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2023

Miriam Dattke zeigte eine starke Entwicklung und verpasste als Vierte bei der EM nur haarscharf die Bronzemedaille. - Foto: www.photorun.net 2018 Hannover Marathon Hannover, Germany April 8, 2018 Photo: Victah Sailer@PhotoRun Victah1111@aol.com

Marathon-Jahresbilanz 2022 der Frauen: Einmalige Leistungsdichte in der Weltspitze, Debütantinnen im Blickpunkt, deutsche EM-Läuferinnen siegen im Team

By GRR 0

Spricht man bei den Männern von einer Flut von Weltklassezeiten im Jahr 2022 handelt es sich bei den Leistungen der Frauen sogar um eine Sturmflut. So gut wie nie zuvor waren die Zeiten in der absoluten Spitze in den vergangenen zwölf Monaten – auch ohne Weltrekord.

In Chicago verpasste die Kenianerin Ruth Chepngetich die globale Bestmarke nur um 14 Sekunden und wurde mit 2:14:18 Stunden zur zweitschnellsten Läuferin der Marathon-Geschichte. Zwei Zeiten unter 2:15 Stunden gab es 2022 ebenso wie fünf Ergebnisse unter 2:17 und gleich ein Dutzend unter 2:18 – alles sind zuvor nie erreichte Werte.

Von den zehn schnellsten Zeiten überhaupt wurden fünf 2022 gelaufen. In den Top 20 finden sich nun elf Ergebnisse aus dem vergangenen Jahr. Damit stellen die Frauen in dieser Statistik auch die Männer deutlich in den Schatten.

Und ebenso wie bei den Männern verliert auch bei den Frauen eine große Zeitbarriere, zumindest was die weltweite Spitze angeht, immer mehr an Bedeutung: 37 Ergebnisse unter 2:20 Stunden wurden 2022 bei den Frauen registriert. Erst 2001 war erstmals eine Frau, die Japanerin Naoko Takahashi, unter 2:20 gelaufen. Sie triumphierte damals in Berlin mit 2:19:46.

Insgesamt wurden bisher 109 Zeiten unter 2:20 Stunden erreicht. Das heißt, knapp über ein Drittel aller dieser Ergebnisse kommen alleine aus dem vergangenen Jahr. Die inzwischen seit einigen Jahren gängigen und offenbar weiter verbesserten Carbon-Laufschuhe haben an dieser Entwicklung sicherlich einen Anteil. Wie bei den Männern wird dies auch deutlich, wenn man tiefer in die Bestenlisten schaut. Die 2:25 Stunden – in früheren Jahren ebenfalls eine noch deutlich bedeutendere Zeitgrenze – wurde 2022 genau 143 Mal unterboten. 979 derartige Zeiten finden sich inzwischen in der Alltime-Liste.

In der Weltspitze gab es ein weiteres Superlativ: Erstmals gab es Athletinnen, die in einem Kalenderjahr gleich zweimal Zeiten von unter 2:18:00 Stunden liefen: Ruth Chepngetich war vor ihrem Chicago-Sieg in 2:14:18 bereits 2:17:18 in Nagoya gelaufen. Zu ihrem sehr knapp verpassten Weltrekord im Oktober gibt es übrigens ein interessantes Detail: Die Chicagoer Veranstalter hatten auf die Dienste des Berliner Physik-Professors Helmut Winter verzichtet, der mittels einer auf einem Begleitfahrzeug montierten Zeitanzeige stets akkurat ausgerechnete Zielzeit-Hochrechnungen anzeigt und damit Eliud Kipchoge in Berlin ebenso erfolgreich unterstützte wie 2019 Brigid Kosgei bei ihrem Weltrekordrennen in Chicago. Die Amerikaner verließen sich in diesem Jahr lediglich auf ihren allgemeinen Zeitmessungs-Anbieter (ebenfalls aus Deutschland).

Ruth Chepngetich verpasste in Chicago nur knapp den Weltrekord. – Foto: Bank of America Chicago Marathon

Mit Yalemzerf Yehualaw gab es noch eine zweite Athletin, die zweimal unter 2:18 lief – und das, obwohl sie eine Newcomerin ist. Zunächst lief die Äthiopierin bei ihrem Sieg in Hamburg einen inoffiziellen Debüt-Weltrekord (hier werden keine offizielle Rekorde geführt) von 2:17:23, dann gewann sie im Herbst auch in London mit 2:17:26.

Insgesamt gleich dreimal fiel im vergangenen Jahr der inoffizielle Debüt-Weltrekord. In Amsterdam gewann die 10.000-m-Olympiasiegerin von 2016, Almaz Ayana, in 2:17:20, und in Valencia lief ihre äthiopische Landsfrau Letesenbet Gidey dann 2:16:49. Die Halbmarathon-Weltrekordlerin, der man auf Anhieb auch den Marathon-Weltrekord zugetraut hatte, wurde damit überraschend „nur“ Zweite. Denn Amane Shankule (Äthiopien) triumphierte sensationell in 2:14:58. Sie ist eine Trainingspartnerin ihrer Landsfrau Tigist Assefa, die zuvor überraschend mit einer enormen Steigerung auf 2:15:37 in Berlin gewonnen hatte. So finden sich eineinhalb Jahre vor den Olympischen Spielen in Paris viele neue Namen in der Weltspitze. Dazu gehört auch Gotytom Gebreslase, die 2021 ihr Debüt in Berlin gewonnen hatte und nun in Eugene (USA) Weltmeisterin wurde. Dabei lief die Äthiopierin mit 2:18:11 einen WM-Rekord und siegte vor Judith Korir (Kenia/2:18:20) und Lonah Salpeter (Israel/2:20:18). Deutsche Läuferinnen waren bei der WM nicht am Start.

In Europa ist die Entwicklung bezüglich der Topzeiten noch nicht so extrem. Drei europäische Läuferinnen – alle mit kenianischen Wurzeln – blieben im vergangenen Jahr unter 2:20 Stunden und neun erreichten Zeiten von unter 2:25. Zum Vergleich: 2021 gab es eine Zeit unter 2:20 und nur fünf unter 2:25 – genauso wie auch 2019. In der europäischen Alltime-Liste finden sich bisher erst elf Ergebnisse unter 2:20 Stunden, wobei Paula Radcliffe (Großbritannien) und Lonah Salpeter (Israel) jeweils vier dieser Zeiten erzielten und Joan Melly (Rumänien) zwei. Die dann noch fehlende Zeit in dieser Liste ist der deutsche Rekord von Irina Mikitenko, die 2008 in Berlin 2:19:19 gelaufen war.

Der Höhepunkt für Deutschlands Marathonläuferinnen waren natürlich die Europameisterschaften in München. In einem Hitzerennen gewann die Polin Aleksandra Lisowska in 2:28:36 Stunden vor Matea Parlov Kostro (Kroatien/2:28:42). Dritte wurde die Niederländerin Nienke Brinkmann nach 2:28:52 ganz knapp vor der zeitgleichen Miriam Dattke. In einem dramatischen Duell auf den letzten Metern musste sich die Läuferin der LG Telis Finanz Regensburg haarscharf geschlagen geben. In ihrem erst dritten Marathonrennen zeigte Miriam Dattke bei den unangenehmen Wetterbedinungen eine herausragende Leistung und konnte sich mit der Goldmedaille in der Team-Wertung trösten. Das deutsche Team gewann diese Europa-Cup-Wertung.

Yalemzerf Yehualaw lief in Hamburg einen inoffiziellen Debüt-Weltrekord und gewann dann auch in London mit einer Zeit von unter 2:18 Stunden. – Foto: Haspa Marathon Hamburg / Hoch Zwei

Hinter Miriam Dattke lief Domenika Mayer (LG Telis Finanz Regensburg) in ihrem erst zweiten Marathon auf einen hervorragenden sechsten Platz in 2:29:21. Eine starke Leistung in einem Hitzerennen zeigten Deborah und Rabea Schöneborn (SCC Berlin): Deborah belegte Rang zehn in 2:30:35, Rabea wurde Zwölfte mit 2:30:36. Katharina Steinruck (Eintracht Frankfurt) hatte Pech weil sie sich im Rennen eine Blessur am Fuß zuzog, hielt aber durch und wurde 15. in 2:32:41. Kristina Hendel (LG Braunschweig) folgte auf Rang 20 in 2:35:14 trotz eines Oberschenkelproblems.

Mit jeweils 2:26:50 führen Miriam Dattke und Domenika Mayer die deutsche Jahresbestenliste an. In der europäischen Jahresliste belegen sie damit Platz 13. Bei den Frauen zeichnet sich nun ein sehr spannender Kampf um die drei olympischen Startplätze ab. Abzuwarten bleibt, wann und in welcher Form Melat Kejeta (Laufteam Kassel) sich nach der Geburt ihres Kindes im vergangenen Mai zurückmelden wird.

In der Liste der schnellsten City-Marathonrennen steht weiterhin London an Position eins. Der Durchschnitt der zehn schnellsten Frauen-Zeiten beträgt dort nun 2:17:35,6 Stunden. Einen enormen Sprung von Platz fünf auf Rang zwei machte das Rennen in Valencia. Mit 2:17:41,6 sind die aufstrebenden Spanier nun sogar den Londonern sehr dicht auf den Fersen. Hinter Chicago (2:17:57,3) ist Berlin mit 2:18:24,7 die Nummer vier. Mit dem Mainova Frankfurt-Marathon gibt es ein zweites deutsches Rennen unter den Top Ten. Die Frankfurter belegen Platz zehn mit 2:21:11,8.

Zieht man bei dieser Wertung die Durchschnitts-Zeiten der Männer und Frauen zusammen, gibt es mit Valencia (4:20:58,1 Stunden) einen neuen Spitzenreiter. Zweiter ist Berlin (4:21,04,5) während London (4:21:21,4) auf Platz drei abgerutscht ist.

Marathon-Statistik

Die schnellsten Zeiten 2022

2:14:18            Ruth Chepngetich      KEN    Chicago          9.10.

2:14:58            Amane Shankule        ETH     Valencia          4.12.

2:15:37            Tigist Assefa             ETH       Berlin      25.9.

2:16:02            Brigid Kosgei              KEN    Tokio               6.3

2:16:49            Letesenbet Gidey       ETH     Valencia          4.12.

2:17:18           Ruth Chepngetich      KEN      Nagoya           13.3

2:17:20            Almaz Ayana              ETH     Amsterdam     16.10.

2:17:23            Yalemzerf Yehualaw ETH Hamburg   24.4

2:17:26            Yalemzerf Yehualaw  ETH     London            2.10.

2:17:29            Sheila Chepkirui         KEN    Valencia          4.12.

2:17:36            Tadu Teshome             ETH     Valencia          4.12.

2:17:58           Ashete Bekere              ETH     Tokio               6.3

2:18:00           Rosemary Wanjiru  KEN  Berlin         25.9.

2:18:03            Tigist Abayechew  ETH    Berlin          25.9.

2:18:04            Joan Melly                   ROU    Seoul              17.4.

Die schnellsten Deutschen 2022

2:26:50          Miriam Dattke       LG Telis Finanz Regensburg      Sevilla             19.2

2:26:50            Domenika Mayer        LG Telis Finanz Regensburg             Hannover            2.4

2:27:29            Kristina Hendel           LG Braunschweig                                Hamburg            23.4

2:27:35            Rabea Schöneborn    Marathon Team Berlin                         Hannover           2.4

2:29:51            Deborah Schöneborn Marathon Team Berlin                         Hamburg          23.4

2:32:41            Katharina Steinruck    Eintracht Frankfurt                             München           15.8.

2:33:25            Thea Heim                  LG Telis Finanz Regensburg                 Valencia            4.12.

2:33:51            Tabea Themann         Turnerbund Hamburg Eilbeck             Valencia            4.12.

Die schnellsten je gelaufenen Zeiten:

2:14:04            Brigid Kosgei        KEN               Chicago          13.10.2019

2:14:18            Ruth Chepngetich      KEN                Chicago          9.10.2022

2:14:58            Amane Shankule       ETH                Valencia          4.12.2022

2:15:25            Paula Radcliffe           GBR                London            13.4.2003

2:15:37            Tigist Assefa            ETH               Berlin            25.9.2022

2:16:02            Brigid Kosgei              KEN                Tokio               6.3.2022

2:16:49            Letesenbet Gidey       ETH                Valencia          4.12.2022

2:17:01            Mary Keitany              KEN                London            23.4.2017

2:17:08            Ruth Chepngetich      KEN                Dubai              25.1.2019

2:17:16            Peres Jepchirchir       KEN                Valencia          6.12.2020

2:17:18            Paula Radcliffe           GBR                Chicago          13.10.2002

2:17:18            Ruth Chepngetich      KEN                Nagoya           13.3.2022

2:17:20            Almaz Ayana              ETH                Amsterdam     16.10.2022

2:17:23            Yalemzerf Yehualaw  ETH       Hamburg      24.4.2022

2:17:26            Yalemzerf Yehualaw ETH                London            2.10.2022

Die schnellsten Deutschen aller Zeiten

2:19:19           Irina Mikitenko (Wattenscheid) Berlin      28.09.2008

2:23:57            Melat Kejeta (Kassel)                         Berlin              29.09.2019

2:24:35            Katrin Dörre-Heinig (Leipzig)         Hamburg         25.04.1999

2:25:37            Uta Pippig (Berlin)                              Berlin              26.09.1995

2:25:42            Fate Tola (Braunschweig)                  Frankfurt         30.10.2016

2:25:59            Katharina Steinruck (Frankfurt)       Enschede       18.04.2021

2:26:01            Luminita Zaituc (Braunschweig)       Frankfurt         28.10.2001

2:26:13            Sonja Oberem (Leverkusen)              Hamburg         22.04.2001

2:26:21            Sabrina Mockenhaupt (Köln)            Berlin              26.09.2010

2:26:44            Anna Hahner (Gengenbach)             Berlin              28.09.2014

Die schnellsten City-Marathonrennen

  1. LONDON 2:17:35,6

2:15:25            Radcliffe          GBR    2003

2:17:01            Keitany            KEN    2017

2:17:26            Yehualaw        ETH     2022

2:17:42            Radcliffe          GBR    2005

2:17:43            Jepkosgei       KEN    2021

2:17:56            Dibaba            KEN    2017

2:17:58            Azimeraw        ETH     2021

2:18:07            Jepkosgei       KEN    2022

2:18:18            Bekere            ETH     2021

2:18:20            B. Kosgei        KEN    2019

  1. VALENCIA 2:17:41,6
  2. CHICAGO 2:17:57,3
  3. BERLIN 2:18:24,7
  4. TOKIO 2:18:39,8
  5. DUBAI 2:19:08,9
  6. AMSTERDAM 2:19:23,7
  7. 8. NAGOYA 2:20:59,0
  8. BOSTON 2:20:59,6
  9. 10. FRANKFURT 2:21:11,8

Basierend auf dem Durchschnitt der zehn schnellsten je bei dem Rennen gelaufenen Zeiten.

Text und Statistik: race-news-service.com

 

author: GRR