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09
07
2009

Was sich in der Wirtschaftskrise noch bewähren muss, hat im Sport Tradition: die Intervention mit Geld vom Staat. Seit Berlin im Dezember 2004 den Zuschlag zur Ausrichtung der Titelkämpfe im (staatlich) modernisierten Olympiastadion bekam, hat sich die Förderung der Leichtathletik stetig erhöht.

Leichtathletik-Kommentar – Berliner Aufschwung – Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

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08. Juli 2009 „Schlimmer geht's nimmer“ hieß die Devise nach den Olympischen Spielen von Athen 2004 bei den deutschen Leichtathleten. Steffi Nerius und Nadine Kleinert gewannen Silbermedaillen im Speerwerfen und Kugelstoßen, und das war's dann auch schon. Vier Jahre drauf kam's trotzdem noch dicker.

Bis auf Speerwerferin Christina Obergföll, die sich für Platz drei mit einer Bronzemedaille trösten musste, flogen alle deutschen Leichtathleten mit leeren Händen von den Olympischen Spielen in Peking nach Hause. Das sollte aber nun wirklich der Tiefpunkt gewesen sein.

Ein halbes Jahr später setzte, welch ein Wunder, mitten im wirtschaftlichen Abschwung der leichtathletische Aufschwung ein. Bei den Hallen-Europameisterschaften in Turin gewann die kleine deutsche Mannschaft zehn Medaillen; Ariane Friedrich, Petra Lammert und Sebastian Bayer wurden Europameister.

Bei der neuen Mannschafts-Europameisterschaft in Portugal holte die deutsche Auswahl den ersten Titel vor Russland und Großbritannien. Das war zwar nur der kontinentale Maßstab, und damit ist noch nicht wirklich etwas gewonnen, doch immerhin hat sich die Stimmung gebessert.
 
Die Arbeit der neuen Bundestrainer trägt Früchte

Rund 85 seiner Leichtathleten traut der deutsche Verband zu, die Finals der WM von Berlin zu erreichen. Deshalb hat er sie nominiert – oder wird das noch tun. Diskuswerferin Franka Dietzsch ist zwar noch deutlich von ihrer Form entfernt. Doch da sie als Weltmeisterin Startrecht hat, gilt auch für sie nicht, was die Verantwortlichen im Verband generell und für ihre ganze Sportart bestreiten: in einer Krise zu stecken. So selbstsicher geben sich die Bundestrainer und Leistungsstrategen der deutschen Leichtathletik, dass sie auf ihr Startrecht in zwei Handvoll Disziplinen verzichten. Berechtigte Endkampfchance heißt wie eh und je ihr Mantra, und es steht für ihren Anspruch.

Wer im Finale dabei ist – 29 Athleten und Staffeln haben die Aussicht, so weit zu kommen -, hat auch eine Chance, besser abzuschneiden, als nach der Saisonstatistik zu erwarten ist. Die Hoffnung auf eine Bilanz wie bei den Weltmeisterschaften von Osaka vor zwei Jahren, mit sieben Medaillen und zwei Titeln, ist gewiss nicht utopisch.

Was sich in der Wirtschaftskrise noch bewähren muss, hat im Sport Tradition: die Intervention mit Geld vom Staat. Seit Berlin im Dezember 2004 den Zuschlag zur Ausrichtung der Titelkämpfe im (staatlich) modernisierten Olympiastadion bekam, hat sich die Förderung der Leichtathletik stetig erhöht. Schließlich gilt es, eine Blamage zu vermeiden. Vor allem das Wirken neuer haupt- und nebenamtlicher Bundestrainer wirkt sich direkt aus. Die etablierten Athleten mögen davon nicht viel merken. Doch dass plötzlich jemand da ist, der Zeit hat, mit ehrgeizigen Talenten zu arbeiten, trägt Früchte.

38 Tage vor ihrer Eröffnung ist dies der erste Erfolg der Weltmeisterschaft.

Michael Reinsch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Mittwoch, dem 8. Juli 2009

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