Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften sind nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM die bedeutendste Sportveranstaltung der Welt, zurückgetreten ist Henze jedoch wegen allerlei Kleinigkeiten
Leichtathletik-WM – Langer Anlauf – Berliner Pflaster. Um die Vermarktung der Leichtathletik-WM im Olympiastadion gibt es vor dem Start Streit. Friedhard Teuffel im Tagesspiegel
Berlin – Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ werden bei Sitzungen manchmal Blumen überreicht oder Fahrgemeinschaften für den Heimweg gebildet. Heiner Henze hatte für das lokale Organisationskomitee (LOC) der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 in Berlin aber noch eine Überraschung zu bieten: seinen Rücktritt. Der Geschäftsführer des Organisationskomitees arbeitet nur noch bis Ende September.
Jetzt müssen die Veranstalter einen Nachfolger suchen.
Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften sind nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM die bedeutendste Sportveranstaltung der Welt, zurückgetreten ist Henze jedoch wegen allerlei Kleinigkeiten. Bei der Sitzung in der vergangenen Woche hatte Henze ein Maskottchen vorgestellt und einen Präsentationsfilm. Über beides wurde viel diskutiert, der erhoffte Zuspruch blieb jedenfalls aus, und Henzes Gesichtszüge wurden im Laufe der Veranstaltung nach Beobachtungen von Teilnehmern härter und härter.
Am Ende hatte Henze, der sich als Generalsekretär des Deutschen Leichtathletik-Verbandes und des Nationalen Olympischen Komitees einen guten Ruf erworben hatte, keine Lust mehr. „Das waren die berühmten Tropfen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben“, sagte Henze.
Die Organisatoren haben nun ein Problem mehr. Ein anderes großes ist: Wie wird das Stadion 2009 voll? Wenn nicht genügend Zuschauer ins Olympiastadion kommen, droht ein hoher Verlust – auch für Berlin. 48 Millionen Euro sind für die Ausrichtung der WM veranschlagt, und der Senat hat beim Internationalen Leichtathletik-Verband IAAF eine Garantieerklärung über 17 Millionen Euro abgegeben. Weil während der WM auch noch Schulferien sind, könnten die Organisatoren übrig gebliebene Karten nicht einmal an Schulklassen verschenken.
Der Eintrittskartenverkauf hat deshalb eine besondere Bedeutung, das Organisationskomitee hat ihn öffentlich ausgeschrieben. Elf Firmen wurden angesprochen, sechs haben sich beteiligt, unter ihnen auch die Agentur von Michael Mronz. Mronz hatte unter anderem im vergangenen Jahr die Welt-Reiterspiele in Aachen organisiert.
ls einzige der Agenturen tauchte Mronz im letzten Geschäftsbericht auf: „Die Agentur Michael Mronz hat im Rahmen dieser Ausschreibung ihr Interesse zur Promotion der Eintrittskarten bekundet und zwischenzeitlich ein entsprechendes Konzept vorgelegt, in dem auch die allgemeinen Promotionaktivitäten vernetzt sind.“ Eine Bevorzugung von Mronz durch die Geschäftsführung?
„Es gab eine Rückfrage an uns dazu“, sagte Heinrich Clausen, Generalsekretär des Organisationskomitees. Mronz scheint auf jeden Fall gute Karten zu haben. Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, sagt: „Mronz hat ausgezeichnete Referenzen.“
Seine interne Präsentation für „Presse-, Öffentlichkeitsarbeit Promotion und Ticketvertrieb“ zählt sicher nicht dazu. Das Konzeptpapier rechnet unter anderem die „Berliner Zeitung“ dem Axel-Springer-Verlag zu und listet für mögliche Kamingespräche Journalisten auf, die zum Teil schon pensioniert sind oder nicht die entsprechenden Zuständigkeiten haben. Zu dem Konzeptpapier will Mronz keine Stellung nehmen, es sei alles intern, was bisher passiert sei. „Ich kann aber sagen, dass wir in guten Verhandlungen sind und beide Seiten Interesse an einem Abschluss haben.“
Zunächst werden Clausen und Henze weiter die Verhandlungen mit Mronz führen. Ein neuer Geschäftsführer soll jedoch bald gefunden werden. Bei den Weltmeisterschaften Ende August in Osaka will das Berliner Organisationskomitee schließlich komplett auftreten und sich keine Blöße geben. Mit Henzes Rücktritt hatte offenbar niemand gerechnet. Vor allem mit Gerhard Janetzky hatte Henze in den vergangenen Monaten Streitereien ausgetragen. Janetzky, Geschäftsführer des Leichtathletik-Meetings Istaf, sagt: „Ich hätte gerne mit ihm weitergearbeitet. Aber ich sitze nicht zum Abnicken in dem Gremium, sondern auch zum kritischen Nachfragen.“
Vieles davon nahm Henze am Ende wohl sehr persönlich. Ein Beteiligter sagt, im Vergleich zu früheren sportpolitischen Debatten, an denen Henze beteiligt war, seien die jüngsten Sitzungen allerdings „Wellness-Veranstaltungen“ gewesen.
Wohl auch wegen dieses überraschenden Abschieds von Henze wünscht sich Abschieds Janetzky nun „einen starken Mann oder eine starke Frau“ an die Spitze der Geschäftsführung. Janetzky hatte in der jüngsten Vergangenheit unter anderem hinterfragt, warum immer noch kein einziger Sponsor präsentiert worden ist. Schließlich seien einige Firmen schon dabei, ihre Budgets für 2008 und 2009 festzulegen. Prokop entgegnet: „Es laufen Verhandlungen mit mehreren Sponsoren.
Da sind wir im Zeitplan.“
Friedhard Teuffel
Der Tagesspiegel
Dienstag, dem 10. Juli 2007