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28
09
2016

Die beiden Marathonsieger Simon Stützel (lks) und Simone Raatz ©Wilfried Raatz/ wus-media

Lokalmatadore geben den Ton an – Karlsruhe voraus: Mit Simon Stützel und Simone Raatz dominieren zwei Einheimische über die Marathondistanz – Wilfried Raatz berichtet

By GRR 0

Rein sportlich darf Fried-Jürgen Bachl als Geschäftsführer des Vereins Marathon Karlsruhe durchaus zufrieden sein, denn mit Simon Stützel und Simone Raatz konnten die beiden favorisierten Karlsruher die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen und mit 2:26:21 und 2:55:39 Stunden angesichts der Alleingänge und des vorherrschenden Altweibersommers zudem gute Leistungen abliefern, die im Vergleich zum Vorjahr ein Plus bedeuten.

Beim Halbmarathon mit integrierten Landesmeisterschaften Baden-Württembergs gewannen mit Frederik Unewisse und Melina Tränke zwei Topläufer der LG Region Karlsruhe vor starker Konkurrenz.

„Wir können einen sportlichen Aufschwung festhalten“, so Fried-Jürgen Bachl in einem ersten Resümee. „Der Umzug mit Start und Ziel zur Neuen Messe ist im Großen und Ganzen gelungen, sicherlich gibt es verschiedene Dinge, die es zu optimieren gilt“.

Die Begleitmusik jedenfalls dürfte den Verantwortlichen des Baden-Marathon allerdings weniger Kopfzerbrechen bereiten, denn „Kinderkrankheiten“ lassen sich im Einklang mit den Kritikern für die 35. Auflage des Marathons sicherlich am ehesten beheben. Eines jedenfalls ist ein unbedingtes Plus: Der Einlauf in die Messehalle ist ein besonderes Highlight und die Nutzung der vorhandenen Infrastruktur ist selbst für die ausdauerorientierten Läufer eine angenehme Begleiterscheinung, die eine moderne Lauf-Veranstaltung ausmacht.  

Vielmehr ist der weitere Teilnehmerrückgang bedenklich, denn in der Gesamtbeteiligung ist ein Rückgang um 300 Läufer auf nunmehr 8.233 Anmeldungen festzuhalten, wobei der Marathon (1074 Meldungen) und der Halbmarathon (4.876) um 100 bzw. 600 Läufer zurückgegangen sind, die vom Zuwachs beim Staffelmarathon allerdings nicht zu kompensieren sind.

Die lokale BNN betitelt mit Blick auf die finanzielle Situation der stimmungsvollen und atmosphärischen Groß-Laufveranstaltung allerdings „Rote Zahlen beim Baden-Marathon“.

Marathonmacher Fried-Jürgen Bachl bestätigt diese Feststellung, kontert allerdings zugleich mit der Feststellung, dass die Veranstaltung diese Schieflage durch Rücklagen durchaus ausgleichen kann, was allerdings auf Dauer nicht möglich sein würde. Zu diesen roten Zahlen haben sicherlich die erhöhten Aufwendungen für die Anmietung und Herrichtung des neuen Zielareals beigetragen, zumal auch die Marathonmesse in den großzügigen Messehallen eine neue Heimstatt gefunden hat.

Angesichts der parallelen Laufveranstaltungen wie der seit Monaten bereits ausgebuchte Berlin-Marathon oder der Einstein-Marathon in Ulm ist bei einer günstigeren Termingestaltung sowohl bei den Teilnehmerzahlen als auch bei den Messeausstellern sicherlich eine Belebung möglich.

Und Fried-Jürgen Bachl sieht „seine“ Veranstaltung vor allem als eine regionale Veranstaltung, die Strahlkraft besitzt. „Wir sind natürlich froh, dass die starken Läufer aus der Region für gute Ergebnisse sorgen konnten. Die Zahlen sind nur eines, die Mund-zu-Mund-Propaganda ein anderes, denn für uns ist wichtig, dass der Baden-Marathon in der Region ankommt!“

Schließlich steht der FIDUCIA GAD Baden-Marathon in direkter Konkurrenz zu den Marathonläufen entlang der Rheinschiene in Freiburg und Mannheim – und weiß sich nach dem Umzug zur Messe und der neugestalteten Strecke durchaus gut aufgestellt. Nun müssen die Verantwortlichen allerdings an den Stellschrauben drehen, damit die 35. Auflage wieder zu einem starken Magnet in der Region und darüber hinaus wird.

Nachbessern müssen die Macher des Karlsruhe-Marathon sicherlich nach übereinstimmender Aussage der Spitzenläufer den Streckenverlauf. Über „zu viele Ecken“ bis hin zu „viele Steigungen“ – darin waren sich die Stützel, Raatz, Tränkle, Unewisse und Co. ebenso einig wie in ihrem Urteil, dass der Einlauf in der Messehalle ein unbedingter Gewinn für die Veranstaltung sei.

Und Günter Scheefer, der Trainer der erfolgreichen Läufer der LG Region Karlsruhe, unterstrich die Bedeutung eines schnellen Halbmarathons im Badischen. „In Karlsruhe ist die Chance, einen wirklich schnellen Halbmarathon zu installieren. Wir müssen es nur wollen!“ Dass die Athleten gewillt sind, in der Fächerstadt Flagge zu zeigen, das haben die zuletzt erzielten Siegerzeiten im Bereich von 1:06 bzw. 1:13 schon unterstrichen.  

Natürlich bestimmten die (schnelleren) Halbmarathonläufer, vornehmlich die aus Baden-Württemberg, das Geschehen, sodass die Orientierung für die Marathonläufer bis zum Abzweig bei Kilometer 17 überaus schwierig war. Simon Stützel betätigte sich dabei als exzellenter Tempomacher für Melina Tränkle, die mit leichten Magenbeschwerden zu kämpfen hatte.

Ehe er sich nach dem Ausscheren der Halbmarathonläufer auf den beschwerlichen Alleingang über Mühlburg und der Nordweststadt in Richtung Schloss aufmachte. Auch wenn der alte Baumbestand im Schlosspark wohltuend Schatten spendete, nebelten die Begleitfahrzeuge mit einer immensen Staubwolke den einsamen Neu-Karlsruher an der Spitze ordentlich ein.

„Mein Plan war es, eine 2:25 laufen“, gestand der 30jährige Langstreckenläufer im Dress des ASICS Team Memmert (im Fränkischen), „aber ich hatte zwischen 17 und 35 Kilometern Mühe, das angeschlagene Tempo zu halten. Mir fehlen derzeit auch die langen Läufe…!“ Schließlich hat er auch noch genügend Zeit bis zu seinem Marathonstart im November in Venedig. Mit Magenbeschwerden und Krämpfen verlor er zwar nur unwesentlich an Zeit auf dem „Rückweg“ durch Beiertheim, Grünwinkel und Heidenstückersiedlung, sodass letztlich die Siegerzeit von 2:26:21 lediglich eine Minute langsamer war als bei seinem Sieg 2015 bei ungleich besseren Laufbedingungen.

Die Einsamkeit des Langstreckenläufers musste nicht nur Simon Stützel leibhaftig erfahren, sondern auch die Nächstplatzierten, die zum Teil mit erheblichem Abstand zueinander liefen.

Der Karlsruher LSG-Läufer Christoph Hakenes freute sich letztlich über einen souveränen zweiten Rang in 2:38:50 wie auch der Tübinger Michael Schramm als Dritter in 2:40:10. Wobei Michael Schramm („Ich brauche noch Kilometer“) mit dem Vorsatz eines Trainingslaufes in 2:46 Stunden ins Rennen gegangen war, schließlich geht möchte er in exakt vier Wochen bei den Deutschen Meisterschaften im Rahmen des Frankfurt-Marathon in Richtung 2:22 marschieren.

„Es lief einfach zu gut“, grinste er vielsagend, „vor allem, wenn du einen nach dem anderen einsammeln kannst. Christoph habe ich zwar schon gesehen, aber er war dann doch zu weit weg…!“ Am Vortag hatte der 26jährige von der LAV Stadtwerke Tübingen übrigens noch den 10 km-Lauf in Ilsfeld in einer 33-Minuten-Endzeit gewonnen und aus Trainingsgründen weitere 10 km im gleichen Tempo drangehängt. Auf das Marathonresultat jedenfalls darf man gespannt sein.

Ähnlich einsam wie Simon Stützel war allerdings auch Simone Raatz auf ihrer Tour durch ihre Geburtsstadt Karlsruhe unterwegs.

„Ab Kilometer 17 bin ich im Tempo stark zurückgefallen, denn bis dahin hatte ich mit Sophia Kaiser eine exzellente Partnerin, die aber dann leider zum Halbmarathonziel abgebogen ist. Die Strecke ist schon sehr schwer, die vielen Richtungswechsel und Brückenanstiege fallen einem irgendwann richtig schwer“, gestand die 40jährige 10 km-Vize-Europameisterin.

Mit 2:55:39 Stunden verlor sie zwar auf dem zweiten Streckenabschnitt sieben Minuten, hatte aber elf Minuten Vorsprung auf die nächstbesten Frauen mit Natascha Bischoff (3:06:13) und Emanuelle Vergé (3:10:31). Durfte sich aber zurecht feiern lassen, schließlich war sie 28 Minuten schneller als Corinna Rinke bei ihrem Sieg 2015.

Für Simone Raatz war dies übrigens bereits der siebte Marathonerfolg nach ihren Siegen in Dresden, Mannheim, Darmstadt und auf den Bahamas.

Erstaunlich stark präsentierte sich Natascha Bischoff acht Monate nach der Geburt von Tochter Fleur und vier Wochen nach ihrem 100 km-Start in Leipzig, bei dem sie sich als viertbeste deutsche Läuferin für die WM im November qualifizieren konnte. Mit einer neuen Bestmarke mit 3:06:13 Stunden geht die vierfache Mutter in die Vorbereitung auf den Saisonhöhepunkt in Spanien.

Trotz gewissen Einbußen erwies sich der Halbmarathon einmal mehr als Magnet, zumal die integrierten BaWü-Meisterschaften noch einmal 160 Starter einbrachten. Frederik Unewisse lief praktisch sein Rennen von der Spitze weg und zeigte sich im Vorfeld des Frankfurt-Marathon mit 1:08:49 Stunden durchaus im Soll. Dahinter folgten Jens Ziganke (1:09:22) und dann im Sekundentakt Christophe Krech (1:09:50), Jens-Michael Gossauer (1:09:55), Benedikt Hoffmann (1:09:59) und Daniel Noll (1:10:00).

Spannend hingegen bis in die Messehalle hinein war das Frauenrennen, das EM-Starterin Melina Tränke nach 1:14:35 Stunden knapp gegen ihre „Dauerkonkurrentin“ Fabienne Amrhein (1:14:57) sowie Tanja Grießbaum (1:15:56) gewinnen konnte. Dabei quälte sich die Karlsruherin, übrigens vor zwei Wochen DM-Zweite über die 10 km-Distanz beim Alsterlauf in Hamburg, mit Magenbeschwerden über den Kurs.

„Vielleicht muss ich auch mit dem Essen am Vortag etwas vorsichtiger sein“, so Melina Tränke, die sich übrigens vielleicht schon im kommenden Jahr ebenfalls auf die Marathonstrecke wagen möchte.   
 

    

author: GRR

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