sie noch in der Oberschule. Erst spät, im Jahr 2006, kam sie als 24-Jährige das erste Mal nach Europa. „Damals lief ich in Spanien einige Straßenrennen und einen Halbmarathon“, erzählt Mary Keitany, die zunächst von Philip Singoei betreut wurde. Der kenianische Läufer gewann 2007 den Eindhoven-Marathon in 2:07:57 Stunden.
„Als Gianni Demadonna im April 2007 in Iten ein Trainingslager eröffnete, schloss sich Mary der dortigen Gruppe an, denn sie wohnt in der Gegend“, erklärt ihr heutiger Trainer Gabriele Nicola, der für das italienische Demadonna-Management eine Art ,Technischer Direktor’ in Kenia ist und die Trainingsgruppen überblickt. Schritt für Schritt übernahm Nicola das Training von Keitany. „Ich bin längere Zeit im Jahr in Iten, um das Training meiner Läufer zu leiten. Ansonsten stehen ein Trainerteam und Physiotherapeuten zur Verfügung, um die Läufer zu unterstützen“, sagt der Coach.
„In Iten trainieren wir auch mit Männern, die uns als Tempomacher helfen. Sie werden von meinem Manager dafür bezahlt“, erzählt Mary Keitany, zu deren weiblichen Trainingspartnern unter anderen Peninah Arusei und Helena Kirop gehören. Arusei hatte unter anderem 2008 und 2009 den Berliner 25-km-Lauf gewonnen, Kirop siegte am 9. Mai beim Prag-Marathon.
Nachdem Mary Keitany 2007 bereits die Silbermedaille bei den Halbmarathon-Weltmeisterschaften gewonnen hatte, unterbrach eine Schwangerschaft ihre Karriere. „Im Juni 2008 wurde mein Sohn Jared geboren“, erzählt Mary Keitany, die aber nicht wie Paula Radcliffe fast die gesamte Schwangerschaft hindurch weiter trainierte. Keitany ist mit Charles Koech verheiratet, der selbst bei internationalen Straßenrennen startet und Bestzeiten von 27:56 Minuten (10 km) oder 61:27 (Halbmarathon) aufweist. „Manchmal laufen wir auch zusammen“, sagt Mary Keitany. Damit das umfangreiche Training für beide möglich ist, haben sie ein Kindermädchen engagiert, das auf Jared aufpasst.
„Als Mary nach der Geburt ihres Sohnes wieder mit dem Training begann, haben wir verschiedene Ziele gesetzt. Das erste war die Qualifikation für die Halbmarathon-Weltmeisterschaft 2009. Dort sollte sie möglichst gut laufen. Das nächste Ziel war es, den Abu Dhabi-Halbmarathon im Januar zu gewinnen“, erzählt Gabriele Nicola. In den Vereinigten Arabischen Emiraten siegte Mary Keitany in hochklassigen 67:14 Minuten und kassierte die höchste Siegprämie im internationalen Straßenlauf: 300.000 Dollar. „Das nächste Ziel war dann der 25-km-Weltrekord in Berlin. Jetzt können wir sagen, dass alles sehr gut gelaufen ist und Mary mehr sogar erreicht hat als wir erwartet hatten.“
Der nächste Schritt ist nun der Marathon. Im Herbst ist das Debüt geplant – zur Auswahl stehen offenbar die Rennen in Chicago und New York. Will Mary Keitany auf Anhieb schnell laufen, müsste sie nach Chicago gehen. Schon im Vorfeld der BIG 25 Berlin lief sie dabei Trainingsumfänge, die auch für den Marathon geeignet sind. „In ihrem Training vor Berlin rannte sie wöchentlich teilweise zwischen 180 und 200 Kilometern“, erklärt Gabriele Nicola, der plant, den Umfang in der Vorbereitung auf die Marathon-Premiere noch etwas weiter zu erhöhen. „Bis jetzt bin ich im Training bis zu 30 Kilometer am Stück gelaufen“, erzählt Mary Keitany, die befragt nach Vorbildern zwei Marathonläuferinnen nennt: Catherine Ndereba, Kenias zweifache Marathon-Weltmeisterin und frühere Weltrekordlerin, sowie Paula Radcliffe.
Zu ihren größten Zielen sagt Mary Keitany: „In London würde ich bei den Olympischen Spielen 2012 gerne die Goldmedaille im Marathon gewinnen.“ Und dann gibt es noch ein Traumziel: „Vielleicht bin ich eines Tages in der Lage, den Marathon-Weltrekord anzugreifen.“ Die Kenianerin weiß natürlich, dass jene Zeit von 2:15:25 Stunden, die Paula Radcliffe beim London-Marathon 2003 erreichte, eine absolute Ausnahmeleistung ist, die zurzeit für keine Läuferin erreichbar ist.
„Zurzeit können wir nicht darüber reden, den Marathon-Weltrekord zu brechen. Aber Mary hat das Potenzial, diese Marke in der Zukunft angreifen zu können. Das heißt noch nicht, dass sie den Rekord auch brechen wird. Aber es gibt nicht viele Läuferinnen, die auch nur daran denken können, einen Weltrekordversuch zu unternehmen“, sagt Gabriele Nicola. „Mary hat großes Potenzial und wir haben Glück, dass wir sie haben. Eine Mary Keitany gibt es nur alle 20 Jahre einmal.“
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