Marathon Nummer 6: Keine gute Nummer für Topläufer
Sammy Wanjiru und Irina Mikitenko haben innerhalb der letzten zwölf Monate einiges gemeinsam. Der Kenianer und die Deutsche gewannen im April 2009 zunächst den London-Marathon und triumphierten dann in der World Marathon Majors-Serie 2008-2009. Sie teilten sich dabei das Preisgeld von einer Million Dollar.
In diesem Frühjahr scheiterten sie auch gemeinsam: In London erreichte keiner der beiden Titelverteidiger das Ziel. Die Läuferin des TV Wattenscheid gab nach 18 km aufgrund eines Muskulaturproblems auf, der Kenianer ging nach 27 km mit Kniebeschwerden aus dem Rennen. Beide waren an der Themse zum sechsten Marathon ihrer Karriere gestartet – eine zufällige Parallele.
Doch vielleicht ist es mehr als nur Zufall. Denn Marathon Nummer 6 scheint bei zuvor sehr erfolgreichen Läufern jener zu sein, der möglicherweise am ehesten zum Stolperstein wird. Es gibt hier keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über mögliche Hintergründe aber interessante Beispiele. Haile Gebrselassies sechster Marathon war – wenn man einen Lauf als Jugendlicher in Addis Abeba nicht mitrechnet – das Rennen in London 2007.
Der Äthiopier kam nicht ins Ziel, meldete sich dann aber im Herbst in Berlin mit einem Weltrekord zurück – vielleicht ist das ein gutes Omen für Wanjiru und Mikitenko, die beide gerne im September in Berlin laufen würden. „Ich habe von Veronique Marot (frühere britische Weltklasseläuferin und London-Marathon-Siegerin, d. Red.) gehört, dass einige die Erfahrung gemacht haben, dass Marathon Nummer sechs problematisch sein kann für Läufer, die zuvor sehr erfolgreich waren“, erzählt Irina Mikitenko. Das immer wieder neue, harte Training dürfte dabei eine Rolle spielen. Einige Topläufer haben offenbar am ehesten im Bereich des fünften, sechsten oder siebenten Marathons ein schwächeres Rennen oder einen Ausfall dabei.
Neben Mikitenko und Wanjiru kam ein weiterer Mitfavorit in London nicht ins Ziel, für den diese Theorie passt: Duncan Kibet (Kenia), mit 2:04:27 Stunden der Zweitschnellste aller Zeiten, stieg in seinem siebenten Rennen aus. Auch bei seinem sechsten Marathon in Berlin war er zuvor im September 2009 nicht ins Ziel gekommen.
Paul Tergat (Kenia) lief einen perfekten sechsten Marathon (Weltrekord in Berlin mit 2:04:55), doch bei seinem siebenten Lauf bei Olympia in Athen 2004 erlebte er als Zehnter einen Rückschlag. Tegla Loroupe rannte ebenfalls Weltrekord im sechsten Rennen (2:20:47 in Rotterdam), doch ihr fünfter Lauf war zuvor weit weniger erfolgreich (7. in New York in 2:37:19).
Ein sehr prominentes Beispiel für eine missratene Nummer 6 liefert Khalid Khannouchi. Der US-Amerikaner, der aus Marokko stammt und zeitweise Marathon-Weltrekordler war, ging bei der WM 2001 als Favorit an den Start. Es war sein sechster Marathon und sein erster im US-Dress – Khalid Khannouchi kam nicht ins Ziel.
Doch es gibt auch genügend prominente Beispiele bei denen in dieser Phase der Marathonkarriere keine Probleme bestanden: Paula Radcliffe (Großbritannien), Catherine Ndereba (Kenia) oder die Norwegerinnen Grete Waitz und Ingrid Kristiansen gehören dazu.
Dagegen erinnert sich der zweifache deutsche Marathon-Olympiasieger (1976 und ’80) Waldemar Cierpinski: „Ich glaube, bei meinem sechsten Marathon stand ich neben mir und bin ausgestiegen. Denn Nummer sechs müsste das Rennen in Fukuoka 1977 gewesen sein.“
Gibt es einen ,verflixten’ sechsten Marathon?
race-news-service.com
Foto: photorun.net