Laura Hottenrott (r.) holt sich den deutschen Halbmarathontitel - Foto: Wilfried Raatz
Laura Hottenrott und die Late Season – Nach Sieg beim Jungfrau-Marathon nun auch deutschen Halbmarathontitel 2022 in Ulm, SCC Berlin gewinnen den Frauentitel – Wilfried Raatz berichtet
Konstantin Wedel setzt Regensburger Tradition bei den Männern durch
Nur eine Woche nach den deutschen 10 km-Straßenlaufmeisterschaften in Saarbrücken stand mit den Titelkämpfen über die Halbmarathondistanz in Ulm bereits die nächste Meisterschaft auf dem Programm – ehe es für die Nimmermüden in der Folgewoche am Jenner im Berchtesgadener Land auch noch um die Berglauf-Medaillen gehen wird.
Denn nicht wenige sind bei allen drei Meisterschaften innerhalb von nur drei Wochen dabei. Die Terminhatz macht sich dabei sicherlich bei der Teilnehmer-Resonanz stark bemerkbar, so wurden in Saarbrücken 589 Finisher, in Ulm noch 302 Finisher registriert, am Jenner dürfte die Zahl der Zieleinläufer gar nur bei 150 liegen. Und dies jeweils in allen Meisterschaftsklassen, von der Jugend und Junioren bis hin zu den älteren Masterskategorien.
Im Donaustadion jedenfalls gab es viele strahlende Gesichter. Auch wenn die (Halbmarathon-)Strecke vor allem im zweiten Abschnitt etliche Ecken aufzuweisen hatte, gab es vielerorts starke Endzeiten. Allerdings zeigten sich wie auch schon bei den Crossmeisterschaften in Sonsbeck Probleme mit der Auswertung, sodass die DM-Siegerehrung, etwas deplatziert fernab der sich im Stadion angesammelten Fangemeinde mit der zuvor bereits durchgeführten Siegerehrung des Veranstalters, mit deutlicher Verspätung erst durchgeführt werden konnte. Der Beifall für die Meister jedenfalls war angemessen und ging zügig über die Runden, zumal für die bestplatzierten aus Baden-Württemberg anschließend noch die Landesmeister geehrt wurden.
Als schnellster Halbmarathonläufer bog Konstantin Wedel auf die meisterschaftserprobte Kunststoffbahn im Donaustadion. Der 28jährige Regensburger hatte sich schon frühzeitig an die Spitze des Männerfeldes vor Thorben Dietz und Tobias Blum gesetzt – und wusste seinen Vorsprung Meter um Meter auszubauen. „Ich bin schon etwas mit Berechnung gelaufen“, so Konstantin Wedel über seinen ersten deutschen Einzelmeistertitel. „Durch die vielen Kurven konnte ich die Verfolger gut beobachten. Das war für mich schon ein ungewohntes Ereignis, denn sonst bin ich eher in der Rolle des Jägers. Mit dem Regensburger Team wurde ich zwar schon öfters deutscher Meister, aber das ist heute schon etwas Herausragendes!“
Aus dem Allroundläufer über die Hindernisse auf der Bahn, im Crossgelände und am Berg und den regelmäßigen Ausflügen auf den Asphaltbelag ist im Jahr 2022 ein zuverlässiger Marathonläufer herangereift, der sich bei den Europameisterschaften in München im Verbund mit Richard Ringer und Amanal Petros als Silbermedaillengewinner feiern lassen durfte.
Mit 1:04:52 Stunden lag der Telis-Finanz-Athlet eine knappe halbe Minute vor Tobias Blum, der mit der Vizemeisterschaft seine Leistungssportkarriere im Alter von 27 Jahren beenden wird. „Für mich war dies natürlich heute ein emotionales Rennen, natürlich ist es toll, wenn das in Ulm mit der Silbermedaille so geklappt hat!“ Der Rehlinger hat sich trotz einiger Erfolge national wie international für seine berufliche Karriere entschieden und wird künftig im Controlling bei Peter Gross Bau in St. Ingbert gefordert sein. „Der zunächst angebotene Halbtagsjob ließ sich in der Praxis so nicht umsetzen, sodass der Sport zuletzt immer mehr in den Hintergrund gerückt war!“
Die finale große Bühne erwartet Tobias Blum dann beim Köln-Marathon, wenn er als Favorit ins Rennen gehen wird. Bereits 2018 hatte er dieses Rennen schon als Sieger beendet. Und 2022?
Thorben Dietz, der lange Zeit auf Rang zwei hinter Konstantin Wedel gelaufen war, freute sich der Ulmer nach 1:05:40 Stunden über seine erste Meisterschaftsmedaille. „Nachdem ich schon mehrfach an den Medaillen vorbeigelaufen war, ist dies heute natürlich wie im Märchen! Und das noch in der Stadt, in der ich lebe!“ Der Lehrer einer Gemeinschaftsschule in Geislingen durfte sich bei seinem „Heimspiel“ zudem auf das halbe Lehrerkollegium verlassen, denn diese feuerten ihn lautstark mit Megafon und Lärminstrumenten an. Allerdings musste der ursprünglich aus dem westfälischen Dorsten stammende Thorben Dietz bis zur Ziellinie bangen, denn mit hoher Geschwindigkeit rückten die nächsten Verfolger mit dem sprintstarken Marius Abele, dem Junioren-Triathlon-Europameister Julian Großkopf und Lars Schwalm bis auf eine Sekunde heran. Übrigens machte sich Thorben mit der Bronzemedaille selbst das wenngleich auch um zwei Tage verfrühte Geburtsgeschenk. Wenn das keine Punktlandung ist, Herr Lehrer!
Mit dem 50 km-Ultramarathonmeister und mehrfachen Rennsteiglaufsieger Marcel Bräutigam lief der M35-Sieger mit 1:06:24 als Neunter noch unter die Top 10, die Dustin Uhlig als Zehnter abschloss, der zudem mit seinen Teamkollegen Raphael Junghans und Andreas Honecker deutscher Mannschaftsmeister wurde.
Strahlend erreichte Laura Hottenrott als neue Meisterin das Donaustadion, ließ sich von Sabrina Mockenhaupt abklatschen, bevor sie nach 1:12:33 über die Ziellinie lief. „Ich wollte den Sieg!“ gestand die Kasseler Grün-Weiß-Läuferin nach der weitestgehend verkorksten Saison. Wegen einer Corona-Erkrankung hatte die promovierte Biologin ihren Marathonstart bei den Weltmeisterschaften in Eugene absagen müssen – und ist in der „late Season“ in einer exzellenten Verfassung. Vor zwei Wochen gewann sie nach stellenweise deutlichem Rückstand auf die führende Kenianerin Esther Chesang noch den legendären Jungfrau-Marathon über 42 km und 1829 Höhenmeter – und nun in souveräner Manier den Halbmarathontitel.
„Der Sieg beim Jungfrau-Marathon war eine reine Willensleistung, denn der Verzicht auf die WM war nach den verpassten Olympischen Spielen der zweite Rückschlag in so kurzer Zeit!“ Die 1:12:33 Stunden-Endzeit ist freilich kein Gratmesser für die augenblickliche Verfassung der 30jährigen, die sie Ende Oktober beim Frankfurt-Marathon zu einer neuen persönlichen Bestmarke führen soll. „In Kassel werde ich die Strecke als long jog mit Trainingsschuhen absolvieren. In Frankfurt soll dann aber alles passen. Schließlich habe ich dort gute Erinnerungen, da ich dort meinen ersten Marathon gelaufen war!“ Doch zurück zum Meistertitel in Ulm: „Mit dem Rennen bin ich natürlich sehr zufrieden, auch wenn ich auf dem etwas eckigen Kurs im zweiten Streckenabschnitt einige Sekunden verloren habe!“
Nur 28 Sekunden hinter Laura Hottenrott kam im leider etwas ausgedünnten Spitzenfeld (sowohl Alina Reh als auch Domenika Mayer hatten auf einen Start in Ulm verzichtet) mit der erst 20jährigen Blanka Dörfel bereits der Schützling von Dieter Hogen ins Ziel, die eine Woche nach Rang drei in Saarbrücken ein weiteres exzellentes Resultat im Frauenbereich abliefern konnte. „Die Zeit ist natürlich nicht so super!“ rückte die Berlinerin ihre Leistung zurecht, die wie auch in Saarbrücken die Zusatzwertung der U23 gewinnen konnte. „Aber mich freut die Tatsache, dass Laura nur kurz vor mir lief. Leider waren aber nur die ersten zehn Kilometer super, dann ist mir der Lauf doch schwer gefallen!“
Mit Blanka, Christina Gerdes und Carla Morgenroth holte der SCC Berlin just zur Stunde des Berlin-Marathon den Mannschaftstitel in die Hauptstadt.
Verpasste Natascha Mommers über die 10 km-Strecke noch eine Frauen-Medaille, so durfte die 38jährige des TSV Herdecke nun in Ulm mit einem lauten Freudenschrei ihre Bronzemedaille bejubeln. Mit 1:13:21 Stunden lief sie erneut ein exzellentes Rennen und wurde neben der W35-Meisterschaft mit einer starken Bestzeit belohnt. Nur wenigen war sie im Vorjahr in Uelzen als Gesamtsiebte aufgefallen, dafür nun aber im Wochentakt gleich zweimal. „bis 2021 bin ich vorwiegend auf dem Laufband gelaufen, hier aber sowohl Umfänge als auch Intervalle“, berichtet die zusammen mit ihrem Mann Markus in Herdecke in einem eigenen Unternehmen als Unternehmensberaterin tätig ist. Wie auch andere liebäugelt Natascha aber auch schon mit der Marathonstrecke: „Das könnte schon 2023 ein Ziel werden!“
Sichtlich zufrieden mit ihrer Leistung von 1:13:55 durfte auch die viertplatzierte Thea Heim sein, wenngleich sie alles als Vorbereitung auf ihren Marathonstart Ende Oktober sieht.
Erfreuliche Entwicklungen zeichnen sich im weiteren Feld ab: Mit Mia Jurenka (1:16:39) und Jule Vetter (1:17:12) konnten sich neben Blanka zwei weitere U23-Läuferinnen auf den Plätzen 8 und 10 im Bereich der Top 10 platzieren.
Wilfried Raatz