Das Buch mag so gesehen für viele laufende Leser und vielleicht mehr noch für viele laufende Leserinnen ein willkommener verbaler Mutmacher und Motivator sein, neue Laufziele anzuvisieren und zu realisieren.
Lebenstraum Rennsteiglauf – Britta Wackernagel: Das Laufende Lächeln. Mein ganz persönlicher Lebenstraum – Die Rezension von Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Diese Buchvorstellung beginnt beim Waschzettel. Der Waschzettel wird in aller Regel vom Verlag zur Rezension mitgeliefert und besteht aus einem Blatt mit wichtigen Informationen zum Buch. Manchmal entscheidet er schon, ob man das Buch überhaupt zur Hand nimmt und mit welchen Vorabeindrücken man sich dann irgendwann an die Lektüre begibt.
Soviel steht fest: Der Waschzettel zum Buch von Britta Wackernagel hat es in sich. Da ist davon die Rede, dass dieses Buch „ein treuer Begleiter“ werden und in Zukunft auf dem Nachttisch stehen oder als Reiselektüre eingepackt werden soll. Da ist aber auch davon die Rede, dass es kein Trainingsbuch, sondern „ein Lebensbuch“ sein will.
Mehr noch und dies: Wir alle sind eingeladen, Britta (Jahrgang 1961) auf ihrem „Weg zur Erfüllung meines Lebenstraumes zu begleiten“. Wenn wir demnach noch weiteres Interesse haben, können wir uns gleich per Email mit ihr in Verbindung setzen. Donnerwetter! Mehr Lese-Anmache geht kaum …
Im Kern ist das Werk ein erstaunliches Tagebuch, in dem die Autorin ihre umfassende Vorbereitung auf den Rennsteiglauf über 43,1 km vom Entschluss bis zur Realisierung im Mai 2007 schildert. Allein diese Tatsache verlangt Anerkennung für Britta Wackernagel in zweifacher Hinsicht: nämlich als erfolgreiche Finisherin des Rennsteiglaufes (4:50:08 Std.) und eben als ambitionierte Autorin (240 Seiten).
Doch man muss auch wissen: Den Rennsteig haben vor ihr schon zigtausende Männer und Frauen absolviert, und das laufliterarische Genre, in dem Britta Wackernagel ihren „ganz persönlichen Lebenstraum“ wahr werden lässt, ist ebenfalls so neu und einzigartig nicht im deutschsprachigen Raum.
Als erster hat es Manfred Steffny höchstpersönlich prominent besetzt. Er hat sein ganzes Laufjahr 2000 als Tagebuch festgehalten („Als 2000-Füßler durch fünf Kontinente“, Erkrath 2001), und die Berlinerin Iris Gehrmann beispielsweise schildert ebenfalls mit Tagebucheintragungen ihre (keineswegs immer glatt laufenden) Vorbereitungen „Von null auf zweiundvierzig“ auf den erfolgreich gefinishten New York City Marathon 2003 („Einmal Marathon in New York“, Berlin 2004). Und jetzt also Britta Wackernagel! Das Werk liegt irgendwo dazwischen.
Wenn ich Buch und Waschzettel richtig deute, dann gibt es mindestens eine Botschaft von Britta Wackernagel, und die lautet: Seht her! Was ich geschafft habe, dass könnt ihr vielleicht auch so ähnlich. Es muss ja nicht der Rennsteig sein! Zu ihm hat Britta Wackernagel allein deswegen eine biografisch-emotionale Nähe, weil sie ihre Kinder- und Jugendzeit in Jena (Thürin-gen) verbracht hat, bevor es sie erst nach Bayern und jetzt in die Schweiz beruflich verschlug.
Das Buch mag so gesehen für viele laufende Leser und vielleicht mehr noch für viele laufende Leserinnen ein willkommener verbaler Mutmacher und Motivator sein, neue Laufziele anzuvisieren und zu realisieren. Dennoch gilt: Ohne kontinuierliches Training, so wie es uns Britta Wackernagel (dank ihres Mannes als Trainer und Mitläufer) vorgemacht hat, geht es nicht. Die Lektüre des Tagesbuches allein reicht nicht aus. Selber eines zu schreiben kann aber ein zusätzlicher Stabilisator zur Erfüllung eines Lebenstraumes sein. So oder so ist der Selbstversuch entscheidend. Dafür liegt jetzt „ein treuer Begleiter“ vor.
Wie im richtigen Leben läuft logischerweise auch im Tagebuch nicht immer alles rund. Wir stoßen auf starke Passagen und fühlen womöglich mit, wenn Britta schon recht früh zu der für sie wichtigen Erkenntnis kommt: „Das Laufen gibt mir zusehends die Gelegenheit, meine Emotionen besser zu steuern“ (12.12.), während der Eintrag am 24.12. nicht unbedingt eine schöne weihnachtliche Bescherung darzustellen scheint: „In trauter Familienrunde sitzen wir am Weihnachtstag gemeinsam am Frühstückstisch … Die richtige Weihnachtsstimmung will gar nicht aufkommen“ (S. 24). Am Ende eines jeden Monats wird ein Fazit gezogen – eine Art Leistungsfortschrittbilanz auf dem Weg zum Rennsteig, der dann als der große Höhepunkt auch sehr detailreich auf über sechs Seiten beschrieben wird.
Aber will man das immer gleich so genau wissen: „Ich muss mich nochmals in die Büsche schlagen“ (S. 214), heißt es kurz vor dem Ziel. Der Moment auf dem Zielstrich kommt dann als enthüllende Befreiung daher: „Erfolg fühlt sich geil an, erst Recht die Erfüllung dieses lang gehegten Lebenstraums!“ (S. 215).
Im Buch ist nicht jeder Tag vom 3. Dezember 2006 bis zum 27. Mai 2007 protokollarisch aufgezeichnet. In der Summe fehlen rund drei Wochen. Nehmen wir mal an, da ist nichts groß gelaufen und wenden wir uns zum Schluss noch einmal ganz der Coverseite zu: Warum sind denn hier im Titel (grammatikalisch nicht ganz korrekt) nun alle drei Worte groß geschrieben? Ich habe keine Ahnung, aber einen passenden Satz vom Tag nach dem Rennsteig dazu gefunden: „Von meinem Erfolg bin ich noch so überwältigt, dass ich weder Laufen noch Schreiben kann“ (S. 218).
Muss auch nicht sein, wenn zuvor ganz großes geleistet wurde … und wenn da nicht noch auf der Coverseite das Foto mit den ausgezogenen Laufschuhen zu sehen wäre. Hat die Autorin denn tatsächlich gleich nach dem Rennsteig – wie der Volksmund sagt – die Schuhe an den Nagel gehängt, weil der Traum geträumt ist?
Die letzten beiden Absätze im Buch geben Nahrung für diese Annahme. Denn: „Projekte sind doch was Schönes, sie haben einen Anfang und ein Ende.“
In Trapattonideutsch heißt das: „Ich habe fertig!“. So ein bisschen erinnert mich Britta Wackernagel jetzt auch an Joschka Fischer.
Prof. Dr. Detlef Kuhlmann
Britta Wackernagel: Das Laufende Lächeln. Mein ganz persönlicher Lebenstraum. Berlin: Pro BUSINESS 2009. 240 S. mit vielen Abbildungen; 17,80 €.