2017 USA Outdoors Track & FIeld Championship Sacramento, CA June 22-25, 2017 Photo: KevinMorris@PhotoRun victah1111@aol.com 631-291-3409 www.photorun.net
LEICHTATHLETIK-WM LONDON 2017 – Amerikas neuer Star Evan Jager: „Wahrscheinliches Doping; weitere Daten nicht erforderlich.“ Von KLAUS BLUME
Ob Carl Lewis, Maurice Green oder Justin Gatlin – jahrzehntelang führte ein Sprinter das US-Team in eine Leichtathletik-Weltmeisterschaft. Es waren Männer, populär wie Hollywood-Stars.
Bei den 16. Welttitelkämpfen (4. bis 13. August) in London ist alles anders, dort steht auf einmal ein Hindernisläufer an der Spitze der amerikanischen Crew.
Sie haben richtig gelesen, ein Hindernisläufer. Kein Hürdensprinter, wie es sie in den USA wie Sand am Meer gibt. Vielmehr ein Athlet, der auf der 3000 Meter langen Distanz über feste Hindernisse und obendrein Runde um Runde über einen Wassergraben hechtet. Dabei ist dieser Evan Jager aus Algonquinn in Illinois kein Kenianer, wie der eingebürgerte Bernard Lagat, der 2007 für die USA WM-Gold über 5000 Meter gewann; Jager ist gebürtiger Amerikaner, mit schulterlangem blonden Haar, das er beim Laufen mit einem breiten Stirnband bändigt. Lässig. Selbstbewusst. Erfolgreich. Ein Mädchen-Schwarm.
Achtundzwanzig ist er jetzt, also im besten Läufer-Alter – und seit dem 20. Juli steht er, und nicht wie sonst, irgendein Afrikaner, an der Spitze der Weltjahres-Bestenliste über 3000 Meter Hindernis. Denn am 20. Juli, beim Diamond-League-Rennen in Monaco, siegte er in atemberaubenden 8:01.29 Minuten, und zwar vor dem hoch-renommierten Kenianer Jairus Birech; ein Mann, der die klassische olympische Distanz schon zweimal unter acht Minuten zurück gelegt hatte.
Der Schock saß danach tief in Kenia. Elf Olympiasieger und elf Weltmeister aus diesem Land hatten jahrzehntelang die sogenannte „kenianische Strecke" dominiert – nun wurde bei einem Diamond-League-Rennen, also vor aller Welt, erstmals einer ihrer Allerbesten besiegt.
Götterdämmerung?
Von wegen, denn urplötzlich kamen den Kenianern die berüchtigten Fancy Bears zur Hilfe. Deren Motto: „Wir werden Ihnen sagen, wie olympische Medaillen gewonnen werden."
Diese Internet-Spione, denen eine Nähe zum russischen Militärgeheimdienst GRU nachgesagt wird, die aber auf ihrer Anonymität beharren, hackten nämlich beim Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) Jagers Bio-Pass.
Und siehe da, in der Spalte „Hämatologische Gutachten" stand: „Wahrscheinliches Doping; weitere Daten nicht erforderlich." Dem amerikanischen Läufer-Portal „Let‘s Run.com" entgegnete Jager daraufhin wie üblich: „Ich habe niemals eine verbotene Substanz genommen. Ich werde niemals die Anti-Doping-Regeln brechen oder beugen."
Doch die Reporter von „Let‘s Run.com" bohrten weiter. Hartnäckig, unbeugsam. Und so erfuhren sie, dass Evan Jager wegen seiner Allergien einen „genehmigten" Inhalator benutzt. Wegen welcher Allergien? Wisse er nicht. Seit wann er „genehmigte" Medikamente benutze? Jager: „Seit 2012."
Also seit er vom Langstrecken- zum Hindernislauf gewechselt hatte und bei den Olympischen Spielen 2012 in London überraschend Sechster geworden war. Seitdem vollzog sich sein Aufstieg unaufhaltsam: 2015 schob er sich mit beeindruckenden 8:00,45 Minuten, gelaufen in Paris, auf Platz zwei der Weltjahres-Bestenliste, und verwirrte damit die Experten.
John Cook, zuvor Coach der US-Marathonläuferin Shalane Flanagan, sagte damals, im Nike Oregon Projekt seines Kollegen Jerry Schumacher, in welchem Flanagan und Jager trainieren, würden Athleten ermutigt, verschreibungspflichtige Medikamente zu nehmen.
Es gab keinen Widerspruch in der Branche. 2016 gewann Jager bei denOlympischen Spielen 2016 in Rio dann Silber, Flanagan beendete den Marathonlauf als Sechste.
Wie es jetzt weiter geht? Sein von den Fancy Bears gehackter Bio-Pass bereite ihm „ein wirklich beschissenes Gefühl" gestand Jager „Let‘s Run.com". Aber was soll‘s? Bis heute habe sich weder die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), noch die IAAF bei ihm gemeldet.
Doch auch bei den Konkurrenten in Kenia geht die Angst um. Nicht nur bei Asbel Kiprop, dem dreimaligen Weltmeister über 1500 Meter, der – so behaupten die Fancy Bears – ebenfalls „genehmigte Medikamente" benutzt habe, auch unter den Hindernisspezialisten – so hören wir – grassiere die Angst, überführt zu werden.
Zumal Moses Kiptanui, dreimal Weltmeister, später ein hoch geachteter Trainer, 2015 endgültig seinen Job aufkündigte – wegen des grassierenden Doping-Missbrauchs in seinem Lande. Kiptanui, auch Coach des viermaligen Hindernis-Weltmeisters Ezekiel Kemboi, sagte der BBC:
„Informationen beweisen, dass es eine gute Anzahl an Athleten gibt, die Drogen benutzen. Sie wollen mit allen Mitteln Geld verdienen. Entweder auf echte Art oder auf andere Weise." Und damit wollte Kiptanui nichts mehr zu tun haben.
Klaus Blume
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