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23
07
2009

Die WM-Kampagne sei zu spät gestartet, glaubt Agenturchef Martin Seeber. Lange sei er bei der Werbung für den Champions Club sogar bei manchen Großfirmen auf Ahnungslosigkeit gestoßen: „Die wussten von nichts.

Leichtathletik-WM – Hoffen auf den Endspurt – Viele Unternehmen setzen auf die Leichtathletik-Weltmeisterschaft – noch sind die Erwartungen gedämpft. Cay Dobberke im Tagesspiegel

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Für Berliner Unternehmer bleibt die Leichtathletik-Weltmeisterschaft so spannend wie ein Rennen auf der Zielgeraden – denn noch wissen zum Beispiel die Hoteliers kaum, wie voll ihre Häuser ab Mitte August sein werden. „Es gibt noch keine exakten Zahlen, denn der Trend geht zu kurzfristigen Buchungen“, sagt Christian Tänzler, Sprecher der Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM).

Die Hotels dürften aber deutlich besser belegt sein als üblich: „Eigentlich sind die Sommerferien keine klassische Städtereisezeit, der August gehört nicht zu den buchungsstärksten Perioden.“

Zuversichtlich ist auch der Hotel- und Gaststättenverband Berlin. Noch sei es „ein bisschen ruhig“, doch das könne sich schnell ändern, sagt der Verbandspräsident und Generaldirektor des Hotels Intercontinental, Willy Weiland. „So war es auch bei der Modemesse Bread and Butter: Noch drei Wochen vorher herrschte eine fast tödliche Ruhe, und dann waren einige Häuser fast ausverkauft.“ Das Interconti wird als Hauptquartier des internationalen Leichtathletikverbandes IAAF gut belegt sein. „Ausgebucht sind wir aber nicht“, sagt Weiland.

Insgesamt neun Hotels fungieren als Unterkunft für 2500 Sportler und Funktionäre sowie 3500 Medienvertreter (siehe Kasten). Dazu gehört das Estrel in Neukölln, das mit 1125 Zimmern das größte deutsche Hotel ist. „Bei uns wohnen 1200 Athleten aus mehr als 200 Nationen, wir sind fast ausgebucht“, sagt Sprecherin Mihaela Djuranovic. Unvermietete Zimmer können aber nicht mit Touristen gefüllt werden, weil die WM-Ausrichter das Hotel komplett beanspruchen – es wird dort auch Räume für Dopingkontrollen und Physiotherapie, Konferenzsäle, ein Lager und eine Catering-Zentrale geben. „Wir sind dann ein Hochsicherheitstrakt, jeder Besucher wird überprüft“, kündigt Djuranovic an.

Alle anderen Tagungen und die Show „Stars in Concert“ fallen im Estrel aus. Das schade aber nichts, findet die Sprecherin: „Im August ist sowieso weniger los. Wichtig sind die Bilder, die um die Welt gehen.“ Zudem hoffe man, dass Athleten das Haus weiter empfehlen; noch sei es weltweit nicht besonders bekannt.

Während die Tourismuswerber der BTM international seit mehr als einem Jahr auf die WM hinweisen, hat die Marketingkampagne des Organisationskomitees in Berlin und Brandenburg gerade erst richtig begonnen – vor allem auf knapp 700 Reklameflächen der Firma Ströer. Der Handelsverband Berlin-Brandenburg sieht kein Problem: Die Vermarkter „sind eine professionelle Truppe, die weiß, was wann zu tun ist“, sagt Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen.

Über den „Runden Tisch Tourismus“ war der Verband in die Planungen eingebunden, alle Händler wurden zum Schaufensterwettbewerb aufgerufen. Mit Freude sah Busch-Petersen nun, dass zum Beispiel die Galeria Kaufhof am Alexanderplatz ihre Schaufenster passend zur WM gestaltet hat. Verkaufsoffene Sonntage wird es nicht geben, Busch-Petersen will „die Leute nicht sonntags aus dem Stadion holen“. Es genüge, dass werktags rund um die Uhr verkauft werden darf.

Für das Olympiastadion stehen 550 000 Tickets zur Verfügung, bisher sind rund 250 000 verkauft. „Ein Großteil der Besucher kommt aus der Region“, sagt Daniel Fiebig, Experte für Wirtschaftspolitik und Sport bei der IHK Berlin. „Der Tourismusbereich wird deshalb nicht so stark profitieren wie bei der Fußball-WM 2006.“ In einigen Hotels hatte die Fußball-Weltmeisterschaft jedoch die Erwartungen enttäuscht. Die Zimmerbelegung war oft sogar niedriger als üblich. Dies lag laut BTM-Sprecher Tänzler am Zeitraum: Damals seien fast alle Kongresse ausgefallen, von denen sonst viele im Juni und Juli stattfinden. Im ruhigeren August sei der Rückgang bei Tagungen weniger spürbar.

„Bei der Fußball-WM haben sich viele verzockt“, bestätigt Jens Reichel, Direktor des Best Western Queens Hotel Berlin City West. Auch die jetzige WM habe die Buchungszahlen bei ihm bisher „nicht signifikant“ erhöht. Reichel fordert mehr bundesweite Werbung wie „Spots vor der Sportschau“.

Bei den TV-Übertragungen ist die Firma Topvision Telekommunikation gut im Geschäft: Laut Walter Johanssen, WM-Teamchef von ARD und ZDF, sorgt das Berliner Unternehmen für die Fernsehtechnik im Stadion.

Profitieren wollen auch Sponsoren aus der Stadt, darunter „Berliner Pilsner“ und der Energieversorger Vattenfall. Ein Spezialist für exklusive Rahmenveranstaltungen bei großen Sportereignissen ist die Agentur „Top Sportmarketing“: Sie lädt in den „Champions Club“ im International Club Berlin in Charlottenburg ein. Dort können Unternehmer Sportler treffen oder mit anderen Unternehmern Geschäfte anbahnen. Bis zu 3000 Gäste werden insgesamt erwartet, Eintrittskarten gibt es zusammen mit Stadiontickets für 230 bis 290 Euro.

Die WM-Kampagne sei zu spät gestartet, glaubt Agenturchef Martin Seeber. Lange sei er bei der Werbung für den Champions Club sogar bei manchen Großfirmen auf Ahnungslosigkeit gestoßen: „Die wussten von nichts.“

Cay Dobberke im Tagesspiegel, Mittwoch, dem 22. Juli 2009

 

author: GRR

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