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08
05
2013

So nah - aber noch 2 Kilometer bis zum Ziel im Olympiastadion ©Horst Milde

Lucy Kabuu überragte bei traumhaftem Wetter – Anmerkungen zu den BIG25 Berlin vom 5. Mai 2013 – Helmut Winter berichtet

By GRR 0

Als ob der Wettergott etwas gut machen wollte, schickte er für die BIG25 traumhaftes Frühlingswetter nach Berlin, nachdem eine Woche zuvor der vom gleichen Veranstalter „Berlin läuft!" organisierte Airport-Run bei einem „Sauwetter" mit Kälte, Wind und Regen über die Bühne ging.

Damit erlebte der Großraum Berlin eine ereignisreiche Laufwoche, die mit 7.500 gemeldeten Teilnehmern auf dem Areal des mit erheblichen Startschwierigkeiten befassten neuen Hauptstadt-Flughafens BER begann und sich einen Tag später mit 2.000 Startern beim Drittelmarathon unter dem Schirm der regionalen Medienanstalt fortsetzte, die sich aktuell kräftig im Rahmen eines 10 jährigen Jubiläums feiert, dabei aber neben einer egoistischen Werbung für die eigene „Laufbewegung" den weiteren Laufsport so gut wie ignoriert, auch wenn der sich direkt vor der Haustür vollzieht und Weltklasse-Niveau hat.

Richtig voll auf Berlins Straßen wurde es dann am letzten Wochenende, insbesondere auf der „Feiermeile" im Tiergarten, wo am Samstag beim AVON-Frauenlauf 18.000 Teilnehmerinnen gemeldet hatten und am Tag darauf waren es dann bei den BIG25 in den diversen Wettbewerben über 10 km, Halbmarathon und 25 km gut 10.000 Anmeldungen. Dass die Zahlen der Läuferinnen und Läufer im Ziel zum Teil doch deutlich unter den Voranmeldungen liegen, hat sicher vielschichtige Gründe, aber auch diese sind ohne Frage beeindruckend.

Erfreut kann man also feststellen: „Berlin läuft!"

Den gleichen Namen trägt auch der Veranstalter des traditionellen 25 km Laufs durch Berlins Straßen, der als Vorreiter aller Läufe durch deutsche Innenstädte 1981 von den französischen Alliierten als „25 km de Berlin" initiiert wurde und seit einigen Jahren auch mit Bezug auf einen Titelsponsor „BIG25" heißt. In den letzten Jahren glänzte diese Veranstaltung mit Höchstleistungen, vor allem mit Weltrekorden auf der international allerdings selten gelaufenen Strecke, die im Vergleich zu anderen Distanzen aber hochkarätig sind.

Auch in diesem Jahr konnte man von der Klasse der Topathleten sehr gute Leistungen erwarten, insbesondere bei den Frauen kündigte die Kenianerin Lucy Kabuu einen Angriff auf Mary Keitanys Weltrekord auf gleicher Strecke von 1:19:53 aus dem Jahr 2010 an. Dass dieses Unterfangen scheiterte, lag zum einen an dem für sportliche Höchstleistungen zu schönen Wetter, zum anderen ist Keitanys Bestmarke eine großartige Zeit, was schon ihre Durchgangszeit beim Halbmarathon von 1:07:28 belegt.

Trotzdem zeigte Kabuu eine tolle Leistung und deutete schon früh an, dass sie schnell laufen wollte. Unterstützt von ihren Tempomachern Edwin Kibowen und James Lagat lag sie mit 16 Minuten bei 5 km und 32:04 bei 10 km nahe am Weltrekord, musste aber dann den äußeren Bedingungen Tribut zollen und verlor zunehmend auf die Splits von Keitany, die seinerzeit sehr gleichmäßig fast alle 5 km-Abschnitte in 16 Minuten passierte.

Auch die Schrittmacher konnten nicht verhindern, dass Lucy bei 15 km bereits über eine halbe Minute hinter dem Rekord-Split zurücklag, beim Halbmarathon in 1:08:56 akkumulierte sich dies auf bereits 1 ½ Minuten. Aber obwohl damit der Angriff auf den Weltrekord kein Thema war, gab sie mit ihrem gedrungen kraftvollen Laufstil nochmal alles und erreichte mit der Unterstützung von Lagat in hervorragenden 1:21:37 das Ziel auf der blauen Bahn des Olympiastadions.

Ganze 6 Männer waren an diesem Tag schneller als die Kenianerin. Auch auf historischer Skala kann sich die Zeit sehen lassen, neben Keitany war jemals nur Constantina Dita beim Chicago Marathon 2006 an der 25 km-Marke etwas schneller.

Die Verfolgerinnen konnten bereits nach gut 2 km das hohe Tempo von Kabuu nicht mehr mitgehen und fielen deutlich zurück. Trotzdem liefen Anges Mutune (KEN) in 1:23:08 und Esther Chemtai (KEN) in 1:23:18 ausgezeichnete Zeiten. Dabei lag der beste Deutsche im Feld, Volker Goineau, nur einen Schritt vor der drittplatzierten Frau. Und damit wurde Goineau sogar siebtbester Mann. Etwas enttäuschend geriet der Auftritt der Boston-Marathon-Siegerin von 2011, Caroline Kilel, die weit zurück fiel und in 1:26:14 nur viertbeste Frau an diesem Tag wurde. Beste deutsche Läuferin wurde – wie auch eine Woche zuvor beim Airport-Run – Karsta Parsiegla aus Berlin, die als Starterin der Altersklasse W50 mit 1:42:04 wie Goineau auf Platz 7 einlief.

Die hohen Erwartungen an das Rennen der Männer wurden schon vor dem Start gedämpft, als einer der Favoriten, der erst 17-jährige Ghirmay Ghebreslassie aus Eritrea, wegen Visaproblemen nicht anreisen konnte. Insbesondere nach seiner Galavorstellung beim Paderborner Osterlauf, wo er im Halbmarathon die Stundengrenze nur knapp verfehlte, wäre er ein erster Aspirant auf den Sieg und den Junioren-Weltrekord gewesen

Auch bei den Männern blieb das (zu) schöne Wetter nicht ohne Wirkung, eine zehnköpfige Gruppe erreichte die 5 km nach 14:42, im letzten Jahr bei Kimettos Weltrekord von 1:11:18 waren das glatte 14 Minuten. Trotz sichtlicher Bemühungen wurde das Tempo der Spitze nicht viel schneller, trotzdem fielen bereits nach 6 km Hamid (ERI) und nach 8 km der Topfavorit Vincent Kipruto zurück. Kipruto hatte erst im März den Lake Biwa Marathon gewonnen und als amtierender Vizeweltmeister im Marathon liegt seine Bestleistung bei 2:05:47. Kipruto passierte mit weitem Abstand hinter der Spitze (29:12) die 10 km-Marke und stieg dann bald aus dem Rennen aus. Damit blieb er am Sonntag kein Einzelfall.

Als bei 16 km mit Stephen Nkubitu als letzter Tempomacher seinen Dienst quittierte bildeten nur noch drei Läufer die Spitzengruppe: Richard Sigei und Jacob Kendagor aus Kenia sowie Daniel Chepyegon aus Uganda. Das Trio hatte zuvor die 15 km nach 44:02 passiert, während man im Weltrekordlauf des letzten Jahres hier bereits nach 42:46 durchlief. Spätestens hier war klar, dass der leistungssportliche Höhenflug der BIG25 bei den Männern in diesem Jahr eine Pause einlegen würde.

Im letzten Jahr war Jacob Kendagor als Tempomacher maßgeblich am Weltrekord von Dennis Kimetto beteiligt und wurde als Dritter mit sehr guten 1:11:59 belohnt. Vor einem Monat hatte er souverän den Berliner Halbmarathon in 59:36 gewonnen und alles deutete auch bei diesem Lauf auf seinen Sieg hin. Doch die drei Läufer hatten die 20 km noch nicht ganz erreicht, da beschleunigte unvermittelt Richard Sigei und setzte sich schnell von seinen beiden Mitstreitern ab. Erstaunlicherweise blieb Kendagor fast stehen und fiel schnell zurück. Ganz vorne erhöhte Sigei das Tempo weiter und legte dabei auf dem kritischen Teil der Strecke von km 20 nach km 21 zum Theodor-Heuss-Platz in grandiosen 2:59 zurück.

Das hatte in der Geschichte der BIG25 bisher noch kein Läufer geschafft, auch nicht beim Weltrekordlauf im letzten Jahr. Dabei ist anzumerken, dass der Höhenunterschied auf diesem Kilometer 19 Meter beträgt. Jeder, der am Sonntag mitgelaufen war, wird diesen Abschnitt sicher noch in „bester" Erinnerung haben.

Sigei war jedenfalls so schnell diesen Anstieg hinaufgerast, dass er beim Halbmarathon in 1:02:04 (beim Weltrekord 2012 1:00:19) auf Chepyegon einen Vorsprung von 11 Sekunden und auf Kendagor von 23 Sekunden herausgelaufen hatte. Diesen konnte er bis ins Ziel noch deutlich ausbauen, wobei er aber im Schlusspart seinem Zwischenspurt Tribut zollen musste.

Sigei, der zuvor im Halbmarathon mit 1:01:14 und über 10 km mit 28:01 ausgewiesen war, landete in guten 1:13:34 seinen ersten größeren Erfolg.

Dieser wurde auch gleich als Jahresweltbestzeit auf dieser nur selten gelaufenen Distanz verkündet, was sich allerdings durch die Durchgangszeiten beim Rotterdam-Marathon relativiert, dort passierten sechs Läufer die 25 km-Marke in exakt der gleichen Zeit, 1:13:34. Und beim London-Marathon im April mit einem aberwitzigen Tempo im ersten Part liefen neben Mutai und Kipsang in 1:12:59 weitere sechs Läufer schneller als die Berliner Siegerzeit, sie hatten aber alle von einem Gefälle von fast 40 Metern profitiert, das erst zum Ende des Marathons regelkonform wird.

Hinter Sigei wurde Chepyegon aus Uganda Zweiter in 1:14:17 und erst auf Platz 3 einer der Favoriten, Jacob Kendagor, in 1:45:47, für dessen Einbruch bei 20 km auch sein Manager keine Erklärung hatte.

Durch die große Anzahl der Ausfälle an der Spitze wurde Volker Goineau in 1:23:18 bester Deutscher und lag damit schon auf Platz 7. Damit steigerte der junge Mann seine Marke aus dem Vorjahr von 1:24:22 um eine gute Minute. Im Vergleich zur Spitze und zu internationalen Standards ist Abstand schon erheblich. Dazu passt dann auch das Ergebnis auf den nächsten Plätzen. Gerade einmal 9 Männer lagen im Ziel unter 1:30 Stunden und 14 Männer unter 1:36:35.

Abgesehen von der (eingekauften) Spitze ist die Breite an leistungsbereiten Freizeitläufern weitgehend verloren gegangen. Das zeigt auch ein direkter Vergleich mit der ersten Auflage dieses Laufs am 3. Mai 1981. Bei der Premiere wurde der Berliner Ingo Sensburg in 1:17:59 Vierter, 32 Läufer blieben unter 1:30 Stunden und mit der Zeit von 1:36:55 siegte damals Joelle Audibert bei den Frauen, das war Platz 133 in der Gesamtwertung.

Mit dabei seit der ersten Auflage war mit Wolfgang Paech ein Urgestein der Berliner Laufszene, der seit 1981 in jedem Jahr bei dieser Veranstaltung startete und bei allen vorangegangenen 32 Auflagen das Ziel erreichte. Dieser einmalige Nimbus fand nun ein Ende, Paech bekam vom Arzt ein Startverbot, war zwar gemeldet und tauchte auch im T-Shirt der ersten Ausgabe vor dem Olympiastadion auf, wurde aber im Ziel nicht registriert.

In den weiteren Wettbewerben gewann Sebastian Nitsche aus Siegen in 1:12:44 den Halbmarathon, bei den Frauen brauchte die Siegerin Doreen Kraska aus Magdeburg 1:33:45. Über 10 km war Fritz Koch vom LSF Münster (die Laufsportfreunde aus Münster sind traditionell mit einer großen Gruppe dabei) in 33:27 der Sieger und Andrea Diethers von den ASICS Frontrunners gewann die Frauenkonkurrenz in 37:21.

Bemerkenswert ist hier die Tatsache, dass mit 1240 Männern und 1055 Frauen der Unterschied der Geschlechter nur noch gering war. Dies überrascht insofern, als am Tag vorher der AVON-Frauenlauf weit über 10000 Frauen am Start hatte und den BIG25 am kommenden Tag mächtige Konkurrenz um die Teilnehmerinnen machte.

In einer von „Berlin läuft!" bestens organisierten Veranstaltung war wieder einmal die Staffel des Lang- und Laufladens in 1:21:40 (Singer, Schenk, Boyxen, Schalanda und Rusch) die Beste und dürfte sich ähnlich an der prächtigen Stimmung und dem tollen Wetter erfreut haben wie die vielen Breitensportler, die nach der strapaziösen Tour durch die Berliner Innenstadt sehr euphorisch in das Olympiastadion einliefen.

 

Helmut Winter

 

Splits der Spitze der Männer:

 

5 km   14:42  –  14:42  (2:58, 2:52, 2:52, 3:00, 3:00)

10 km  29:12 – 14:30  (2:56, 2:54, 2:56, 2:55, 2:49)

15 km  44:02 – 14:50  (2:59*, 3:00*, 2:59*, 2:54, 2:56)

20 km  58:49 – 14:47  (2:55, 2:54, 2:54, 2:54, 3:00)

 HM   1:02:04

25 km 1:13:34 – 14:45  (2:59, 2:57, 2:57, 3:05, 2:47)

 

 

BIG 25 Berlin mit 10.901 Teilnehmern – Jahresweltbestzeiten von Richard Sigei und Lucy Kabuu bei den BIG 25 Berlin

 

author: GRR

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