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28
09
2016

Pfarrer und Marathonläufer Peter Burkowski hält die Läuferpredigt ©Sabine Milde

Marathon-Gottesdienst in der Kaiser Wilhelm Gedächtnis-Kirche am 24. September 2016, 20.00 Uhr

By GRR 0

Begrüßung: Die optimale Wettkampfvorbereitung – wie sieht sie aus? Auf jeden Fall noch einmal vernünftig essen: Einige machen am Vortag Nudelparties, die Profis essen nach ausgetüftelten Theorien – so 60% Kohlenhydrate, 30% Proteine.

Dann vielleicht eine Massage, Beine hochlegen, einen Film schauen, am besten irgendetwas mit Action und dann: früh schlafen. Am Morgen vor dem Lauf dann Müsli, Banane und Musik – das klassische Eye of the Tiger … – und dann: Los geht`s?   

Ein Freund von mir, der auch Lauftrainer ist, Prof. Roland Wolff, die Berliner kennen ihn vielleicht, sagte mal: „So ein Quatsch, diese Theorien zur optimalen Laufvorbereitung. Am Start musst du dich einfach überwinden, dann durchhalten und wenn du nicht mehr kannst, dann läufst du einfach schnell ins Ziel.“

Wer möchte, kann diese Strategie ja morgen ausprobieren.

In einem Punkt widerspreche ich aber: Kein optimaler Wettkampf ohne geistliche Vorbereitung. Und dazu sind wir heute hier. Um inne zu halten, zu beten, zu singen – um unseren Geist und unsere Seele für den Marathon zu stärken – egal ob man selbst läuft oder als Helfer und Organisatorin vor Ort ist – beides braucht Kraft und Präsenz.

Ich freue mich, dass an dieser geistlichen Laufvorbereitung viele Menschen mitwirken, die auf verschiedenen Ebenen am Berlin-Marathon beteiligt sind.

Pfr. Peter Burkowski – der Morgen auch den Marathon mitlaufen wird!
Horst Milde – Begründer und langjähriger Direktor des Beerlin-Marathon
Philipp Pflieger – er repräsentiert die Leistungssportebene, ist in Rio bei den Olympischen Spielen für Deutschland den Marathon gelaufen. 
Ute Szameitat: zweimalige Teilnehmerin und ehrenamtliche Helferin
Pater Maximilian Wagner: Franziskaner, Pfarrer in St. Ludwig
Dr. Lutz Worms: im medizinischen Team sorgt er sich morgen vor Ort um die Gesundheit der Läuferinnen und Läufer
Samuel Jersak und Mitch Schlüter: zuständig für die Musik
ebenso zuständig Eva Schulze: spielt für uns auf der Königin der Instrumente

Mein Name ist Katharina Stifel, ich bin Pfarrerin hier in der Gedächtniskirche.

Lasst uns Gott loben: „Lobe den Herren, den mächtigen König“.
(…)

Läufersegen zum Abschluss des Gottesdienstes:

Du läufst einen langen Weg,
doch du bist nicht allein.

Gott wird stets vor dir sein,
um dir den Weg zu zeigen,
wenn du ihn aus den Augen verlierst.
So wirst du nicht in die Irre laufen.

Gott wird an deiner Seite sein,
um dich zu stützen,
wenn deine Beine müde werden.
So wirst du nicht fallen.

Gott wird hinter dir sein,
um dich zu schützen.
So wirst du vor Bösem sicher sein.

Gott wird unter dir sein,
um dich zu tragen,
wenn deine Kraft versiegt.
So wirst du dein Ziel erreichen.

Gott wird über dir sein,
um dich zu segnen.
So wirst du in Frieden leben.

Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen.

Hebräerbrief, Kapitel 12, 1.2.12.13 – Die Läuferpredigt von Pfarrer und Marathonläufer Peter Burkowski

Liebe Gemeinde,
liebe Läuferinnen und Läufer!

seit Mittwoch spüre ich diese Unruhe in mir. Ich ging durch Berlin und sah sie vor mir wie eine Einladung: Die frisch gemalte blaue Linie am Gendarmenmarkt. Und da war sie, diese Frage:
„Wird es reichen? War es genug?“

Ich vermute, dass diese Frage heute nicht nur mich bewegt. Vielleicht ist die Frage, die vielen von uns heute durch den Kopf geht.
Die Wochen der Vorbereitung liegen hinter uns.
Aber sie verliefen nicht immer „nach Plan“.
Da waren die beruflichen Belastungen.
Da waren die hohen Temperaturen der letzten Wochen.
Da waren die trägen Tage und die blöde Erkältung. Es gab Tage, da war es zäh wie Kaugummi und es lief einfach nicht.
„Wird es reichen? War es genug?“

Ich kenne diese Frage gut.
So habe ich vor jeder Prüfung gefragt.
So habe ich bei jeder Bewerbung gefragt.

„Wird es reichen? War es genug?“ oder – in der Läufersprache: „Habe ich genug getan?“
Die Unsicherheit ist groß und die Anspannung steigt je näher der Start kommt. Übrigens wird das auch beim 10. oder 20. Marathon nicht besser.

Gut so. Denn diese Aufregung und Spannung gehört auch dazu: zum Laufen und zum Leben.
Wird es reichen? War es genug? Habe ich genug getan? Zugespitzt: „Bin ich gut genug?“  Das ist auch eine Kernfrage unserer Zeit. Immer wieder im Laufe des Lebens werden wir so gesehen, geprüft und gemessen.

„Bin ich gut genug?“

Genau genommen ist das eine Frage der Maßstäbe und der eigenen Ziele.
Woran messe ich das eigentlich, ob ich „genug getan“ habe oder „ob ich gut genug“ bin.
Wahrscheinlich wollen die meisten von uns morgen nicht gewinnen. Oder?

Wahrscheinlich ist den meisten sogar die Platzierung in der Altersklasse egal.
Wir möchten unser eigenes Ziel erreichen. Darf ich mal fragen: Wer hat sein Ziel für morgen klar? Ankommen, 4:30, 3:30 oder unter drei Stunden?
Jede und jeder von uns hat ein eigenes Ziel und ganz eigene Maßstäbe – im Lauf und im Leben. Und das ist auch gut so.

Denn jede und jeder von uns ist ein einzigartiges Geschöpf und ein einmaliger Mensch. Jede und jeder von uns hat ein eigenes Maß, das nur für sie oder ihn stimmt und das für sie oder ihn bestimmt ist.

Jede und jeder von uns ist unterschiedlich begabt und geschaffen. Gott hat mir Möglichkeiten gegeben, die ich in meinem Leben nach und nach entdecke.
Und diese Möglichkeiten sind oft noch unsichtbar und brauchen die Herausforderung.

Ich hätte bei meinem ersten Marathon niemals geglaubt, dass noch zwanzig folgen werden. Ich habe es niemals geplant und für möglich gehalten, dass ich einmal zum Berlin-Marathon in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche predigen werde. Ich hielt das für unerreichbar. Gottes Gaben entwickeln sich in einem Leben – ganz so wie sich die Möglichkeiten und Ergebnisse beim Laufen entwickeln.

Jemand hat mir einmal gesagt: Bleib geduldig, Peter, Läuferjahre tragen Zinsen… (Damals gab es so etwas noch. Die Älteren unter uns werden sich erinnern.) Ja, so ähnlich ist es auch im Leben…
 „Bin ich gut genug?“ – Diese Frage braucht einen Maßstab und ein Maß: ein menschliches Maß, mein menschliches Maß – das Gott mir gegeben hat.

Denn bei Gott läuft das anders.
Er findet Dich gut – ganz so, wie Du bist.
Du bist gut, Du hast Würde, Du bist geliebt, weil Du ein Mensch bist.
Die Liebe fragt ja auch nicht, ob ich gut genug bin. Die Liebe liebt einen Menschen – einfach so. Sie fragt nicht, ob es gereicht hat, um geliebt zu werden. Sie fragt nicht, ob es genug war, um geliebt zu werden.

So ist es auch bei Gott. Am Anfang steht immer: „Du bist gut genug. Du bist gut so, wie Du bist. Du hast Gaben und hast Deine besonderen Möglichkeiten.“
Und Du hast zugleich eine Aufgabe: Bringe diese Gaben zur Entfaltung! Entdecke und lebe Deine Möglichkeiten! Mach etwas mit dem, was Dir gegeben ist. Lauf los!
Es ist eine große Herausforderung im Leben, das eigene Maß zu finden und zu leben. Nimm sie an, diese Herausforderung, und mach Dich getrost und fröhlich auf den Weg; auch morgen.
Denn du bist nicht allein. Du kannst Dich auf den verlassen, der Dein Leben kennt und trägt und hält.

Über das Leben für Menschen, die mit Gott rechnen, heißt es in der Bibel, im Hebräerbrief an einer Stelle (Kap. 12,1.12.13.)
Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.
Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und macht sichere Schritte mit Euren Füßen, damit nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern wieder gesund werde. Jagt dem Frieden nach mit jedem Menschen.

Ein guter Rat zum  „Lauf des Lebens“.

Glaube/Gottvertrauen und Laufen und Bewegung haben viel gemeinsam, es gibt Analogien und Erfahrungen, die das eine mit dem anderen verbinden und verknüpfen:
Der Lebens-Lauf braucht offenbar auch Ausdauer und Training, damit die müden Hände gestärkt werden, die wankenden Knie fest sind und die Schritte sicher sein können.

Der Lebenslauf mit Gott voll Glaube, Liebe und Hoffnung ist (wie) ein Lauf mit Geduld. Also offenbar ein „langer Lauf“ und keine Tempoeinheit. Hier erhält mein Leben Orientierung.
Glaube und Bewegung, Gottvertrauen und Laufen miteinander in Verbindung zu bringen, ist für immer mehr Läuferinnen und Läufer selbstverständlich geworden.

Sie freuen sich an der Natur, kennen alle Jahreszeiten und spüren, dass Laufen ihnen gut tut.
Sie spüren den Atem.
Wenn das Tempo stimmt, finden Körper, Geist und Seele zu einem guten Rhythmus und eigenen Takt.

Inzwischen ist nachgewiesen, dass laufende Menschen sich oft entspannter und kreativer fühlen. Gerade bei langen Läufen entsteht ein Freiraum für neue Gedanken und ungeahnte Problemlösungen.
Manches innere Gespräch mit Gott hat hier seinen guten Ort. Und manche Sorge verzieht sich, weil Elefanten wieder zu Mücken werden.

Wer im Vertrauen auf Gott im „Lauf des Lebens“ unterwegs ist, kennt Höhen und Tiefen, anstrengende Lebensabschnitte und auch den leichten Lauf durch eine gute Zeit.

Und manchmal kann ich nur beten und danken wie der Psalmbeter in Psalm 121 „meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“.

Bei fast jedem großen Marathon gibt es seit einigen Jahren ein Abendgebet oder einen Marathon-Gottesdienst.

An immer mehr Orten in Deutschland gibt es das „Liturgische Laufen“ oder christliche Laufangebote. Sie beginnen den Lauf mit einem Bibelvers oder mit einem Gebet wie z.B. diesem:

Lieber Gott,
lauf an unserer Seite,
schlage in unserem Herzen,
gibt unseren Schritten Kraft.
Wenn Wind und Wetter uns umzingeln,
wissen wir, dass du uns schützend umgibst.
Wenn die Sonne uns wärmt und der Regen uns reinigt,
wissen wir, dass du uns berührst.
Und so widmen wir Dir diesen Lauf.
Danke, dass Du uns begleitest. Amen.

Wer so betet und läuft, die oder der lebt auch so – und lebt anders.
Wer so betet und läuft, rechnet damit, dass das Laufen und das Leben getragen und gehalten werden – bis zum Schluss.
Wer so betet und läuft, sieht auch die Menschen neben sich.

Jagt dem Frieden nach mit jedem Menschen.
Dieser Satz der Bibel hat es mir schon lange angetan. Jagd dem Frieden nach mit jedem Menschen. Da bleibt der Lebens-Läufer nicht bei sich selbst.
Da geht der Glaube über mich selbst weit hinaus. Wir werden verbunden mit den anderen Menschen. Und das nennen wir Gemeinschaftssinn oder Mitmenschlichkeit oder Solidarität oder Barmherzigkeit.

Bei aller Betonung der Autonomie, der Selbstbestimmung kann doch kein Mensch alleine leben. Ich brauche die Gemeinschaft, die Barmherzigkeit anderer, die Menschlichkeit im Lebenslauf und morgen beim Marathon ebenso.

Es bewegt mich sehr, wenn Feyisa Lilesa als Zweiter des Marathons in Rio durch die Geste der Fesseln auf die Verfolgung seines Stammes und seiner Familie hingeweist. Hier geht es um mehr als um sportlichen Erfolg.

Es bewegt mich sehr, die Begeisterung der Paralympics ein ganz klein wenig zu spüren. Wie wichtig ist es, die jeweils gegebenen Möglichkeiten einzusetzen.
Es bewegt mich sehr, dass wir morgen wieder dabei sind, wenn sich mehr als 40.000 Menschen aus etwa 130 Nationen auf dem Weg durch diese Stadt machen und sich dabei nicht als Gegner sehen.

40.000 Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprache und Hautfarben, Männer und Frauen, Menschen mit verschiedenen Handicaps. 

Vor einem Jahr las ich eine dieser Botschaften auf den Laufshirts, über die man ein ganzes Buch schreiben könnte.

Mich hatte eine junge Frau überholt und vor mir lief dann eine ganze Zeit eine Aufschrift in englischer Sprache: „Lauf schneller! Dich hat gerade ein Mädchen mit Mukoviszidose überholt!“

Oder als ich kurz von dem Ziel (Also ich war der, der bei km 41 mal ein paar Schritte gehen musste!) durch die Zuschauer in mehreren Sprachen gleichzeitig auf die Nähe des Ziels hingewiesen wurde. Das ist Marathon, dass ist friedliches Zusammenleben und eine Demonstration für Frieden und Gerechtigkeit.

Liebe Läuferinnen und Läufer!

Es gibt unter uns eine große Sehnsucht nach einem anderen Leben in einer friedlichen Welt. Diese Sehnsucht nehmen wir aus dieser Kirche der Versöhnung heute Abend mit auf die Straße. Diese Sehnsucht nach einer Welt, in der wir miteinander unterwegs sind und nicht gegeneinander.

Gott will mit uns die Erde verwandeln, wir können neu ins Leben gehen.
Also: Es reicht! Es ist genug! Denn für uns ist gesorgt! Und wir feiern morgen einen wunderbaren Tag in einer großen Laufgemeinschaft – jede und jeder nach ihren Gaben und seinem eigenen Maß – und doch gemeinsam.

Also: Findet Euer Tempo und Euer Maß! Kommt gut an und bleibt behütet!

Amen   

Die Läufer-Predigten in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche Berlin:

Laufen und Glaube – Wie zwei Lebensthemen meinen Weg bestimmt haben … Peter Burkowski, Pfarrer und Läufer

Ökumenisches Abendgebet zum Berlin-Marathon am Sonnabend, dem 26. September 2015, 20.30 Uhr – Gott gab uns Atem – Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Die Berliner Läufer-Predigt in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Vorabend des BERLIN-MARATHON 2014 – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Läufer-Predigt – Pfarrer Klaus Feierabend am Vorabend des BERLIN-MARATHON – am Samstag, dem 28.09.2013 – Beginn: 20:30 Uhr

Die Berliner Läufer-Predigt 2012 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Vorabend des BERLIN-MARATHON – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Berliner Läufer-Predigt 2011 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Berliner Läufer-Predigt 2010 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend

Die Läufer-Predigt 2009 beim Berlin-Marathon – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Die Predigt vom Berliner Läufer-Gottesdienst 2008 – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Die Predigt vom Berliner Läufer-Gottesdienst 2007 – zu Weihnachten – Pfarrer i.R. Klaus Feierabend in der Kaiser-Wilhelm-Gedächnis-Kirche

Die Marathon-Läufer-Predigt 2006 in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche – Pfarrer Klaus Feierabend hielt im Rahmen der traditionellen Ökumenischen Abendandacht die Läufer-Predigt

 

 

author: GRR

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