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21
03
2011

Der Weg über Stock und Stein, die Mutter aller Läufe, hat statt Agonie Respekt und Renommee verdient

Leichtathletik-Kommentar – Das Kreuz mit dem Cross – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

By GRR 0

Die unfassbare Überlegenheit der Afrikaner hat zum Niedergang des Crosslaufs geführt. Sechs von acht Titeln und die Hälfte aller Medaillen gingen bei der Weltmeisterschaft nach Kenia. Die Athleten aus Ostafrika sind Opfer ihres eigenen Erfolges.

Das war eine Weltmeisterschaft für Feinschmecker: Im ewig Gleichen galt es, das Besondere zu finden. Da sprinteten zwei Weltmeisterinnen um den Titel, und die unglücklichere der beiden, Linet Masai, Weltmeisterin über 10.000 Meter, wurde zum dritten Mal nacheinander Zweite – besiegt von ihrer Freundin und Trainingspartnerin Vivian Cheruiyot, der Weltmeisterin über 5000 Meter.

Bei den Junioren erinnerte ein gewisser Geoffry Kipsang Kamworor an das Erscheinen von Kenenisa Bekele vor zehn Jahren, als er vom Start weg acht Kilometer lang niemanden vorbei ließ, bis ins Ziel. Verbissen kämpften der Äthiopier Feyisa Lelesa und Adhanom Abraha aus Eritrea um Platz 21; kurz vor dem Ziel schließlich mit den Fäusten. Geradezu als Sensation gilt, dass die Amerikanerin Shalane Flanagan Dritte wurde.

Ansonsten beurteilt selbst der Experte der kenianischen Zeitung „The Standard“ die Weltmeisterschaft im Querfeldeinlauf, die am Wochenende in Punta Umbria in Andalusien stattfand, als monoton, obwohl, besser: gerade weil sechs von acht Titeln und die Hälfte aller Medaillen nach Kenia gingen. Die Läuferinnen und Läufer aus Ostafrika sind Opfer ihres Erfolges.

Die Deutschen schickten statt eines Teams den braven Hindernisläufer Steffen Uliczka, der sich aufrichtig darüber freute, dass er Platz fünfzig nur um fünf Sekunden verpasste und noch in der ersten Hälfte des Feldes von 111 Läufern ins Ziel kam.

Eine einzige Bewerbung für die Austragung der Cross-WM 2013

Von nun an soll die Cross-WM statt jährlich alle zwei Jahre stattfinden. Um die Austragung 2013 liegt eine einzige Bewerbung vor, aus Bahrein. Die unfassbare Überlegenheit der Afrikaner hat zum Niedergang des Crosslaufs geführt. Zudem machten allein am vergangenen Wochenende die Marathons von Los Angeles, Rom und Seoul sowie die Halbmarathons von Lissabon und New York mit Antrittsgeld und hohen Prämien der WM die attraktivsten Läufer abspenstig.

Für Deutschlands erfolgreichste Crossläuferin Sabrina Mockenhaupt kam die WM zu spät. Sie ist längst in Vorbereitung auf den Halbmarathon von Berlin, ihren Broterwerb.

Der Weg über Stock und Stein, die Mutter aller Läufe, hat statt Agonie Respekt und Renommee verdient. Immer wieder lehnt es das Internationale Olympische Komitee ab, wie bis 1924 wieder Crossläufe bei Olympischen Spielen auszutragen.

Allerdings: Weil das Programm der Sommerspiele voll ist, wird heute diskutiert, sie den Winterspielen zuzuschlagen. Das würde die Veranstaltung leicht mit erstklassigen Teilnehmern aus Afrika aufwerten. Der Cross würde dafür Schmankerln wie den Spurt der zierlichen Faith Chepngetich Kipyegon aus Kenia verlieren, die sich im Nachwuchsrennen gegen vier große Äthiopierinnen durchsetzte.

Sie rannte barfuß.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Montag, dem 21. März 2011

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