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2013

2011 IAAF World Outdoor Championships Daegu, South Korea August 27-September 5, 2011 Photo: Takashi Ito@PhotoRun Victah1111@aol.com 631-741-1865 www.photorun.NET

Leichtathletik-Kommentar – Nichts als Hürden – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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12.06.2013 ·  Hürdensprinter Dayron Robles, gerade 26 Jahre alt, hatte sich frustriert zurückgezogen. Stolz und Ehrgeiz haben ihn nun aus dem Streik zurückkehren lassen. Das zeigt, dass seine Reflexe noch stimmen.
 
Enttäuschend? Dayron Robles ist bei einem Sportfest in Turin Sechster geworden. 110 Meter und zehn Hürden brachte er in 13,82 Sekunden hinter sich, das war der sechste Platz. Aber es war der erste Start des Olympiasiegers von Peking 2008 seit dem vergangenen Jahr und ist allein deshalb ein Grund zur Freude. Denn Robles, gerade 26 Jahre alt, hatte sich frustriert zurückgezogen. Er werde 2013 überhaupt nicht starten, hatte er ausrichten lassen, und in der kubanischen Nationalmannschaft schon gar nicht.

Sein Ärger und seine Enttäuschung sind nachvollziehbar. Zunehmend lauter hatte Robles seine Trainingsbedingungen beklagt, immer deutlicher die Inkompetenz der Funktionäre seines Verbandes angeprangert. Bei den Olympischen Spielen von London schied er aus, weil eine Verletzung aufbrach. Mehr als sein Bein aber schmerzte sein verletzter Stolz den jungen Mannes aus Guantánamo, der nur im Erfolgsfall der Stolz seiner sozialistischen Heimat war, sich ansonsten gegängelt fühlte wie ein Kind.

Selbstverständlich musste er auch die Prämien abliefern, die er, unter anderem für seinen Weltrekord von 12,87 Sekunden vor fünf Jahren in Ostrava, mit nach Hause brachte. Als er im Winter sein Sabbatical ankündigte, gab sein verdienter Trainer Santiago Antunez auf und trat in den Ruhestand. Glücklicherweise quälte den lebenslustigen Robles, der gern mit schwerer Goldkette ins Rennen geht, mehr als der Ärger mit seinem Verband.

Bei der Weltmeisterschaft von Daegu 2011 war er zwar als Erster im Ziel gewesen, doch weil er über der letzten Hürde mit einem – unabsichtlichen? – Schwinger seinen chinesischen Konkurrenten Liu Xiang aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, wurde er stehenden Fußes disqualifiziert. So richtig überzeugend war wohl auch für ihn selbst nicht, dass er darauf beharrte, aus seiner Perspektive bleibe er der Weltmeister. Dann holte sich der aufstrebende Amerikaner Aries Merritt die Goldmedaille von London und unterbot kurz darauf auch noch den Weltrekord von Robles um sieben Hundertstelsekunden.

Ein Heim und ein Trainer werden sich finden

Dessen überraschendes Comeback zeigt, dass die Reflexe des jungen Ex-Champions noch stimmen. So konnte er nicht abtreten. Stolz und Ehrgeiz haben ihn aus dem Streik in einen offensichtlichen Unruhestand zurückkehren lassen. Ein Heim und ein Trainer werden sich finden.

Für ein anderes Land aber will Kuba ihn, das hat Verbandspräsident Alberto Juantorena, einstiger Leichtathletik-Star des Landes, ihm mit einer dröhnenden Presseerklärung mit auf den Weg gegeben, auf keinen Fall starten lassen.

Das aber sind angesichts der Rückkehr des fliegenden Dayron zweitrangige Fragen: ob er bei der WM für Kuba startet oder auf eigene Kappe zunächst nur in der Diamond League antritt. Die Hürden, die ihm in Turin im Weg standen, nahm er übrigens im kubanischen Trikot.

 

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 12. Juni 2013

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