Weihnachtskarte - Gestaltung: Trudi Schorno/Luzern - Foto: Horst Milde
Marathon trifft Weihnachten und Gott wird Mensch – Die Läufer/-innen-Weihnachtspredigt 2022 von Peter Burkowski und Dr. Lars Charbonnier
Manche Sätze aus der Läuferwelt kann man auch auf der Wegstrecke bis zum Weihnachtsfest gut gebrauchen. Ich erinnere mich z.B. an den guten Ratschlag aus der Laufgruppe vor meinem ersten Marathon „Wer langsamer läuft, kommt schneller an.“
Das gilt auch für die Adventszeit: Im Jahr 2022 beschert uns der Kalender die längste Adventszeit, die überhaupt möglich ist. Es sind wirklich volle vier Wochen Advent. Im nächsten Jahr sind es dann nur noch drei Wochen und der vierte Advent und Weihnachten fallen auf denselben (Sonn-) Tag. Vier Wochen Advent – vier Wochen Zeit der Vorbereitung auf das große Ziel, auf die fühlbare Hoffnung, dass die Welt eine gute Zukunft hat: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.
Vier Wochen äußere und innere Vorbereitung. In alter Zeit war die Adventszeit eine Fastenzeit. Adventsfasten als Vorbereitung auf das Weihnachtsfest. In den letzten Tagen vor Weihnachten waren nur noch Gemüse, Kartoffeln und Brot erlaubt. Also nichts mit Glühwein, gebrannten Mandeln oder Bratwurst mit Pommes. Vor Weihnachten gab es eine besondere Trainingszeit, eine gezielte Vorbereitung auf das große Ereignis am Ende. Vier Adventssonntage, vier Stationen, Adventskalender und Lieder.
Das klingt auch nach einer vertrauten Läufer*innen-Weisheit: „Der Marathon beginnt zehn Wochen vor dem Start“. Zehn Wochen Adventszeit, zehn Wochen Disziplin und Konzentration, zehn Wochen Sehnsuchtszeit und Erwartung… Und immer wieder lange langsame Läufe, damit am Ende die nötige Energie zur Verfügung gestellt werden kann, damit alles gut läuft und die Möglichkeiten des Körpers ausreichen, um das eigene Ziel gut zu erreichen. Dafür müssen wir uns entschleunigen und einen guten Plan verfolgen. Adventszeit eben: Vorbereitung in vier Phasen oder mit verschiedenen Höhepunkten: der 10-km-Lauf oder Halbmarathon in der Vorbereitungsphase, der letzte lange Lauf …
Die Idee hinter der Adventszeit als Vorbereitungszeit lebt von der Überzeugung und Erfahrung, dass das Innere des Menschen seine besondere Aufmerksamkeit braucht – die im gewöhnlichen Alltag zu oft verloren geht. Adventszeit ist deshalb für viele Sehnsuchtszeit: Wir wünschen uns so sehr, dass nicht immer alles so weitergeht,
… dass wir es schaffen, diese Erde nicht weiter auszuplündern
… dass der Krieg in der Ukraine und die vielen blutigen Konflikte auf dieser Welt einmal enden
… dass wir es schaffen, aufeinander zu hören und einander zu achten statt Menschen klein zu machen
… dass die Verzagten stark werden und die Übersehenen sichtbar sind
… dass die gute Freundin endlich wieder ohne Sorgen einschlafen kann
… dass alle Kinder fröhliche Kinder sein können
… und dann hat jede und jeder noch eigene Sehnsüchte…
Ja, einiges soll sich ändern und Gott soll endlich in dieser Welt ankommen – mitten unter uns und in uns. Diese Sehnsucht braucht eine Vorbereitung:
Wir singen die alten und neuen Lieder: „Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt…“ (dies Lied ist 400 Jahre alt), „Wie soll ich Dich empfangen und wie begegn ich dir …“, „Komm, o mein Heiland Jesus Christ, meins Herzens Tür dir offen ist…“; „Es kommt die Zeit, in der die Träume sich erfüllen….“.
Wir hören auf die alten Ahnungen und Jahrtausende alten Sehnsuchtsworte: „Das Volk, das in der Finsternis wandelt, sieht ein großes Licht“ (Jesaja 9,1); „Stärkt die müden Hände, macht fest die wankenden Knie!“ (Jesaja 35,3); „Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“ (Lukas 1, 52).
Alle diese Worte wussten und wissen: Gott kommt – seine Gegenwart verändert die Welt – und uns.
Und wieder kommt mir so eine Läuferweisheit in den Sinn: „Läuferjahre tragen Zinsen“. In der Tat kann man die Erfahrung machen, dass jahrelanges Training sich wirklich auszahlt und sogar eine Trainingspause verzeiht. Wer „alle Jahre wieder“ und jede Woche in Bewegung bleibt und auch gesund bleibt, weiß darum, dass Laufen dem Körper, dem Geist und der Seele guttut und dass die Marathonvorbereitung eine besondere Laufzeit ist.
Der Altar in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche in Berlin – Foto: Horst Milde
Und wie steht es mit dem großen Ziel am Ende? Der ehemalige Weltrekordler über 100 km Bernd Heinrich beschreibt es so: „Ein Schlüssel für Ausdauer ist … vor allem die visionäre Kraft des Läufers. Um größere Ausdauerleistungen zu vollbringen, bedarf es eines klaren Ziels und der Fähigkeit, es im Geiste vor sich zu sehen – sich zu vergegenwärtigen, was man noch nicht vor Augen hat. Nur unsere visionäre Kraft ermöglicht uns, nach der Zukunft zu greifen, egal, ob es darum geht, eine Antilope zu erlegen oder eine Rekordzeit zu laufen.“ (Bernd Heinrich, Laufen, Geschichte einer Leidenschaft – S.202)
Die Kraft des Glaubens ist solches Voraussehen: das Vertrauen in diese Welt und in das Leben. Die Botschaft, dass Gott als Kind in dieser Welt bei den Menschen ist, beschreibt die starke Vision, dass nicht alles so bleibt, wie es war. Die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit, nach gleichen Rechten für Frauen und Männer überall auf der Welt, das Recht auf ein lebenswertes Leben heute und in weiteren Generationen, das braucht die starke Vision des Glaubens: Fürchtet Euch nicht, denn Euch ist heute der Heiland geboren!
Manchmal braucht es nur sechs Wörter. Vor ein paar Tagen las ich in meinem diesjährigen Advents-Trainingsplan, dem „Anderen Advent“ (s. https://www.anderezeiten.de/): Erzählen Sie uns Ihre Geschichte in sechs Wörtern! Welch eine kraftvolle Vorbereitungsstation – wir zitieren hier mal von diesen Seiten:
- Es kommen auch wieder andere Zeiten
- Karriere aufgegeben. Leben. Freude. Sinn gewonnen.
- Lachend geht die Tür auf.
- Drei Kinder gestorben. Dann Simon – Gottesgeschenk!
- Was tun. Was tun? Was tun!
- Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!
- Freundin gestorben, Wittwer beigestanden, neue Liebe.
- Zwei Menschen, zwei Fahrräder, Nordsee umrundet.
- Gott fängt mich auf. Auch jetzt!
- Das Leben kommt uns immer entgegen.
- Extremes Frühchen wird Gymnasiast. Wunder gibts!
Wie gehen Deine Geschichten mit sechs Wörtern am Ende des Jahres 2022? So fragt das Kalenderblatt schließlich.
Meine könnten heißen: Loslassen. Loslaufen. Das andere Leben trägt.
Oder: Weihnachten feiern: weil Kind Hoffnung ist.
Oder: Unerwartet die Veränderung und erfüllte Sehnsucht.
Wir wünschen Ihnen und Euch ein gutes und gesegnetes Weihnachtsfest und ein neues Jahr 2023 mit einer festen Zuversicht für ein gelingendes Leben und Zusammenleben.
Peter Burkowski und Dr. Lars Charbonnier
Peter Burkowski, Pfarrer und Dr. Lars Charbonnier – beide bei der Führungsakademie für Kirche und Diakonie in Berlin tätig – predigten jeweils zusammen bei den Ökumenischen Abendgebeten in der Kaiser-Wilhelm- Gedächtnis-Kirche an den Vorabenden des BERLIN-MARATHON. Beide sind aktive Marathonläufer
Peter Burkowski (lks.) und Dr. Lars Charbonnier beim Abendgebet in der Kaiser-
Wilhelm-Gedächtnis-Kirche beim BERLIN-MARATHON – Foto: Horst Milde