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Leichtathletik-EM 2014 – Deutschland hat Laufen gelernt – Michael Reinsch, Zürich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Bei der an diesem Dienstag beginnenden Leichtathletik-EM haben nicht nur die Werfer Medaillenchancen. Die Deutschen haben nun auch das Laufen gelernt. Bis zu zwanzig Medaillen scheinen möglich.
Bei den deutschen Leichtathleten verschieben sich die Gewichte. Nicht, dass Olympiasieger Robert Harting oder Weltmeister David Storl nichts mehr zu melden hätten – im Gegenteil. Die Schwergewichte an Diskus und Eisenkugel sind wieder einmal die Favoriten bei den Europameisterschaften in Zürich, die am Dienstag mit der Entscheidung im Kugelstoßen beginnen.
Auch Hammerwurf-Weltrekordhalterin Betty Heidler sowie die beiden Jahresbesten im Kugelstoßen und im Speerwerfen, Christina Schwanitz (20,22 Meter) und Linda Stahl, die Europameisterin von Barcelona 2010 (67,32), gelten aus aussichtsreichste Starter.
Für die Sächsin Schwanitz wäre alles andere als das Erbe von Europameisterin Nadine Kleinert anzutreten eine Enttäuschung. Und dann gibt es auch noch den Speerwerfer Andreas Hofmann. Überraschend siegte der ehemalige Junioren-Europameister bei der Team-Europameisterschaft in Braunschweig mit 86,13 Meter und machte sich, in Vertretung des verletzten Weltmeisters von Daegu 2011, Matthias de Zordo, zum Medaillenkandidaten für Zürich.
Hofmann ist nur einer aus der jungen Garde, die in diesem Jahr in die erste Reihe treten und den Altersschnitt der deutschen Auswahl auf 25,2 Jahre senken. Drei deutsche Läufer sorgten in Braunschweig für faustdicke Überraschungen, und so, wie sie weitermachten, werden die Mittel- und Langstreckenläufe von Zürich spannend sein für das deutsche Publikum.
Altmeister Arne Gabius siegte über 5000 Meter, während die jungen Timo Benitz und Richard Ringer über 800 und 3000 zum Erfolg spurteten. Bei der deutschen Meisterschaft holte Benitz sich den Titel über 1500 Meter, Ringer nahm Gabius die Meisterschaft über 5000 Meter weg, und nicht einmal der Schnellste, Homiyu Tesfaye (3:31,98 Minuten über 1500 Meter), gewann einen Titel.
Auffällig ist die Entwicklung der Sprinter
Professionellen Auguren erscheinen bis zu zwanzig Medaillen für die 92 Mitglieder des deutschen Teams möglich. Damit würden sie das Niveau der Europameisterschaft von München 2002 mit 19 Medaillen erreichen. Der Sieg bei der Team-Europameisterschaft in diesem Jahr in Braunschweig deutete in diese Richtung. Ihren Teil zur Verjüngung trägt Speerwurf-Weltmeisterin Christina Obergföll bei. Sie fehlt, weil sie sich um ihren neugeborenen Sohn kümmert; Hochspringerin Ariane Friedrich und Siebenkämpferin Jenny Oeser pausieren wegen Schwangerschaft.
Auffällig ist die Entwicklung der Sprinter. Julian Reus verbesserte den deutschen Rekord auf 10,05 Sekunden, er und Lukas Jakubczyk näherten sich im Endlauf – mit etwas zu hoher Windunterstützung – den zehn Sekunden bis auf eine Hundertstelsekunde. Mit der Staffel wollen sie, nach Bronze bei der EM vor vier Jahren in Barcelona und Silber bei der von Helsinki 2012, nun endlich die Goldmedaille.
Die Sprinterinnen gewannen vor zwei Jahren gemeinsam den Titel, in Barcelona 2010 wurde Verena Sailer Europameisterin. Dass bei den deutschen Meisterschaften Tatjana Pinto (11,20 Sekunden) Verena Sailer (11,23) besiegte, wird die beiden nur beflügeln.
Pascal Behrenbruch, Zehnkampf-Europameister von Helsinki, hat es nicht ins Team für Zürich geschafft. Obwohl auch ihr Stärkster, der Weltmeisterschafts-Zweite von Moskau 2013, Michael Schrader, fehlt, gelten Kai Kazmirek (8471 Punkte), Rico Freimuth (8356), die Nummer eins und zwei des Jahres in Europa, sowie Arthur Abele als Anwärter auf die Medaillen. Im Siebenkampf der Frauen wird Lilli Schwarzkopf, die Olympia-Zweite von London, nach langer Verletzung zurückkehren.
Titelverteidiger im Weitsprung ist Sebastian Bayer, einer seiner größten Konkurrenten der Champion von Barcelona 2010, Christian Reif. Der Mann, der beide bei den deutschen Meisterschaften besiegte, wird im Letzigrund fehlen: Markus Rehm. Der deutsche Verband ließ ihm zwar den Titel, nominierte ihn aber nicht für Zürich, weil er aufgrund biomechanischer Messungen der Ansicht ist, dass ihm seine Karbon-Prothese einen Vorteil beim Absprung verschafft.
Lisa Ryzih in der Favoritenrolle
Trotz einer erstaunlichen Serie von Ausfällen könnte es sogar im Stabhochsprung einen Titel geben. Lisa Ryzih ist mit 4,71 Meter in die Favoritenrolle gesprungen, und sollte sie ihren Höhenflug in Zürich fortsetzen, wäre sie die erste deutsche Europameisterin in dieser Disziplin. Ihre Mannschaftskameradinnen Silke Spiegelburg, Martina Strutz und Christina Gadschiew fehlen verletzt.
Bei den Männern haben sich mit Formschwäche und Zipperlein Weltmeister Raphael Holzdeppe, der Olympia-Zweiter Björn Otto und jüngst Malte Mohr abgemeldet.
Michael Reinsch, Zürich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Dienstag, dem 12. August 2014