Blog
27
04
2009

„Ich habe früh gemerkt, dass die anderen nicht mitkommen, wenn ich ein bisschen Tempo mache“, sagte Irina Mikitenko im Ziel

London-Marathon – Die Königin der klassischen Distanz Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

 Als Irina Mikitenko am Sonntag unter dem Jubel des Publikums und unter den Flaggen mit dem Union Jack auf den Buckingham Palace zulief, durchbrach schließlich ein Lachen ihren entschlossenen Gesichtsausdruck. Glücklich winkte sie in Menge, wie sie sich dort sonst zum zeremoniellen Wachwechsel der königlichen Garde versammelt.

Wenige hundert Meter später hatte die bei 1,58 Meter Körpergröße nur 49 Kilogramm schwere Läuferin den London-Marathon gewonnen. Mit dieser Wiederholung ihres Erfolges vom vergangenen Jahr, ihrem dritten großen Marathonsieg, hat sich Irina Mikitenko als Nummer eins auf der Königsstrecke des Langlaufs etabliert, welche in London 36.000 Läuferinnen und Läufer angingen. Paula Radcliffe, die schnellste Marathonläuferin der Welt, fehlte wieder einmal verletzt. Die anderen konnten mit der Herrscherin auf der Langstrecke nicht mithalten.

Mit diesem Sieg, in 2:22:11 Stunden, hat die 36 Jahre alte in Kasachstan geborene Wattenscheiderin Irina Mikitenko die Poleposition für den Gewinn des Jackpots der World Marathon Majors verteidigt; schon im vergangenen Jahr ging die halbe Million Dollar an sie. In London gewann sie, zusätzlich zu ihrem substantiellen Antrittsgeld, 80.000 Dollar Preisgeld. Darüber hinaus gilt sie nun als eine der wenigen deutschen Hoffnungen auf einen Titelgewinn bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften im August in Berlin. Am Tag des Rennens in Berlin, dem 23. August, wird sie 37 Jahre alt. Auch in London trug sie das Nationaltrikot.
Anzeige

„Ich habe auch einige ,Miki'-Rufe gehört“

Obwohl Irina Mikitenko in London erst ihr viertes Rennen auf der klassischen 42,195 Kilometer langen Strecke lief – ihr Debüt gab sie im September 2007 mit Platz zwei in Berlin, und sie lief ihre Bestzeit von 2:19:19 in Berlin 2008 -, waren es doch Vernunft und Erfahrung, mit denen sie sich durchsetzte.

Irina Mikitenko ließ die Tempomacher ruhig ihre Arbeit tun – und war schnell allein. Sie rannte die erste Hälfte, von Greenwich nach Whitechapel, in 1:10:53 Stunden schneller als die zweite, aus der City zum Sitz von Königin Elizabeth (1:11:18). Doch sie verausgabte sich dabei nicht, sondern hatte noch Energie für einen energischen Endspurt. Nach weniger als zwei Stunden war der Marathon für sie schon gewonnen, da sie bei Kilometer 32 auch ihre letzte Konkurrentin, die in Japan lebende Britin Mara Yamauchi (Zweite in 2:23:12 vor der Russin Lilja Schobukowa/2:24:24), abgeschüttelt hatte.

Olympiasiegerin Constantina Tomescu-Dita aus Rumänien fiel schon nach rund fünf Kilometern aus der Spitzengruppe zurück und gab nach zwanzig Kilometern auf. Die Chinesin Zhou Chunxiu, Siegerin in London 2007 und Dritte beim olympischen Marathon von Peking, konnte kurz nach Halbzeit nicht mehr mithalten und wurde Zwölfte. Die kenianische Weltmeisterin und Olympia-Zweite Catherine Ndereba schaffte es von Anfang an nicht in die Spitzengruppe und wurde Siebte (2:26:22), auch von den Äthiopierinnen Berhane Adere (Fünfte/2:25:30) und Gete Wami (Neunte/2:26:54) war an der Spitze nichts zu sehen.

„Ich habe früh gemerkt, dass die anderen nicht mitkommen, wenn ich ein bisschen Tempo mache“, sagte Irina Mikitenko im Ziel. „Bei Kilometer 25 wusste ich, dass ich noch genug Power habe, um zu gewinnen gegen Mara.“ Allein lief sie bei strahlender Sonne und gegen einen kühlen Wind die letzten zehn Kilometer durch London, die Themse abwärts zum Buckingham Palast und ins Ziel im St. James's Park – nicht ganz allein allerdings. Zwischen den Wolkenkratzern von Canary Wharf und dem Tower, etwa bei Kilometer dreißig, sprang ihr Mann und Trainer Alexander aus der Menschenmenge am Straßenrand ins Führungsfahrzeug.

Er, der seine Frau sonst bremst und zur Zurückhaltung mahnt, fiel diesmal ein in den Chor derjenigen, die sie lautstark unterstützten. „Mara ist natürlich am meisten angefeuert worden“, bemerkte Irina Mikitenko. „Aber ich habe auch einige ,Miki'-Rufe gehört.“

 Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 27. April 2009 

author: GRR

Comment
0

Leave a reply